In den ersten Minuten des neuen Sternenkrieg-Films wird klar: Rogue One ist ein Star Wars für Erwachsene, näher diesmal am Kriegsfilm, als am fröhlichen Fantasymärchen. Mit weniger C3-PO und kleinen Wald-Kampfbären. Dafür dominieren hartgesottene, kantige Charaktere:
Die Rebellion ist am Scheidepunkt und die Anführer sind zerstritten angesichts der baldigen Fertigstellung des Todessterns.
Rogue One: A Star Wars Story ist ein Spin-Off (dt.: „Ableger“) und fungiert als vollkommen eigenständiger und in sich abgeschlossener Film, der jedoch die Geschichte direkt vor „Eine neue Hoffnung“ aufgreift und Logik- und Wissenslücken schließt, mit denen sich Fans des Universums schon seit 1977 rumschlagen müssen.
Genau genommen ist es nicht das erste Spin-Off aus dem Star Wars-Filmuniversum: Bereits in den Jahren 1984 und 1985 erschienen unter „Ewoks – Die Karawane der Tapferen“ und „Ewoks – Kampf um Endor“ zwei Titel, die die Geschichte der putzigen Bärenwesen aus Episode 6 aufgreift und deren Geschichte ausbaut. Weitere bekannte Spin-Offs sind z.B. Stargate Atlantis (Stargate SG1) oder Angel (Buffy die Vampirjägerin), sogar die Kultserie Die Simpsons ist als Spin-Off aus der „Tracey Ullman Show“ hervorgegangen.
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Doch worum geht’s? Die Situation ist prekär. Der Todesstern, Superwaffe des mächtigen Imperators, steht kurz vor der Fertigstellung. Die Rebellion ist am Scheideweg und einzelne Mitglieder sind sich längst nicht mehr sicher, ob der verzweifelte Kampf überhaupt noch Erfolg bringt.
Ein Lichtblick muss her - und wie in jedem guten Teil der Saga erscheint dieser auch: Jyn Erso, verkörpert durch die Schauspielerin Felicity Jones, nimmt die Hauptrolle ein.
Nachdem Jyn sehr früh von Ihrer Familie getrennt wurde, lernt sie schnell, sich im Universum durchzuschlagen - und das wortwörtlich, denn Jyn weiß mit Fäusten, sowie Schlagstöcken und Blastern umzugehen und landet auch mal gern im Gefängnis, wie die ersten Szenen des Films verdeutlichen.
Parallelen zu J.J. Abrams Episode 7 tun sich auf, in denen sich Rey als einzelgängerische Schrottsammlerin auch zu wehren weiß und es eben mal mit dem Kampfstab bewaffnet mit mehreren Gaunern auf einmal aufnimmt. Aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Jyn Erso ist eine vom Leben und Kriminalität geprägte Frau, die von der Rebellion erst mal nichts wissen will.
Anders als bei Rey deutet sich auch an, woher dieses Misstrauen gegen alles und jeden kommt: Jyn wird von dem äußerst umstrittenen und extremistischen Ex-Jedi Saw Gerrera (Gespielt von Forest Whitaker) aufgenommen und aufgezogen. Wer sich die Animationsserie „The Clone Wars“ angeschaut hat, für den ist Saw Gerrera kein Unbekannter. Gerrera diente als Jedi in den Klonkriegen und ist somit einer derjenigen, die die Order 66 (Der Befehl des Imperators, alle Jedi im Universum auszulöschen) überlebten. Seitdem hält er sich versteckt und führt mit seinen Guerillakriegern einen verzweifelten Kampf gegen die Besatzer des Imperiums, stößt aber aufgrund seiner Einstellungen und seinem Vorgehen bei der Rebellion nicht unbedingt auch Sympathie.
Jyn dient in erster Linie als Kontaktherstellerin zwischen der Rebellion und den abtrünnigen Kämpfern Gerreras, die sich auf dem Wüstenplaneten Jedha versteckt halten. Gerrera erhält Infos, die Jyns Einstellung zur Rebellion dramatisch verändern. Fortan kämpft sie für eine Einigkeit zwischen den Rebellenanführern, die jedoch weiterhin angesichts der Übermacht des Imperiums nicht zusammenkommen. Andere Mittel müssen her, flugs finden sich Gleichgesinnte, die Erso auf ihrem gewagten Selbstmordkommando begleiten. Ihr Ziel: Die Pläne des Todessterns stehlen, denn unter diesen befindet sich ein Hinweis auf eine mögliche Schwachstelle. Eine neue Hoffnung ist geboren.
Frohsinn und Besonnenheit sucht man in dem Film aber vergebens. Kampfesmüde, nachdenkliche und angespannte Gesichter prägen die Szenerie, alle Charaktere kämpfen mit ihren inneren Dämonen und werden vereint nur durch die gemeinsame Abneigung zum Imperium. Kein Wunder, dass sich diese Emotionen auch mal entladen und es zu harten Wortgefechten zwischen den Protagonisten kommt.
Diese depressive Grundstimmung kommt anderen wenigen Charakteren dabei aber entgegen. Besonders brillieren da der blinde und machtempfindliche Kampfmönch Chirrut Îmwe (Donnie Yen) und der umprogrammierte imperiale Sicherheitsdroide K-2SO. Sie sorgen mit kurzen Einzeilern für (sehr) witzige Zwischenbemerkungen, die das Geschehen für einen Augenblick auflockern.
Als neuen Antagonisten schickt das Imperium Orson Krennic ins Rennen, seines Zeichens imperialer Offizier und zuständig für die Fertigstellung und ordnungsgemäße Funktion des Todessterns. Verkörpert wird Krennic von Ben Mendelsohn. Leider hat er, als quasi einziger Gegenspieler im gesamten Film eine der schwächsten Rollen, als die des 0815-Bösewichts. Das Imperium hat wohl auch einen ausgezeichneten Wäschereiservice, denn Krennic trägt durchgehend seine markante weiße Uniform, obwohl die Anfangsszenen ca. 13 Jahre in der Vergangenheit spielen. Seine Skrupellosigkeit beweist, dass er trotzdem sicherlich keine weiße Weste trägt. Es wird klar, dass er es den Rebellen nicht leichtmachen wird. Sein Ehrgeiz, sein Hochmut und nicht zuletzt die Angst vor seinen ungeduldigen Vorgesetzten treiben ihn voran. Stets ist er mehr oder weniger zufällig genau zur Stelle, um den Rebellen ein Strich durch die Rechnung zu machen.
Als weitere bekannte Bösewichte erscheinen Großmuff Tarkin, der mittels aufwändigem CGI wieder zum Leben erweckt wurde (Der Schauspieler Peter Cushing ist 1994 verstorben) und Darth Vader höchstpersönlich. Fans des schweratmigen Sithlords kommen voll auf ihre Kosten. Mehr als in bisherigen Filmen demonstriert Vader wieder einmal, wer der Boss ist und wieso er für die Rebellenkämpfer mehr als eine ferne Bedrohung darstellt. Die Endszene ist – und so viel sei gesagt - schon jetzt legendär.
Rogue One bleibt seinem Erbe treu und untermalt den gesamten Film von Anfang bis Ende mit atmosphärischer Orchestermusik. Fest mit Star Wars verbindet man John Williams als altgedienten Komponisten des legendären Soundtracks. In Rogue One hingegen nimmt Michael Giacchino die Zügel in die Hand und komponierte den Soundtrack nach eigenen Angaben in etwas mehr als einem Monat. Leider kommt das richtige SW-Feeling, anders als in den bisherigen Teilen, nicht rüber, es gibt keine Gänsehautmomente. Bekannte Themes werden angeschnitten, aber nicht zu Ende gebracht. Es bleibt unvollständig, abgehakt, oft unbefriedigend. Ein wenig mehr Bezug zu älteren Teilen wäre angebrachter gewesen.
Rogue One erweitert das Universum um viele interessante Charaktere und Alienrassen, die wir bisher nicht gesehen haben. Sei es ein zotteliger, weißer Wookieverschnitt, ein mutiges Schweinwesen, das mit Riesenblaster bewaffnet Seite an Seite mit den Rebellen in den Krieg zieht oder ein großer, klibbriger Telepathiekraken. Alles fühlt sich nach Star Wars an, alles passt in das bereits interessante Spektrum an Wesen und Personen, das wir so liebgewonnen haben.
Auf der Seite des Imperiums erhalten die Death Trooper einen neuen Auftritt. Bedrohliche Elite-Sturmtruppen in schwarzen Rüstungen, die ihre weiß gekleideten Kollegen alt aussehen lassen.
Der Tropenplanet Scarif, den wir in den Trailern bereits gesehen haben, bildet einen angenehmen Kontrast zur düsteren Story. Palmen, weiße Sandstrände und türkiser Ozean dominieren das Bühnenbild und stellen so den Schauplatz für ein fulminantes, spannendes Finale mit spektakulären Weltraum- sowie Bodenkämpfen. Wer die Weltraumgefechte in bisherigen Teilen mochte, findet sich hier sofort wohl.
Disney schlägt für Rogue One in die richtige Richtung und spricht mit seinem neuesten Werk genau die Fans an, die „Das Imperium schlägt zurück“ als den besten Film erachten, den bisher düstersten Teil des Franchises. Es ist auf jeden Fall ein Experiment, das sich lohnt. Ob die eingeschlagene Richtung jedoch Schule macht, ist eher unwahrscheinlich. Als zweiten Teil der Anthology-Reihe ist ein Spin-Off über den jungen Han Solo geplant, das sich nach ersten Informationen eher in Richtung Abenteuer-Komödie orientiert.
Rogue One reiht sich als würdiges Machwerk in die Reihen der Star Wars-Fantasy ein und bereichert die bereits existierenden Trilogien um einen interessanten Blickwinkel. Ein Must-See für alle Fans!
4,5/5 Sternen