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    The Unforgiven
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Unforgiven
    Von Björn Becher

    Die Verbindung zwischen den Genres Western und Samurai-Film ist sehr eng. So ist „Die glorreichen Sieben“ bekanntermaßen eine Art Remake von Akira Kurosawas Epos „Die sieben Samurai“, wobei sich der japanische Regisseur seinerseits (auch in anderen Arbeiten) stark auf Western-Großmeister John Ford bezog. Clint Eastwoods Durchbruch als Kinoschauspieler, Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“, wiederum ist eine freie Variation von „Yojimbo – Der Leibwächter“ (ebenfalls von Kurosawa). Bei „The Unforgiven“ kehren sich nun die Vorzeichen um. Das Drama ist eine bisweilen detailgetreue Neuverfilmung von Eastwoods Spätwestern-Meisterwerk „Erbarmungslos“. Dabei treibt Regisseur Sang-il Lee („Villain“) die Verbindung noch weiter auf die Spitze. „The Unforgiven“ erinnert mehr an einen Western wie etwa „Leichen pflastern seinen Weg“ als an einen klassischen Chambara von Kurosawa oder Masaki Kobayashi („Samurai Rebellion“). Dabei gelingt dem Regisseur das Kunststück, der Vorlage sehr weitgehend zu folgen und zugleich ganz gezielt eigene Akzente zu setzen. So ist der nur im Mittelteil etwas zu lang geratene „The Unforgiven“ sowohl für Freunde des Westerns als auch für die Anhänger des Samuraifilms sehenswert.

    1868. Die Herrschaft der Shogun ist vorbei, Japan ist wieder ein Kaiserreich. Die der vorherigen Militärregierung weiterhin treu ergebenen Samurai werden nun mit allen Mitteln verfolgt und umgebracht. Der gefürchtete Killer Jubei (Ken Watanabe) kann seine Verfolger indes töten und entkommt. Auf einer Insel beginnt er ein neues Leben. Zwölf Jahre später ist er Farmer und versucht, seine beiden Kinder durchzubringen. Seiner inzwischen verstorbenen Frau hat er versprochen, nie mehr zu töten. Doch dann steht plötzlich sein alter Kampfkamerad Kingo (Akira Emoto) vor ihm. Der abgehalfterte Krieger bittet Jubei um Hilfe: In der nahen Stadt wurde eine Prosituierte (Shiori Kutsuna) von zwei Brüdern misshandelt und verstümmelt, doch Sheriff Ichizo Oishi (Koichi Sato) ließ die Täter laufen. Die übrigen Prostituierten legten daraufhin zusammen und haben ein Kopfgeld auf die Täter ausgesetzt, das Kingo nun kassieren will. Widerwillig schließt sich ihm Jubei an, der selbst dringend Geld braucht, um seine Familie durch den Winter zu bringen. Als wahrer Gegner des ungleichen Duos, das durch das junge Halbblut Goro (Yuya Yagira) wenig später zum Trio wird, entpuppt sich indes bald Gesetzeshüter Ichizo Oishi…

    Schon die kurze Inhaltsangabe zeigt, dass „The Unforgiven“ eng an Eastwoods „Erbarmungslos“ angelehnt ist. Die Story ist fast identisch, selbst die Handlungszeit wurde beibehalten. Beide Filme sind in den 1880er Jahren und in einer ähnlichen Umgebung angesiedelt. Dort werden die Cowboys nach und nach verdrängt, hier sind es die Samurai. Wenn nun auch im japanischen Remake immer wieder Schusswaffen eingesetzt werden, wird die Nähe zum Western noch unterstrichen, obwohl die entscheidenden Todesstöße mit dem Samuraischwert, mit einem Messer oder wie in der eindringlichen Auftaktszene mit einem Ast ausgeführt werden. Mit dieser gibt Sang-il Lee gleich die Richtung vor – inhaltlich und stilistisch. Die Sequenz wird bestimmt von dem Kontrast zwischen brutaler Gewalt und der ätherisch schönen Schneelandschaft, in der die Auseinandersetzung stattfindet. Dieser Gegensatz prägt den ganzen Film, außerdem wird hier bereits angedeutet, dass Jubei, der von Freund und Feind „der Killer“ genannt wird, der Gewalt niemals entkommen kann. Die Spirale dreht sich immer weiter, da ist es nur konsequent, dass „The Unforgiven“ – trotz hoffnungsvoller Details – letztlich ein deutlich pessimistischeres (und nebenbei actionreicheres) Ende hat als das Original, auch wenn vieles nur angedeutet wird.

    Im mittleren Drittel des Films steht die Beziehung der drei so gegensätzlichen Kopfgeldjäger im Mittelpunkt. Dafür nimmt sich Regisseur Lee viel Zeit und es gibt zuweilen etwas Leerlauf, zugleich bekommt das Action-Drama über die Figur des Goro aber auch eine zusätzliche thematische Ebene. Der Angehörige der Ainu ist hier gleichsam der „Indianer“ (den es in „Erbarmungslos“ nicht gibt) und über ihn wird von dem auch heute in Japan noch sehr präsenten Rassismus gegenüber den indigenen Völkern erzählt. Der äußert sich hauptsächlich unterschwellig, aber es gibt hier auch Szenen, in denen Ureinwohner misshandelt werden und so ist es ein bemerkenswerter Umstand, dass trotzdem gerade durch die Außenseiter-Figur Goro ein Hauch von Optimismus in den Film kommt. Ein solches positives Element bleibt in dem weitgehend illusionslosen „The Unforgiven“ aber eine Ausnahme. Vielmehr läuft schon früh alles auf eine fatale Konfrontation zwischen Jubei und dem Sheriff hinaus. Beide sind rücksichtslose Killer und der Gesetzeshüter wird überdies als fieser Sadist eingeführt. Die Rolle ist übrigens deutlich eindimensionaler als die von Gene Hackman (der dafür den Oscar erhielt) gespielte Figur im Original – und auch das ist konsequent, denn Ichizo Oishis lupenreine Boshaftigkeit passt sehr gut zum düsteren Grundton des Films.

    Fazit: „The Unforgiven“ ist ein sehenswerter „Samurai-Western“, der mit deutlich über zwei Stunden Laufzeit zwar etwas zu lang geraten ist, aber mit starken Bildern und einem furiosem Ende überzeugt.

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