Clint Eastwood hat sich zu einem großen Regisseur hochgearbeitet. Mit seinem erprobten Stammpersonal, insbesondere Kameramann Tom Stern und die Cutter Joel Cox und Gary Roach, hat er aus der Geschichte des US-amerikanischen Kriegshelden Chris Kyle, der bis 2009 als Scharfschütze eingesetzt war, einen Film geschaffen. An der Vorlage hat der 2013 in den Staaten von einem Kriegsveteran erschossene Kyle mitgeschrieben. „American Sniper“ beschreibt die Jugend, die Ausbildung bei den Navy SEALs, Einsätze des Chris Kyle im Irakkrieg, das Leben mit seiner Familie, dem Bruder und die Nebenwirkungen des Krieges. Auch sein Engagement nach dem Krieg kommt zur Betrachtung.
Chris Kyle (Bradley Cooper) wird als ideologische Figur dargestellt. Er möchte für sein Vaterland kämpfen. Ich gebe nicht auf. Diese Einstellung muss ein zukünftiger SEAL mitbringen, sonst scheitert er. Der Film ist beinahe perfekt zusammengebaut. Kyle lernt das Schießen vom Vater, jobt als Cowboy und lernt seine zukünftige Ehefrau Taya (Sienna Miller) mit coolen Sprüchen kennen. Der Ausbildungsabschnitt ist zu knapp, zu hastig gehalten, wirkt unpersönlich, zu viele Sonnenbrillen. Kubrick’s „Full Metal Jacket“ ist hier unübertreffbar. Die Abbildung des Kriegsgeschehens geht nahe, viele Tote, viel Blut, schonungslos, menschenverachtend. Der Feind hat auch einen Sniper. Fehlentscheidungen, Hausdurchsuchungen, Häuserkampf, Kyle mittendrin, nicht immer auf dem Dach mit Zielfernrohr, das sogar auf 2.000 m beim Treffen hilft. …so so, hm. Zudem alles ohne friendly fire, auch bei schlechter Sicht.
Eastwood hat trotz kleiner Mäckelchen ein exzellent ausbalanciertes Werk abgeliefert, das sich intensiv mit der Familie Kyle auseinandersetzt. Zwischen den Einsätzen ist der Sniper in den USA bei seiner zweifelnden Frau und den Kindern, die geboren werden und heranwachsen, während er allmählich zur Legende mit 160 tödlichen Schüssen wird. Der Heimaturlaub bringt die nötige Ruhe, die der Film und die Zuschauer brauchen, ist aber alles andere als stressfrei für Kyle, der seiner Frau immer fremder wird. Nationalbewusstsein schreibt der Regisseur nicht zu groß. Kyle wird als psychisch angeschlagener Mensch gezeigt, der jedoch willensstark ist. Das ist nicht die Regel, aber er ist nicht wie die meisten anderen. Eine meisterliche Kameraführung und ein Schnitt, der nicht besser sein könnte, hält den Film ständig im Fluss, ständig auf Spannung, bringt das Geschehen intensiv in die Reihen vor die Leinwand, mit verschreckender Geräuschkulisse. Ja, „American Sniper“ macht auch aggressiv.
Bradley Cooper zeigt wieder mal sein Können. Wie ein Schrank sieht er aus, steht jedoch als Chris Kyle nicht künstlich cool vor der Linse wie die SEALs bei der Inszenierung von „Captain Phillips“. Und der vielseitige Schauspieler macht es mit seinem Mienenspiel möglich, dass ihm Tom Stern mit seinem Aufnahmegerät ganz nahe kommt und weitere Spitzenbilder liefert.
Zum Abspann hält Eastwood Originalaufnahmen für notwendig. Die US-Amerikaner halten viel auf ihr Land, die Macht und ihre Helden. Zumindest jene, die mit Fahnen am Straßenrand stehen. Das soll dann auch gezeigt werden. Einfach so, wie es 2013 war. Ohne Patriotismus zu schüren.
„American Sniper“ ist ein mitreißender, außerordentlich gut inszenierter Film.