Dass Ryan Gosling mehr ist als nur ein Hollywood Schönling, hatte er bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Aber erst durch die Rolle des namenlosen Fahrers und Protagonisten in Nicolas Winding Refns Kultfilm „Drive“ von 2011 wurde er zu einem wirklich respektierten und gefeierten Darsteller Hollywoods. Nun kommt er mit seinem Debüt als Regisseur und Drehbuchautor in die deutschen Kinos. „Lost River“ feierte letztes Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes seine Premiere und wurde sogleich von den Kritikern auseinander genommen. „Zu ambitioniert“ oder „Zu selbstverliebt“ war oft zu lesen. Aber tut man diesem bildgewaltigen Drama damit nicht unrecht?
Die Geschichte spielt in einem von Wirtschafts- und Immobilienkrise gebeutelten Städtchen Namens Lost River, wo die alleinerziehende Mutter Billy ( Christina Hendricks, bekannt aus Mad Men ) verzweifelt versucht Geld aufzutreiben, um ihr Haus nicht durch ausstehende Hypothekenzahlungen zu verlieren. Dabei lässt sie sich auf ein Angebot des kruden Bankmanagers und nebenberuflichen Nachtclubbesitzers Dave ( Ben Menelsohn ) ein und nimmt einen Job in seinem morbiden Etablissement an und ist dort den düsteren Phantasien der ortsansässigen Männerwelt ausgeliefert. Parallel dazu versucht ihr älterer Sohn Bones ( Iain De Caestecker ) mit dem Verkauf von Kupferleitungen aus den verfallenden Gebäuden des Ortes etwas zum Erhalt des Hauses beizutragen, muss sich dabei aber mit dem brutalen Schläger Bully ( Matt Smith ) und seiner Gang auseinander setzen, die sich selber als Herrscher der Stadt sehen und dabei Bones und das Nachbarmädchen Rat ( Saiorse Ronan ) immer wieder verfolgen und tyrannisieren.
Gosling inszeniert seinen Debütfilm mit sehr starken Bildern und den immer wiederkehrenden Motiven von Feuer, Wasser und Verfall einer längst vergangenen Welt. Dazu passend erklingt ein eindringlicher und zugleich verträumter Soundtrack für den u.a. die amerikanische Synthie-Pop Band „Chromatics“ herangezogen wurde, die durch den Track „Tick of the clock“ bekannt wurden, der auch schon auf dem Soundtrack von Drive zu hören war und mittlerweile sogar schon für einen Commerzbank Werbespot herhalten musste. Aber nicht nur am Soundtrack merkt man deutlich, dass sich Gosling von Winding-Refn inspirieren lies. Es wird z.B. mit starken Farbsättigungen und Beleuchtungseffekten gearbeitet, oder mit kurz eingestreuten, aber dafür sehr intensiven Gewaltdarstellungen wie z.B. wenn Bully seinem Gefolgsmann aufgrund einer nicht erfolgreichen Menschenjagd die Lippen mit einer Schere entfernt.
Rein erzählerisch bietet der Film allerdings seine größten Schwächen. So etwas wie Spannung kommt eigentlich nie auf und die Schauspieler schaffen es nicht glaubhaft die Emotionen zu transportieren. Die Geschichte hat, wie es sich für einen Autorenfilm gehört, starke autobiographische Züge. So ist auch Gosling Sohn einer alleinerziehenden Mutter gewesen, die immer für das Wohl ihrer beiden Kinder kämpfen musste. Gedreht wurde das Ganze in Detroit, einer Stadt die, wie auch das Städtchen Lost River mittlerweile zum Großteil einer dem Verfall preisgegebenen Geisterstadt gleicht. Diese morbide Schönheit wird hier gut eingefangen. Der Film ist daher auch für Leute mit einer Vorliebe für „Lost places“ zu empfehlen. Dieser Verfall zeigt sich aber nicht nur in den Gebäuden, sondern auch in den Sitten der Stadtbewohner. Man befindet sich ( übrigens ähnlich wie im ersten Teil von Mad Max ) erst am Anfang einer Endzeit. Die alten Strukturen haben zwar noch Bestand, aber Moral und Gesetz sind dem Verfall genauso preisgegeben, wie die Gebäude der Stadt. Der Film ist im Prinzip eine Parabel über den Untergang Amerikas. Es ist sozusagen der amerikanische Albtraum in Bildern.
Fazit: Ryan Gosling hat mit seinem Regiedebüt einen bildgewaltigen und künstlerisch dick aufgetragen Abgesang auf den „American Dream“ geschaffen, der es in einer sehr seltsamen, aber doch eindringlichen Stimmung schafft, eine gewisse Sogwirkung zu erzielen. Leider offenbaren die Dialoge und die mäßigen Darsteller eine erzählerische Schwäche, die nach der Uraufführung in Cannes zwar etwas überzogen kritisiert wurde, aber an der er trotzdem arbeiten muss, wenn er sich auf Dauer als Regisseur durchsetzen möchte.