Das einundzwanzigste Jahrhundert zeichnet sich aus cineastischer Sicht mehr und mehr durch die Wiederentdeckung so gut wie jedes Filmgenres aus. Seit Ridley Scotts "Gladiator" ist der Monumentalfilm wieder möglich, spätestens seit Mel Gibsons "Die Passion Christi" auch der Bibelfilm. Wer wäre da besser geeignet beide Genres in einem bildgewaltigen Werk verschmelzen zu lassen, als Altmeister Scott selbst?
Mit "Exodus" behandeln er und seine Drehbuchautoren die klassische Geschichte von Mose im zeitgenössischen Gewand. Dieser wächst getreu der biblischen Überlieferung zunächst unter Ägyptern auf, kann gut mit dem Pharao und dessen Sohn, bis er schließlich aufgrund dubioser Machenschaften unehrenhaft das Land verlassen muss. Doch er bleibt kein einfacher Schafhirte. Gott erscheint ihm im brennenden Dornbusch und fordert ihn auf, das vom ägyptischen Pharao geknechtete Volk der Ägypter zu befreien und ins gelobte Land Kanaan zu führen.
Während Mose in vielen Bibelfilmen und nicht zuletzt im Alten Testament der Bibel in erster Linie ein Prophet und Anführer seines Volkes ist, interpretiert man ihn hier eindeutig als Soldaten. Gleich zu Beginn des Films zieht er mit seinem Ziehbruder Ramses in die Schlacht gegen die Hethiter, wo er reichlich Geschick und Umsicht beim Kommandieren eines Heeres zeigt. Gott selbst, der ihm übrigens wiederholt in Gestalt eines kleinen Jungen erscheint, sagt, dass er einen Heermeister braucht, um die Hebräer zu befreien. Daher bildet Mose sein Volk später zur taktischen Guerillaeinheit aus, die den Ägyptern mit allerhand Sabotageakten das Leben schwermacht. Ein neuer Ansatz, der dem Film auf jeden Fall reichlich Kampfszenen beschert und keine Langeweile aufkommen lässt. Bevor man sich fragen kann, wie das eigentlich mit der Vorlage zusammenpasst, wird man schon wieder vom nächsten üppig gestalteten Bild überrascht. Die Bildregie von Ridley Scott, der seine Darsteller übrigens so gut wie nie eine Szene proben lässt, war und ist auch hier wieder seine Stärke. Vor allem auf der großen Leinwand können sich die detailreichen und perspektivisch ausgeklügelten 3D-Bilder voll entfalten, aber auch im Heimkino gibt es genug zu sehen. Seien es große Armeen oder die gigantischen Wellen des geteilten Roten Meers - die Schauwerte überzeugen, ohne allzu übertrieben zu wirken. Auch die Darstellung der Plagen und Wunder ist in erster Linie visuell stark anzusehen. Es gibt den einen oder anderen Erklärungsversuch für die übernatürlichen Phänomene (riesige Flusskrokodile fressen Menschen und sich selbst, wodurch das Wasser zu Blut wird; das Meer wird durch Sturm und Strömung geteilt), aber Gott wird nicht vollständig ausgeklammert und greift immer wieder direkt und durch Mose ins Geschehen ein. Christian Bale spielt den Titelhelden mit ordentlich Tiefgang, auch wenn er sich eigenen Aussagen zufolge nie mit ihm oder der damaligen Zeit identifizieren konnte. Sein Mose zweifelt glaubwürdig an Gottes oft grausam anmutendem Willen und seiner Bestimmung als Anführer des Volkes Israel und der Vollbart steht im einfach prächtig. Joel Edgerton gibt einen überzeugenden egozentrischen jungen Pharao, der zu lebensgefährlich hitzköpfigen Anfällen neigt, aber leider etwas einseitig gezeichnet ist. Die Nebenrollen sind mit Sigourney Weaver, John Turturro, Aaron Paul und vielen anderen größtenteils hochkarätig besetzt, allerdings können die Darsteller ihr Potential nicht immer entfalten. Ben Kingsley, der selbst einst in "Die Bibel - Mose" die Hauptrolle spielen durfte, ist als Nun, einer der Ältesten zu sehen.
An mehreren Stellen kommt es Kennern der Geschichte und anderer Mose-Filme allerdings so vor, es fehle das eine oder andere. Getreu dem Titel des Films dreht sich die Handlung vor allem um den Auszug der Israeliten aus Ägypten, nicht um deren vierzigjährige Wüstenwanderung. Leider wird dadurch das für das Verhältnis des Volkes zu Gott so wichtige Kapitel der zehn Gebote in einer allzu knappen Endszene eben schnell noch abgehandelt. Außerdem überzeugt Mose seine Leute fast ausschließlich durch Überredungskunst und Waffentraining von seinen beziehungsweise Gottes Plänen. Keine Spur von einem Stab, der sich in eine Schlange verwandelt, Mose hat ohnehin häufiger ein Schwert in der Hand als alles andere. Dem Regisseur zufolge war die erste Schnittfassung des Films etwa vier Stunden lang, die vorliegende Kinofassung beläuft sich auf immerhin knapp zweieinhalb Stunden. Es besteht also noch die Hoffnung, dass ähnlich wie bei Scotts "Königreich der Himmel", der auch erst durch seinen mehr als dreistündigen Director's Cut eine angemessene Größe bekam, noch eine anständige Langfassung veröffentlicht wird.
Die Filmmusik ist handwerklich-effektiv, enttäuscht aber durch das Fehlen jeglicher Erkennungsmelodien jenseits orientalisch angehauchter Dudelei und dem einen oder anderen rumpelnden Tusch. Schnitt, Effekte und Ausstattung bewegen sich auf höchstem Niveau, wie man es gewohnt ist. Manche der Rüstungen und Schwerter sehen für die späte Bronzezeit bzw. frühe Antike etwas zu modern aus, in der Logik des Films macht deren plastische Darstellung jedoch genug Sinn um nicht nur negativ aufzufallen.
Alles in allem also ein Film, der Fans von Historien- und Bibelepen gleichermaßen gefallen kann, wenn man Moses neue kämpferische Seite akzeptiert. Es wird weniger mit Fantasyelementen herumgespielt wie in Darren Aronofsky "Noah" und mehr Wert auf eine glaubwürdige Darstellung der jeweiligen Umstände gelegt, die für Mose und die Israeliten bei weitem nicht immer einfach sind. Ein moderner und dennoch klassischer Bibelfilm also, der sich passend ins moderne Kino einzufügen weiß.