Dass Neonazis nicht nur in Deutschland ein Problem sind, ist kein Geheimnis. Welche Ausmaße ein rassistisch motiviertes Hassverbrechen haben kann, zeigt Deon Taylors neuer Film, der von einer wahren Begebenheit erzählt.
Tully (Joe Anderson) hat fünfzehn Jahre im Gefängnis gesessen. Dort hat er sich mit den Mitgliedern und Idealen der "Arischen Bruderschaft" angefreundet, die Amerika von "niederen Menschenrassen" befreien will. Schon an seinem ersten Tag in Freiheit erschießt er scheinbar willkürlich einen schwarzen Polizisten bei einer Verkehrskontrolle. Auf der Flucht vor dem Großaufgebot der Polizei flieht er mit seiner Freundin Doreen (Dawn Olivieri) in das Haus von Walker (Danny Glover), wo sie ihn und seine Familie als Geiseln nehmen. Doch nichts scheint nach Plan zu verlaufen. Jeder der Beteiligten hat seine eigenen Motive und Geheimnisse, welche die angespannte Situation eskalieren zu lassen drohen.
Ein nahezu zeitloses Thema, bei dem die beiden Seiten zunächst klar abgesteckt zu sein scheinen. Auf der einen Seite ein vor nichts zurückschreckender hasserfüllter Racheengel, der eine offenbar völlig unschuldige Familie überwältigt. Auf der anderen Seite verzweifelte Opfer, nackte Panik und die niemals endende Debatte um den Rassismus. Das zumindest suggerieren Trailer und DVD-Cover. Um eins vorwegzunehmen: alle diese Punkte spielen im Film eine Rolle, werden aber trotzdem einfallsreich variiert. Allzu viel Idealismus gibt es weder bei den Tätern, noch bei den Geiseln, zumindest nicht lange.
Bis zuletzt wird ein Geheimnis nach dem anderen offenbart, das die Motive der Beteiligten in jeweils neuem Licht erscheinen lassen. Man möchte Tullys Ideologieversessenheit und seinen Gewaltfanatismus von Herzen verabscheuen, kommt an ihm als gebrochenem und scheinbar wiederauferstandenem Charakter aber nicht vorbei. Ähnlich verhält es sich mit dem von Danny Glover hervorragend gespielten Walker, der mehr mit Tully gemeinsam hat, als es zunächst scheint. Auch Doreen verbirgt mehr, als man ihr anfänglich zutraut, womit sie eines der größten Risiken eingeht. Es hätte so einfach sein können - fanatische Geiselnehmer versus bemitleidenswerte Opfer. Dass es die Regie dem Zuschauer nicht ganz so einfach macht, spricht in jedem Fall für den Film. An keiner Stelle wird das pseudoarische Gedankengut verherrlicht, der ihm verfallene Mensch wird dennoch als Charakter ernst genommen und verkommt nie zur geifernden Karikatur eines ewiggestrigen Spinners.
Visuell wird die beklemmende Zwickmühle, in der sich hier fast jeder befindet, passend dargestellt. Lediglich die Nachtszenen im Haus der Geiseln sind derart schwach beleuchtet, dass nur wenig zu sehen ist. Das unterstreicht die vorherrschende Stimmung, kann aber auch negativ auffallen, besonders wenn man den Film nicht auf einer raumfüllenden Leinwand sieht. Die Handkamera trägt ihr übriges dazu bei. Gelegentlich verliert man dank ihr ein wenig die Orientierung in der Szene, dann folgen aber wieder ruhig gefilmte Sequenzen, die für die Verwirrung entschädigen.
Darüber hinaus darf man nicht erwarten, in diesem Film die definitive Antwort auf das Rassismusproblem schlechthin zu erhalten. Diesem Anspruch wird der Film, der immer seine Figuren in den Vordergrund stellt, nicht gerecht. Muss er auch nicht. Zu sehen, wohin entsprechende Ideen Menschen bringen können, die außerdem noch von ganz anderen Dämonen geplagt werden, ist beängstigend genug. Dank hervorragender Darsteller und der schleichenden Enthüllung entscheidender Details ist es in jedem Fall ein spannender Indie-Thriller, der zeigt, dass Gewalttätigkeit nicht nur durch möglichst viele Blutlachen im Bild dargestellt werden kann und nackter Psychoterror auch ohne übernatürliche Geistererscheinungen möglich ist. Ein harter Film mit einem Ende, an das man mitunter nicht mehr geglaubt hat.
Darsteller: Joe Anderson, Danny Glover, Dawn Olivieri, Evan Ross, Lela Rochon uvm.
Regie: Deon Taylor
Jahr: 2014
Label: Capelight Pictures
Länge: 106 min
FSK: ab 16 Jahren