Der Wiener Regisseur Andreas Prochaska hat einige kleinere Kinoproduktion geleitet und war zudem für Fernsehfilme und Serien eingesetzt. „Das finstere Tal“ heißt sein aufwändiges Alpenspektakel, welches dem Western-Genre zugeschlagen wird. Der österreichisch-deutsche Film, nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Willmann gedreht, wurde 2014 mit dem Bayerischen Filmpreis für die beste Regie ausgezeichnet. Tobias Moretti erhielt den Preis als bester Darsteller (gleichzeitig für „Hirngespinster“).
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreicht ein junger US-amerikanischer Fotograf namens Greider (Sam Riley) zu Pferd und mit seinem „Kasten“ ein Alpendorf. Die Gegend wird von dem Bauern Brenner und seinen sechs Söhnen durch Gewalt und Tyrannei beherrscht. Sie begegnen dem Fremden, der deutsch spricht, mit Ablehnung, gewähren ihm jedoch gegen Geld ein Quartier für die Wintermonate bei der Gaderin (Carmen Gratl) und ihrer Tochter Luzi (Paula Beer). Einige Tage später kommen kurz hintereinander zwei der Brenner-Söhne um. Der Verdacht fällt auf Greider. Offensichtlich hat dieser es darauf angelegt. Die verbliebenen Söhne, angeführt von Hans Brenner (Tobias Moretti), wissen, was zu tun ist.
Eine der ersten Szenen erinnert - insbesondere wegen der musikalischen Begleitung - an Tarantino. Greider unchained wiederholt sich erst zur Abrundung beim Showdown und kommt eher nicht satirisch.
Dazwischen ist alles anders. Der Film erzeugt von Beginn an eine atemberaubend düstere Atmosphäre. Die aufwändige Kameraführung ist ruhig und zaubert viele wuchtige Bilder, die mit einer bewundernswerten Gleichmäßigkeit durchfahren werden. Zeitlupensequenzen, die bei Filmen wie „300“ unabdingbar erscheinen, gibt es im finsteren Tal keine und müssen auch nicht sein. Die Musik mit Last auf Cello und diversen Blasinstrumenten bis zum Alphorn verstärken jeden Moment. Wenn die Szenerie Tempo aufnimmt, gehen auch das Aufnahmegerät und die akustische Unterstützung mit. Das ist unheimlich gut abgestimmt. Dazu elektrisieren lakonische Dialoge die zwischen Greider und den Brenner-Brüdern eh schon geladene kalte Luft zu einer Umgebung der Feindseligkeiten.
Prochaska legt zu Beginn Wert auf Realität. Man fragt sich, wo er bzw. der routinierte Caster für Filme im deutschsprachigen Bereich Nessie Nesslauer diese Landgesichter herbekommt. Es ist einfach stark inszeniert. Die raffiniert eingefangene Trostlosigkeit wird ein wenig (und gewollt) mit Neugier und Skepsis um den Fremden verdrängt. Paula Beer ist als Luzi eine unübertriebene Landschönheit mit Ausstrahlung. Das Geschau von Sam Riley passt vortrefflich in die Situationen und ähnelt dem des etwas älteren Michael Shannon. Tobias Moretti gibt dem Opponenten Hans Brenner eine böse und selbstherrliche Persönlichkeit, die seinesgleichen sucht.
Nachdem geklärt ist, wer wem ans Leder will, ist noch viel Zeit, die Story droht dünn zu werden. Doch die Drehbuchautoren haben in diesem Part recht geschickt Handlungen ausgebreitet, zudem die Enthüllung der Geschehnisse, die 20 Jahre zurück liegen. Wie so oft in aktionsgeladenen Filmen schießen nicht nur Greider und die Brenner-Brüder, sondern auch der Filmemacher, und zwar ein wenig über das Ziel hinaus. Die plötzliche Hilfe für Greider in brenzliger Situation z.B. mag nicht logisch, sondern wie ein wunderbarer Zufall erscheinen. Und die Realität hat schon vorher einbüßen müssen, denn allmählich und immer mehr ist die Rache im finsteren Tal zu einem Western-Märchen mit Duell-Bestellung geworden. Diesem Umstand ist es dann zu verdanken, dass die FSK trotz einprägsamer Gewaltdarstellung 12-Jährigen (und 6-Jährigen in Begleitung der Eltern) für diesen Film Einlass gewährt.
„Das finstere Tal“ ist starkes Kino, das noch lange nach dem Abspann aufwühlt und insbesondere dem Zuschauer vollkommen gefallen wird, der sich mit einer Westernheldengeschichte anfreunden kann.