Nach seinen letzten Werken festigt sich auf Seiten von Presse, Kritik und Publikum mehr und mehr die Vermutung, Ridley Scotts große Tage seien vorüber. Und der Druck, der damit auf den Schultern des Regisseurs liegt, scheint sich buchstäblich anhand seiner letzten zwei Filme begründen zu lassen: Mit Prometheus versuchte Scott auf sicheren Pfaden seines ersten Riesenerfolgs Alien zu wandeln - und scheiterte. Mit EXODUS versucht er nun, einen zeitgemäßen Monumentalfilm zu inszenieren, der eine emotionale Geschichte mit einem historisch-objektiven Blick hinter beide Parteien verbinden soll. Mit Gladiator und Königreich der Himmel stehen auch hier, zumindest bei erstgenanntem, Filme Pate, in denen er diese Qualitäten zeigen konnte. Dennoch erbt EXODUS die Stärken und mindestens alle Schwächen von Prometheus; trotz gutem Cast und hervorragenden Bildern bleibt der Film Mittelmaß.
Die Handlung ist schnell erzählt und dürfte allgemein bekannt sein. Moses (Christian Bale) und Ramses (Joel Edgerton) wachsen im Palast des Pharao trotz unterschiedlicher Herkunft gemeinsam wie Brüder auf. Als Moses das Leben des Thronfolgers auf dem Schlachtfeld rettet, sieht Ramses in ihm einen durch ägyptische Prophezeihungen bestätigten Rivalen und verstößt ihn. Im Exil erscheint Gott dem Verbannten in einer Vision und ernennt ihn zum Anführer der seit Jahrhunderten durch die Ägypter versklavten Israeliten, die er nun befreihen und in ihr gelobtes Land führen soll. Der Grausamkeit Ramses' stellt sich der Zorn Gottes entgegen; die Opfer türmen sich auf beiden Seiten und Moses droht, an seiner neu gewonnenen Verantwortung zu zerbrechen.
Auf dem Papier sieht der biblische Stoff tatsächlich nach einer emotional aufgeladenen Bruderzwist-Story in gigantischen Dimensionen aus. Nach der Monumentalfilm-Ära verebbten nennenswerte Beiträge im Setting der Epoche und es scheint genug Zeit vergangen, um einen Schritt in die Fußstapfen der alten Meisterwerke zu wagen und aus den Mitteln moderner Technik zu schöpfen.
Seine Existenzberechtigung verspielt der Film jedoch schon spürbar in den ersten Minuten aufgrund des äußerst schwachen Drehbuchs, welches sich als die größte Schwäche herausstellt. Die Charaktere bleiben profillos und blass und bedienen sich in hölzernen Dialogen eines viel zu modernen Sprachfundus', der die historische Atmosphäre immer wieder untergräbt.
Bale und Edgerton tun ihr Bestes, trotz dessen glaubwürdige Charaktere zu formen, was zumindest Edgerton in manchen Szenen gelingt. Bale hingegen bleibt weit hinter seinen Erwartungen zurück und lässt den Zuschauer den kompletten Film über kalt. Dies ist vor Allem dem Umstand zu verschulden, dass Scott versucht, jedes nennenswerte Ereignis der Bibelvorlage in die begrenzte Laufzeit zu packen und mit großen Zeitsprüngen arbeitet, die eine sichtbare Charakterentwicklung erschweren und besonders das Ende komplett ruinieren. Eine Vater-Sohn-Beziehung, Moses' Liebe zu seiner Frau, das Leid der Israeliten, ein Bisschen oberflächliche Politik - alles muss irgendwie hinein und nichts davon wirkt überzeugend. Besonders tragisch ist das deshalb, da so die Motivation des Protagonisten zwar begründbar, aber nie spürbar wird.
Die Leistungen der Nebendarsteller sind nicht nennenswert, Ben Kingsley und Aaron Paul dürfen allenfalls ab und zu ihr Gesicht zeigen.
Ebenfalls misslungen ist die Darstellung Gottes. Dieser wird in EXODUS durch einen kleinen Jungen verkörpert - wieso auch immer. Seine Ausstrahlung ist durch verzerrte Stimme und seinem plötzlichen Auftauchen in Tagträumen eher verstörend und fügt sich weder in den Film als Ganzes, noch in die Dialogszenen ein. Ein unpassender Ansatz, der leider zusätzlich durch einen wenig überzeugenden Kinderdarsteller und die grottigen Dialoge untermalt wird. Es ist eine interessante Interpretation, einen zornigen und gnadenlosen Gott auftreten zu lassen, hier wurde allerdings die Chance auf existenziellere und moralisch ausgefeiltere Gespräche vertan - schade.
EXODUS mag also abschließend betrachtet kein gut geschriebener Film sein, ein gut aussehender, opulenter Film ist er dennoch.
Ausstattung und Kostüme stechen Scott-typisch positiv hervor, auch wenn EXODUS unter seinen Historienfilmen vielleicht am wenigsten Wert auf die kleinen Details abseits des Geschehens legt. So sehen wir imposante Architektur, wundervolle Rüstungen und Waffen, aber nie wirklich mehr als das.
Es wird geradezu exzessiv mit atemberaubenden Panorama-Einstellungen gearbeitet, die das Geschehen zu jeder Zeit in wahrlich monumentale Dimensionen einbetten. Da man den Schauplätzen ihre digitale Nachbearbeitung nie ansieht, bietet der raue Look eine willkommene Alternative zu den über-digitalisierten Hochglanz-Bildern der Hobbit-Trilogie und gefällt zu jeder Zeit. Dieser Hang zu totalen Einstellungen erweist sich jedoch gerade in der ersten Schlachtsequenz als zweischneidiges Schwert. Der Film holt uns immer wieder ganz weit weg vom Geschehen und nimmt dem brutalen und schnellen Spektakel einen Großteil der nötigen Dynamik.
Weiteres Lob gilt dem Soundtrack, der es sogar schafft, den Film teilweise allein auf der Audio-Ebene zu tragen und die Bilder mit Stücken zelebriert, die mir persönlich im Ohr blieben. Während nuanciertere Passagen eher schwächeln, trumpft der orchestrale Score mit akzentuiertem Männerchor umso mehr während den Schlachten und der Action. Definitiv ein Erlebnis.
Zweifellos am stärksten ist EXODUS während der Darstellung der biblischen Plagen und der finalen Teilung des Meeres. Hier bekommt der Zuschauer tatsächlich großes Kino geboten und wird mit Bildern verwöhnt, die es so, oder auch nur ähnlich, nie zu sehen gab. Über den Versuch, die Ereignisse wissenschaftlich zu begründen, kann man sich streiten, der realistische Anstrich fügt sich jedoch überzeugend in den bemühten Willen zur "historical correctness" ein. Und wenn der Film dann am Ende sein letztes Ass ausspielt, Moses und Ramses sich inmitten einer heranbrausenden gigantischen Flutwelle in ihren Streitwagen entgegen preschen, der Sound einen in den Kinosessel drückt und das 3D seinen Job endlich einmal richtig macht, dann spürt man, dass Ridley Scott es in dieser, aber eben nur dieser Disziplin immer noch drauf hat.
FAZIT
Wie sehr habe ich mir gewünscht, dass Scott mit einem modernen Monumentalfilm wieder zurück zu alter Größe findet. Hinterlassen hat EXODUS letztendlich nur einen zwiespältigen Eindruck. Bildgewaltige Optik, opulente Ausstattung, exzellente Effekte und ein gelungener Soundtrack können leider einmal mehr nicht über ein misslungenes Drehbuch, einen "nur" soliden Christian Bale und falsche Entscheidungen in zu wichtigen Punkten hinweg täuschen. Sind ein paar Minuten Panorama, biblische Plagen und Meeresteilung das Kinogeld wert? Vermutlich nicht. Genossen habe ich sie trotzdem.