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Anonymer User
3,5
Veröffentlicht am 5. Dezember 2013
Mit seinem ersten Langspielfilm verwandelt Regisseur Michiel ten Horn eine holländische Familie in ein Biotop kurioser Ideen und Lebensentwürfe. Er erschafft skurrile Ausgangssituationen, die sich in noch kuriosere Momente steigern, wenn die Geschichte erst an Fahrt aufgenommen hat – ganz wie Wes Anderson, dessen bisherige Werke wie The Royal Tennenbaums oder Moonrise Kingdom wohl für dieses Pate gestanden haben, deutlich schlägt sich doch, abseits der Personenkonstellationen, einer dysfunktionalen Familie und einem schmissigen Soundtrack, selbst die für Anderson typische Pastell-Farbpalette in den Bildern des niederländischen Regisseurs nieder.
Hat man aber, all dies akzeptiert macht The Deflowering of Eva van End richtig Spaß und erforscht nebenbei noch das Verhältnis der Holländer zu uns Deutschen. Die dysfunktionalen Familienverhältnisse wirken zu Beginn des Films am heimischen Esstisch perfekt eingespielt, ja fast schon harmonisch; die Familie hat sich darin eingelebt. Die Mutter, die sich für ihre Kinder und die Familie aufopfert und durchweg im Stress ist. Der Vater arbeitet ganztags in einer Frikadellenfabrik und scheint nicht mehr richtig mit seiner Frau kommunizieren zu können, sie steht jeder seiner Handlungen anlehnend gegenüber – und das wenige Tage vor ihrer silbernen Hochzeit. Der älteste Sohn Erwin ist gerade dabei, mit seiner hübschen indischen Freundin, die sich nicht an seiner überaus starken Akne stört, in eine Wohnung zu ziehen und ist mit seinen 21 Jahren schon so wahnsinnig erwachsen, dass er sich durch seine Arbeit in einem Baumarkt als „Floor Manager“ all dies leisten kann. Der jüngere Sohn Manuel kifft sich mit seinem thailändischen Kumpel durch sein Leben und fühlt sich von seinen Eltern ungeliebt, obwohl er doch dass dritte Jahr in Folge Champion beim Frikadellen-Wettessen geworden ist. Zudem fragt er sich, warum sein Vorname als einziger in der Familie nicht mit dem Buchstaben E beginnt. Das schlechteste Los scheint aber Eva gezogen zu haben, denn sie beachtet einfach niemand und so kommt es auch, dass niemand zuhört, als sie die Ankunft ihres deutschen Austauschschülers Veit ankündigt. Veit, benannt nach einem Heiligen, kommt der Familie wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt vor und er bleibt auch noch ganze zwei Wochen! In dieser Zeit stellt er die Familie mit seiner altruistischen Art und seiner Weltverbesserungsader auf den Kopf. Er entdeckt die Überlastung der Mutter, nimmt ihr Haushaltsarbeiten ab und führt sie in die hohen Lehren der Meditation ein – auf das sie zu sich selbst finde.
Der Vater überrascht Veit beim skypen mit seinem afrikanischen Patenkind, übernimmt es kurzerhand und arbeitet mit ihm einen Businessplan über 5000 Euro aus, damit der Junge bald auf eigenen Füßen stehen kann. Erwin entdeckt in einer rührenden Annäherungsszene mit Veit, dass er vielleicht doch zu schnell erwachsen geworden ist und vielleicht doch etwas mehr für Jungs empfindet. Und ganz nebenbei vollbringt Veit auch noch den titelgebenden Akt an Eva – allerdings überraschend anders. In den 90 Minuten schlägt man sich durch die Abgründe einer Familie, in der jedes Familienmitglied seinen eigenen Angelegenheiten nachgeht und dabei höchst amüsant porträtiert werden. Das Figurentableau wird von ten Horn mit solcher Sorgfalt aufgebaut, über den Film elaboriert und auf die Spitze getrieben, sodass es gegen Ende eine Freude ist, zuzusehen, wie die Charaktere in einer großen Parallelmontage aufeinander losgelassen werden.
Der Film ist voller Witz und fängt ten Horns Liebe zu seinen unperfekten Familienhelden überaus kurzweilig und trotz des allbekannten filmischen Vorbilds immer noch frisch ein. Hier besticht der Film vor allem mit seiner herrlich verqueren und ausgefeilten Kameraführung.
Vielleicht bekommt der Film ja doch noch einen Verleih in Deutschland – zu wünschen wäre es ihm von ganzem Herzen.