Mit "Türkisch für Anfänger" stand endlich mal wieder eine vorzeigbare Komödie aus Deutschland in den Startlöchern. Spritziger Humor, witzige Einfälle in einer souveränen Story mit unkonventionellen Wendungen. Regisseur Bora Dagtekin und sein Hauptdarsteller Elyas M'Barek nehmen nun also das deutsche Bildungswesen auf's Korn.
Dabei fällt zunächst auf, dass Dagtekin seinem durchaus auch mal vulgären Stil aus "Türkisch für Anfänger" nicht nur treu bleibt, sondern ein gutes Stück weiter dreht. Das führt zu einer schnellen Spreu-vom-Weizen Trennung des Publikums schon nach den ersten fünf Minuten. Elyas M'Barek hat einen vor allem zu Beginn ansprechenden "Knastdialekt", den er gut auszuschmücken weiß. Glücklichweise hat Dagtekin bei seinen Schauspielern auch ein gutes Händchen für die Jüngeren bewiesen. Dabei stechen vor allem die asoziale Performance von Max von dier Groeben und die Schlampenparodie von Jella Haase heraus. Neben den Schülern sind die Lehrer ebenso gut, sowie augenzwinkernd besetzt. Katja Riemann gibt eine wunderbar exzentrische Schulleitung, die ab und zu auch mal am Klebstoff schnüffelt, um sich zu beruhigen und Ushi Glas, eher Cameo, Auftritt setzt einige ironische Pointen.
Insgesamt hangelt sich Dagtekin hier deutlich an verschiedenen Schulaktivitäten entlang, wie Exkursionen, Theater – AGs und dem Schwimmunterricht, was erstmal auch nicht tragisch ist, weil er immer wieder gut aufgelegte Darsteller in teils witzige, teils bitterböse vulgäre Situationen wirft. Dennoch lässt sich dadurch auch nicht verschleiern, dass außer Zeki Müllers (M'Barek) nächtlichen Versuchen sein Geld zu "erbohren", der Film keine klaren Linien verfolgt. Das gilt ebenso für seine humoristischen Einlagen, die zwar gelungen zwischen Slapstick, Situationskomik und Dialogwitz variieren, aber durchaus auch mal über die Strenge schlagen. Dabei wirken einige Szenen in ihrer Härte derart erzwungen, dass es ernsthafte Lücken gibt, die so nicht gewünscht waren. Andauerndes "Halt die Fresse", "Fotze" usw. erzielen auf die Dauer ihr Potential nicht und sind nur noch erzwungen. Fataler als die komödiantischen Leerstellen ist aber mal wieder die RomCom Strategie a la Schweiger/Schweighöfer (Hollywood lässt/will unbedingt grüßen). Man wird leider zugebombt mit Popsongs, Verschnaufpausen gibt es wenige bis gar keine, man wird das Gefühl nicht los, die Musik wurde dem Film aufgezwungen, um das jugendliche Publikum noch mehr einzubinden und/oder eben auch noch eine CD zum Film zu vervollständigen. Das hätte Dagtekin's Werk garnicht nötig gehabt, denn sein Stil wird langsam deutlich erkennbar und kristalliert sich erfrischend vom deutschen Komödien-Einheitsbrei heraus. Seine Szenen haben erstaunliche Gagdichten und er beweist eine gute Inszenierung für sehr sehenswerte Szenen, wie beispielsweise das Abschlusstheater als Neuinterpretation Shakespeare's "Romeo und Julia".
Fazit: Bora Dagtekin's "Fack Ju Göhte" schlägt in Deutschland offensichtlich ein wie eine Bombe. Das hat sich Dagtekin erfrischend freche Komödie auch verdient, die zwar deutlich über den allgemeinen Kinovulgarismus erhebt und ein, mittlerweile, typisch deutsches RomCom Kalkül aufweist, aber denkwürdige Szenen und eine fast ebenso hohe Gadichte wie der etwas bessere Vorgänger "Türkisch für Anfänger" aufweist.