Seit einigen Jahren dürfen sich Western wieder auf der großen Leinwand sehen lassen. Nachdem das Genre ab den späten siebziger Jahren wiederholt für tot erklärt wurde (obwohl es seitdem in jedem Jahrzehnt neue nennenswerte Beiträge gab), holten es spätestens die Coen-Brüder mit ihrem äußerst gelungenen "True Grit" wieder aus der Versenkung. Wenig später traute sich sogar Quentin Tarantino endlich, seinen schon lange geplanten Western "Django Unchained" zu drehen. Und es scheint kein Ende in Sicht.
In Gavin O'Connors neuem Film dreht sich alles um eine Revolverheldin wider Willen - gespielt von einer ziemlich taffen Natalie Portman. Ihr Ehemann Bill (Noah Emmerich) wurde von Gangstern angeschossen, die noch eine Rechnung mit ihm offen haben. Er konnte sich gerade noch zu ihr nach Hause retten, doch die Banditen haben seine Fährte gewittert. Da er bei der Verteidigung des gemeinsamen Haushalts allerdings keine große Hilfe ist, wendet sich Jane an ihren Nachbarn Dan Frost (Joel Edgerton). Doch der ist alles andere als gut auf Jane und ihren Mann zu sprechen, denn die beiden verband einst deutlich mehr als bloße Nachbarschaft.
Ein Film, der beinahe genauso viel durchgemacht hat wie seine Hauptfigur. Jahrelang auf der Liste der besten unverfilmten Drehbücher, dann endlich der Arthouse-Regisseurin Lynne Ramsey anvertraut und mit Natalie Portman prominent besetzt. Dann warf die Filmemacherin am ersten Drehtag das Handtuch und mit ihr mehrere der männlichen Schauspieler. Später fand sich doch noch ein neuer Regisseur und viele Rollen wurden nochmals umbesetzt, da verschiedene Darsteller (u.a. Michael Fassbender, Bradley Cooper und Jude Law) entweder nicht mehr verfügbar waren oder unter diesen Bedingungen nicht mehr mitspielen wollten. Das Endergebnis liegt nun, gut zwei Jahre nach den Dreharbeiten, endlich vor.
Die Handlung ist übersichtlich, das Ensemble ebenfalls. Natalie Portman, der dieser Film als Mitproduzentin besonders am Herzen liegen dürfte, passt so gut in den Wilden Westen wie nur möglich, ohne dabei allzu übertrieben nach Kampfamazone auszusehen. Mancher Kritiker wollte hier schon einen feministisch angehauchten Film sehen. Weit gefehlt. Diese Frau kämpft nicht nur um ihr Überleben weil es ihr Spaß macht oder, um den Herren der Schöpfung endlich mal zu zeigen, was eine Harke ist. Portmans Darstellung und auch die von Joel Edgerton als vom Schicksal gebeutelter Fellhändler Dan überzeugen insgesamt am meisten. Vor allem in ihren gemeinsamen Szenen erkennt man, wie stark es unter der Oberfläche brodelt. Ewan McGregors Bösewicht John Bishop ist eine schön fiese Figur, wird aber als klassischer Western-Antagonist eher einseitig gezeichnet. Der ebenfalls klassische Showdown ist spannend und enthält ein paar ziemlich kreative Verteidigungstaktiken, die auch vor Einweckgläsern nicht halt machen. Dazu immer wieder schöne Landschaftsaufnahmen und ein angenehm dreckiger Look, der weit von der Glorifizierung früher John-Wayne-Werke entfernt ist. Die Filmmusik zitiert gelegentlich, wie könnte es anders sein, Morricone.
Große Überraschungen hält der Film trotzdem eher nicht bereit. Trotz der guten Leistungen der Hauptdarsteller ist Jane Got A Gun eher ein normaler Western für Zwischendurch, der mit Sicherheit nicht zum modernen Klassiker mutieren wird. Die guten Ansätze sind noch erkennbar, werden aber nicht mutig genug umgesetzt. Vielleicht liegt es an dem spontanen Regiewechsel, ein Schicksal, das kürzlich erst dem Comicblockbuster "Ant-Man" beschert war und zu einem ähnlichen Ergebnis geführt hat: viele gute Ideen, reichlich fähige Darsteller, aber am Ende bleibt eher das Gefühl, zwar ganz anständig unterhalten zu werden, aber eher weniger ein eigenständiges Filmkunstwerk genossen zu haben. Insgesamt ein wenigstens solider Film, der Genrefans nicht gerade überrascht, aber mit Sicherheit auch nicht verärgert.