Als begeisterter Filmgenießer, hat man natürlich auch die Verpflichtung ab und an mal die Spartensender nach interessanten Beiträgen des Arthouse-Kinos zu durchforsten.
Da ich aber in eben diesen „Artes“ und „ZDF neos“ dieser Welt nichts gefunden habe, hab ich mich auf einen vielversprechenden Film auf dem Pay TV Hauptsender gestürzt.
Zuallererst liest sich das Komplettpaket tatsächlich sehr gut. Ein besonders schwieriges Thema der Kindesentführung, im Allgemeinen gute und auch relativ bekannte Schauspieler und der Film an sich ist auch einigermaßen aktuell . So hat man schnell beschlossen, sich „The Captive“ anzuschauen.
Atom Egoyan, nie gehört…nach Recherche bekannt für avantgardistisches Erzählkino, sieht etwas aus wie ein gealterter John Lennon und wird ebenso wie sein unfreiwillig, freiwilliges Alter-Ego der Pilzköpfe als Intelektueller bezeichnet. Die Spannung auf den Film steigt.
Kurz zum Inhalt: Matthew Lane (Ryan Reynolds) hält nach dem Eiskunstlauftraining seiner Tochter, kurz an einem Café um einen Kuchen zu kaufen. Im verschneiten Kanada befindet sich dieses Café an einer stark frequentierten Hauptstrasse, nachdem der Vater nun allein in das Gebäude geht um den wohlverdienten Nachtisch zu holen, verschwindet in dieser Zeit seine 9 oder 10 jährige Tochter vom Rücksitz….
Inhaltlich muss das zunächst reichen, denn so sehr ich mir auch Mühe gebe, jede weitere inhaltliche Enthüllung würde in gewisser Weise meine Meinung über diesen Film widerspiegeln.
Komme ich zunächst zur Technik, audio-visuell solide, nicht mehr nicht weniger. Die Setbilder kommen über den 70er Jahre „Hart aber Herzlich“-Charme nicht hinaus. Wer die Innenaufnahmen gesehen hat, weiß was ich meine. Die Außenaufnahmen zeigen tristes Weiß…der matschige kanadische Schnee dominiert den Eindruck. Man hätte gerade aus der Abgeschiedenheit und der Weite der Landschaft so schrecklich viel herausholen können, was die Atmosphäre angeht. Insgesamt versprüht die Umwelt von Matthew Lane wenig von allem! Das mit „wenig ausdrucksvoll“ zu beschreiben, wäre geschmeichelt. Es ist komplett Ausdrucklos! Es bedrückt nicht, es versprüht keine Freude….es ist Julianne Moore als Leinwand Landschaft!
Die Kamera hat ein paar schöne Einstellungen drin, auch die „geheimen“ Aufnahmen( so eine Art Überwachungskamera Found Footage) hat man technisch gut gelöst. Auch wenn Sinn und Zweck dieser Einblendungen fragwürdig bleiben.
Audiotechnisch fällt hier weder der Score ins Gewicht noch die tonale Untermalung. Der Score wurde von Mychael Danna (Oscar für Life of Pi) inszeniert. Davon ausgehend, dass „The Captive“ ein Thriller oder Krimi sein sollte, würde ich Herrn Danna raten sich mit Trent Reznor in Verbindung zu setzen, da ist noch viel Luft nach oben.
Der gute Francis aus „Roter Drache“ würde zur Technik vielleicht gerade noch sagen… „Es ist okay…“
Die Schauspieler sind wie vorher schon erwähnt nicht sooooo unbekannt besetzt…Ryan Reynolds fand ich in Buried echt ne Hausnummer, hier erträgt man es kaum Ihn zu sehen. Nicht weil der verzweifelte Vater einem vor Augen führt, wie grauenvoll der Verlust eines Kindes durch Entführung ist, sondern weil man ihm eben das nicht abnimmt. Es ist als ob ein Hundertjähriger einem „Windows 10“ erklären soll oder Stephen Hawkins neue Joggingschuhe vorführt.
Rosario Dawson war bisher noch nicht so auffällig als überragende Charakterdarstellerin und Sie gibt in diesem Film einfach alles um es bei dieser Einschätzung zu lassen.
Der übrige Cast reiht sich da gnadenlos ein. Scott Speedman ist wohl eher aus Underworld bekannt, dass muss nicht zwangsläufig zu einer Vorverurteilung führen, aber den dauerhaft halbnackten Lykaner (eigentlich ein Hybrid) gibt er überzeugender, als den „sorgsamen“ Onkel-Polizisten, der seine Nichte als Köder benutzt.
Alexia Fast als 17 jährige Cassandra müsste eigentlich bei jeder Szene permanent einen Schriftzug als Untertitel haben auf dem zu lesen ist „Ich bin das Entführungsopfer“. Denn das ist einfach nicht erkennbar.
Kevin Durand als schmierigen Entführer …sollte man nicht unbedingt als Lichtblick bezeichnen, aber unter den blinden Glatzköpfen, ist der Blinde mit Perücke wohl der König.
Mireille Enos als Mutter Tina Lane schießt den Vogel ab, eine unglaubwürdigere Darstellung einer psychisch angeschlagenen Mutter habe ich noch nie gesehen. Es grenzt an einer Frechheit, wie unsympathisch die Figur dargestellt wird. Als Beispiel die Szene, als Mama Tina, aus einem nicht näher erklärten Grund, zunächst Ihre Schicht wohl zu Ende arbeitet und dann der Meldung ins Polizeirevier folgt, Ihre Tochter sei verschwunden. Warum muss eine verzweifelte Mutter langsam schlurfend durch den Polizeieingang und den Korridor humpeln. Wurde Sie von einem Zombie gebissen? Haben die Schuhe Bleieinlagen? Ist es ein plötzlicher Gehfehler der erst innerhalb der vielen Zeitsprünge aufgefallen ist…man weiß es nicht.
Und damit wären wir auch bei einem der Grundprobleme dieses Films, es fehlt der Bezug zu den Figuren. Das nur an den Schauspielern festmachen zu wollen, wäre wahrscheinlich zu kurz gegriffen. Das Drehbuch ist wirr mit gruseligen Tom-Gerhardt Dialogen. Die permanenten und nicht-chronologischen Sprünge zwischen den Jahren 2003-2005-2015-2013-2011-2008… gehen einem derart auf den Zeiger, das man irgendwann auf einen Zeitsprung in eine weit entfernte Zukunft hofft in der die Sonne explodiert ist und nur eine karge Schneewüste (also Kanada) gefilmt wird.
Ich glaube mittlerweile an Drachen die in einem Berg wohnen, an Außerirdische vom Planeten Vulkan oder an einen Typen der sich in der kargen Wüste (Kanada?) mit nichts als einer Unterhose und einem Schachbrett einen metallenen Kampfanzug baut (Nicht McGyver…Tony Stark, Ihr Ignoranten) aber von der Geschichte in „The Captive“ glaube ich ab der Szene vor dem Diner NICHTS mehr.
So schlecht und schlicht konstruiert ist jeder Dialog, jede Szene und jede Einstellung. Klischees in allen Formen und Farben haben Priorität. Man sucht selbst zweidimensionale Charaktere vergeblich, es ist keinerlei Tiefe vorhanden.
Wenn der Regisseur mit diesem Film eine Vision hatte, Arthouse Kino oder irgendetwas anderes machen wollte, dann bleibt dies dem Zuschauer verborgen.
FAZIT: Was bleibt bei „The Captive“ übrig?
- Der interessante Vorname des Regisseurs…FIN