Thomas Vinterberg („Die Jagd“) hat nach einem 1874 erschienenen Roman des englischen Schriftstellers Thomas Hardy den Film „Am grünen Rand der Welt“ geschaffen.
Südengland um 1870: Die eigenwillige Bathsheba Everdene (Carey Mulligan) erbt von ihrem Onkel eine große Landwirtschaft. Sie stellt den mittellos gewordenen Schäfer Gabriel Oak (Matthias Schoenarts) ein, weil sie um seine Besonnenheit weiß und auch aus gewachsener Sympathie früherer Bekanntschaft, die allerdings mit der Ablehnung seines Heiratsantrags begleitet wurde. Andere Bewerber um die Gunst der schönen Neureichen tauchen auf: der ältere und reiche William Boldwood (Michael Sheen) und der draufgängerische, junge Sergeant Francis „Frank“ Troy (Tom Sturridge).
Vier völlig unterschiedliche, interessant ausgeschmückte Charaktere agieren in einer erfolgreich veröffentlichten Liebesgeschichte des 19. Jahrhunderts. Für Filmemacher ein gefundenes Fressen. War es schon für John Schlesinger, der 1967 den Stoff verfilmte. Thomas Vinterberg musste nun alles daran setzen, dass die Figuren in 119 Minuten vielschichtiger erscheinen als die Kandidaten einer TV-Unterhaltungsshow, in der am Ende eine gewisse Susi aus dem Off fragte: „Wer soll nun dein Herzblatt sein? Der Schäfer mit dem treuen Blick, der vieles kann und wenig fragt, oder der alte Junggeselle, der alles halten kann, was er verspricht, oder soll es der schneidige, aber arme Soldat sein, der jedes Wagnis eingeht und seine Karriere für dich aufgibt, um dein Herr an deiner Seite auf deinem Bauernhof zu werden?“
Die Spielzeit hat ausgereicht, um die Figuren werden zu lassen, insbesondere Gabriel und Bathsheba. Für letztere wird besonders intensiv herausgearbeitet, dass sie ihre Fehler erkennt, und trotzdem konsequent ihre Maximen und Vorstellungen durchsetzt. Sie ist die starke Frau, die diese Geschichte trägt, bezaubernd gespielt von Carey Mulligan. Für die anderen wurden unterschiedliche Methoden zur Beschreibung gewählt. Dass Frank Troy auch von seinem Herzen geleitet wird und nicht nur Aufschneider und Hasardeur ist, findet Einzug in die Geschichte und hebt ihn vom Stereotyp ab. William Boldwood bekommt zur Verdeutlichung seiner Gesinnungen interessant inszenierte Männergespräche mit Gabriel.
Schwerpunkte zu bilden, ist sicherlich die richtige Maßnahme. Doch damit hatte Vinterberg offensichtlich zu kämpfen. Sehr intensiv inszenierte Passagen mit starken Dialogen (und z.B. dem begeisternden Gesangsduett Bathsheba/William während einer Feier) reihen sich zwischen die lieblos aneinander geklatschten nach dem Motto: diese Szene muss auch noch mit eingepresst werden, mit entsprechend plakativem Gerede, das einen Blick ins Innere verbietet. Zu Beginn und zum Ende des Films ist deutlich zu spüren, dass Vinterberg sich nicht die Zeit zum Erzählen nimmt (oder nehmen darf), damit den Rhythmus deutlich stört und in einem Hauruck-Finale die letzten Wendungen zu eng zusammenführt. Er hätte sich trauen müssen, die Geschichte auszudünnen, wie Cary Fukunaga bei „Jane Eyre“; so ist der Film um die emanzipierte Jane (Mia Wasikowska) das stärkere Werk.
Die Bilder der dänischen Kamerafrau Charlotte Bruus Christensen („Die Jagd“) zeigen natürliche Schönheit inmitten schöner Kostüme gespickt mit dem zuweilen übertriebenen Posing der Unwirklichkeit, was als Augenschmaus mit Unregelmäßigkeit gerne in Kauf genommen und von Bildern der Mandy Walker („Australia“, „Spuren“) übertroffen wird.
„Am grünen Rand der Welt“ ist kein auf ganzer Linie gelungener Film, aber eine mit schönen Bildern eingerahmte Liebesgeschichte und hervorragenden Schauspielern, welche die emotionalen Rollen zum Leben erwecken.