Tommy Lee Jones führt Regie und spielt zugleich die Hauptrolle in dem 2014 abgedrehten Western „The Homesman“. Die 1988 erschienene Vorlage für das Drehbuch lieferte der 1992 verstorbene Schriftsteller Glendon Swarthout, der auch den Roman „The Shootist“ schrieb, welcher für den letzten Leinwandauftritt von John Wayne verfilmt wurde. „The Homesman“ wurde auf dem 32. Münchener Filmfest gezeigt.
Loup County, Nebraska, Mitte 19. Jahrhundert: Mary Bee Cuddy (Hilary Swank), eine alleinstehende Frau Anfang 30, gebildet, verbohrt und autoritär, ehemannsuchend, möchte drei Frauen, die den Verstand verloren haben, zur Therapie ins benachbarte Iowa überführen. Der einfach gestrickte und bereits am Strick hängende George Briggs (Tommy Lee Jones) bietet ihr gegen Lebensrettung seine Hilfe an. In der Sache ist er gleichgültig, die zusätzliche Entlohnung steht im Vordergrund.
Mit prall gefüllten Bildern, ruhiger Erzählweise und Kameraführung wagt sich Tommy Lee Jones an das Unternehmen Western heran und lässt den Zuschauer die Weiten des Westens spüren. Allmählich füllt er mit Handlung auf und vermittelt, dass das Leben zu nehmen ist, wie es ist. Die Alpha-Tiere der Geschichte - das erklärt schon die Handlung - werden nicht wie genreüblich Revolvermänner sein, die sich zum Duell gegenüberstehen. Die neben Hunger und Kälte während des fünfwöchigen Trips auftretenden, teilweise selbst verursachten Schwierigkeiten wirken ein wenig installiert (wenn auch einfallsreich) und haben den Zweck, die Charaktere Cuddy und Briggs zu erklären. Mit unterhaltsamem Western-Charme lässt der Regisseur erkennen, dass die beiden für die Überführung der geisteskranken Landdamen wie unpassende Gegenstücke agieren. Cuddy ist auf den Homesman angewiesen, fühlt sich ihm aber moralisch und geistig überlegen. Sie reiben sich somit verbal über den Tagesablauf (C: „I can’t sleep“, B: „I could“), Umgang mit den Frauen und Erlebnissen. Auch körperlich geraten die zwei aneinander bis mehr und mehr Briggs seine Wurschtigkeit verliert und in dieser Geschichte in die Position der Hauptfigur rückt, die Richtung Osten reitet und in den Westen der USA gehört.
Unweigerlich ist der Vergleich mit „True Grit“ zu ziehen. Die Geschichte des mehrfach verfilmten gleichnamigen Romans von Charles Portis aus dem Jahr 1968 lässt ein junges energisches Mädchen mit dem versoffenen und schießwütigen Marshal Rooster Cogburn Jagd auf den Mörder ihres Vaters machen. Tommy Lee Jones hat seinen Homesman umgänglicher gestaltet, mit etwas weniger Blei und Grit hinter der groben Hülle, doch mit dem gleichen Unterhaltungswert und einer ordentlichen Portion Wärmeenergie zur Verdeutlichung des spät offenbarten Moralgefühls des Haudegens.
Hailee Steinfeld spielt den weiblichen Hauptpart in dem 2010 von den Coen-Brüdern inszenierten Film „True Grit“. In „The Homesman“ ist sie neben Meryl Streep in einer kleinen Nebenrolle gegen Ende des Films zu sehen.
Starke Bilder der durchquerten Landschaften, sehr gelungene Aufnahmen der intensiv und natürlich gespielten Figuren hüllen den Zuschauer ein, begleitet von großartig ausgesuchter Westernmusik, die nicht wie von der Stange klingt. Vergehende Zeit und zurückgelegte Entfernung werden nicht gründlich vermittelt; dafür sind die erlebten Ereignisse zu gleichmäßig aneinander gehängt und jeweils zu eindringlich. Doch zum Ende hat der Homesman mindestens eine Erlebnisfurche mehr erhalten und die Zuschauer mit einem stimmigen und locker humorunterfütterten Western-Roadmovie begeistert.