"Die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht los." Dachte sich wohl "Skyfall" - Regisseur Sam Mendes, der ohnehin nicht mehr so richtig wollte, dann aber doch und nun in einem großen Rundumschlag die komplette Craig – Ära in ein... nun nennen wir es dank Craig's Vorschlag zum unsubtilen Bond – Suizid (Stichwort: Pulsader) .. Finale verfrachtet, samt Enemy No. 1, "Spectre". Dabei lässt der Brite weder die Finger von seinen Vorgängern noch von mindenstens der Hälfte der Filme dieses langlebigen Franchise. Herauskommt lustiges, launisches und oftmals nett unterhaltenes Zitateraten in zu Beginn klassisch, fast schon überpompösen Gerüst des 007-Flair, das sich in ziehenden Sequenzen auf sein verpuffendes Finale hinbewegt.
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Nach einem erneuten Kickstart in "Skyfall" kriegt es James Bond nach Auffrischung der MI6 – Posten M,Q und Moneypenny nun mit der zwielichtigen Organisation "Spectre" zu tun, deren mysteriöses Oberhaupt Oberhauser, die Schritte des MI6 und vor allem Bonds immer im Vorraus zu kennen scheint.
Spectre genoss unter Sean Connery bereits große Beliebtheit mit seinen skurrilen Schergen und seinem scheinbar lange gesichtlosen Oberhaupt Ernst Stavro Bloefeld. Dass Spectre dabei stets im Hintergrund agierte, war den Zuschauern ca. 5 Filme vor dem großen Aufeinandertreffen trotzdem klar, Mendes hat diese Chance nun nicht. Die Frage ist also, wie löst sich das Dilemma, offensichtlich voneinander agierende Schurken der letzten Teile in ein gemeinsames Projekt fließen zu lassen, ohne den Eindruck gedankenloser Beliebigkeit zu erwecken.
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Barrel – Intro. Aufblende. "Tag der Toten", Mexico. Mit einer der besten Einstiegssequenzen überhaupt, beginnt "Spectre" wahrlich spektakulär. In einem One Shot bleibt Kammeramann Hoytema, der Großmeister Roger Deakins würdig ersetzt, ganz nah dran an Bond und saugt trotzdem Bild und Festivitäten im Hintergrund auf. Hinzu kommt eine grandiose musikalische Untermalung, angepasst an die Traditionen Mexicos und Bond-Theme – Einflüssen. Auch die anschließende Helikopter-Szene fängt noch einmal die unglaubliche Intensität von Craig's Nahkampfmomenten ein, während vor allem die Kameraeinstellungen wie angegossen sitzen.
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Nach (unkommentierten) Eröffnungsong und schön klassisch – verkitschter Bildkomposition der Credits, versucht Craig's Bond mittels der Drehbuchfetzen, die er hingeworfen bekommt, der geheimen Organisation auf den Grund zu gehen. Ohne ein Bond – Klischee auszulassen, Suspendierungen, Q-Frotzeleien und dem eigentlich schon unter Timothy Dalton parodierten (!)Schleudersitz. Alles schön traditionell. Das mag denjenigen, die unter Craig eine neue Marschrichtung gesehen haben, einem Tritt in die Eier gleichen, ist trotzdem schamvoll unterhaltsam oder wie Peter Bradshaw vom "Guardian" titulierte, dass er sich "fast schuldig fühle, den Film so genossen zu haben." Dass dieses reminiszente Abarbeiten an Absurditäten überhaupt klappt, liegt auch zum großen Anteil an Craig, der seinen persönlichen Stil des Humors mit den Augenbrauen – Schenkelklopfer der Moore – Bonds gekonnt kreuzt, was auch beim Ausfüllen eines psychologischen Gutachten zu gefallen weiß. "Wie viel Alkohol trinken Sie?" - "Zu viel."
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Nichtsdestotrotz fühlt sich "Spectre" bis zum Ausfall seiner ikonischen Antagonisten – Wuchtbrumme a la "Beißer", Mr. Hinx (Dave Bautista), immer ziemlich richtig an. In Rom gelingt dank wie erwähnt starker audiovisueller Komposition ein glamoröser Höhepunkt, der sogar dem erneut metaphorisch-unheilsverkündenem Drehbuch entgegenkommt. Der Ansatz vom geplant alleinigen Autor John Logan, diesmal von Purvis und Wade "lediglich" überarbeitet, formulierte ja bereits in "Skyfall" seuselnd diese Schattenanalogien zurück, diesmal gelingt ihm ein fast operettenartiger Dialogaustausch mit tragisch-idiotischen Zügen samt hoffentlich letzten Überbleibsel des "dark and gritty" – Pathoskinos der Neuzeit. Aber das passt nicht mehr, sobald Bond den Inszenierungsraum Rom verlässt und in manchmal unglücklichen Mono/Dialogen stets ein Wort zuviel und eine Tat zu wenig für sich sprechen lässt. Es erinnert wenig an den stoisch ruhigen, aber umso effektiver arbeitenden Craig vergangener Tag der jetzt beim Enträtseln, wenn er allein in einem Raum steht und vor sich hermurmelt "hier muss mehr sein", eine in allen Belangen tragische Figur hinterlässt.
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Obwohl Craig sich nach Kräften müht, nonchalant gibt und seinen zitatelastigen sowie persönlich eigenartigen Humor im Interesse des Zuschauers variabel versprüht. Aber in den wenigen pulsierenden Momenten, die Bond als "Tier ohne Gewissen" wie in "Casino Royale" freisetzen, gönnt man ihm keine Intensität. Ein Flugzeug als wirkungsvolles Gimmick, eine Verfolgungjagd durch Rom, die nett aussieht (klaro, tolle Karren), aber ungefähr so atemberaubend ist wie eine Partie Mikado und eine "Ich-renn-durch-ein-leeres-kaputtes-Haus-und-suche-eine-Bombe" – Sequenz, die meinetwegen in einen atmospärischen, wenn auch langatmigen Horror-Thriller passt, aber als Finalsequenz eine Beleidigung für die Marke "Bond" ist und Bond Craig ein Stück weit die Identität nimmt. Lediglich die "Liebesgrüße nach Moskau" – Zugsequenz mit Wrester Bautista versprüht nochmal die Urgewalt, die den Film aus seiner Trance holt.
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Weitere Darsteller um Bond versammelt Mendes um seinen bürokratischen Sideplot: Totale Überwachung. Ein Kniff, der bereits aus "Skyfall" ähnlich bekannt ist und es lässt erkennen, dass Mendes Aussage, er habe in "Skyfall" all seine Ideen für einen Bond-Film untergebracht, nicht unbedingt einer Lüge entsprach. Trotzdem ringen ein sehr passender erster Auftritt von Fiennes als M, Wishaws stets amüsante Zerfahrenheit als Q und Neuzugang Andrew Scott als rätselhafter C dem Film ein paar gelungene Momente ab. Bitter wird es, als die eigentlich ja überaus begabte Lea Seydoux als Madeleine Swan mit von der Partie ist. In wirren und langanhaltenden Einstellungen, die Mendes mit Romantik verwechselt, versucht etwas Inniges zwischen Bond und Swan zu entstehen, dass durch Schneisen aus seiner Vergangenheit (mit Bildmaterial diesmal und so verdammt überdeutlich und oft, dass auch beim letzten der Groschen fällt) beschossen wird. Als dann diese stets unglücklich wirkende Romanze in den Krater des Bösen (ein Vulkan lässt grüßen) samt Oberhauser (Christoph Waltz) einfällt, wird's komplett hanebüchen in der Figurenkonstellation.
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Sam Mendes' Stil leidet von Minute zu Minute mehr an Konzentrationsschwächen, ähnlich einem Kind, das vor der entscheidenen Klassenarbeit zuviel Fernsehen gesehen hat. Er lässt mögliches emotionales Ballast unter Swan und Bond in die Unbedeutenheit schleifen, garniert mit Wendungen ohne echten Einfluss auf die Handlung oder das Empfinden des Zuschauers. Und es kann nicht sein, dass man als Zuschauer, nach einem Fluchtversuch aus einer zugegeben ganz pointierten Foltersequenz, nur am Ball bleiben will, weil Bond auf die Explosion einer Anlage mit den Worten "Das war noch nicht das Ende!" kontert, so lieblos und vor allem kurz ist diese Actionsequenz. Wo sind den diese atemlosen Verfolgungen der Feinde, unendlich wirkende Hetzjagden, die jeder James Bond – Film von Boot bis Abfahrtski blind durchdeklinieren konnte? Hier: Atemberaubung auf Sparflamme.
"Skyfall" hat gezeigt, wie klassischer Stil mit emotionaler Wucht einhergehen kann, "Quantum" war pulsierend, überdreht, hatte aber Eier in der Buchse und "Casino Royale" war einfach in allen Belangen überlegen, auch, ja, bei seinem Bond – Girl, da kann die 30-jährie Französin in den Medien noch so sehr von Ebenbürtigkeit schwafeln. Bei "Spectre", so bitter das nach einem in weiten Teilen sogar gelungenen Film extrahierbar ist, überkommt einen eher das Gefühl, dass es mal wieder schön wäre, die alten "Bonds" zu sehen, aus denen viele Sequenzen stammen. Bei deren Betrachtung man dann erkennt, wie wenig Nährwerte "Spectre" vor allem im Laufe der Zeit noch bleiben werden.
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Fazit: Das Problem ist nicht der neue, alte Charme oder das Mendes sich seinen Charakter nur weiter aneignet, um eine Ikone zu entmystifizieren. Interpretationsspielraum. Weiter als in "Skyfall" sind nicht nur Wohnung, sondern auch familiäres Umfeld Bestandteil. Das ist im schlimmsten Fall nur ein verdrehter Ansatz und lediglich hartgesottene Bond-Puristen dürften das als langanhaltenden Arschtritt werten. Was allerdings im Argen liegt, ist, dass sein nun neugeknüpfter Ansatz der steten Weiterentwicklung von Bond's Charakter, den Craig's Filmquartett dank des Zusammengehörigkeitsbedürfnisses Mendes' formuliert, um sich selbst rotiert. Craig wandelt, ja irrt beinah in meister Zeit durch ein Potpourri seiner Vorgänger und mittlerweile auch sich selbst. Und da sind sie dann auch wieder, ob man sie will oder nicht: diese verdammten Schatten.