Die letzte Reise eines Komponisten - ein Juwel der Filmgeschichte
Imaginaerum nimmt den Zuschauer mit in die Gedankenwelt des alternden von Demenz und Depression befallenen Komponisten Thomas Whitman, dessen Bestimmung es ist, die Dämonen in seinem Inneren durch das Schreiben von Songs zu besiegen. Der Film arbeitet viel mit Metaphern, wie beispielsweise die nicht mehr reparierende Achterbahn, die seine Demenz und des langsamen Verfalle seines Gehirns repräsentieren. Thomas Whitman liegt im greisen Alter der fortschreitenden Demenz im Koma und begegnet dort dem Schneemann – dem Depressionsdämonen wieder, der ihn nach dem Selbstmord des alkoholverfallenen Vaters seit seiner Kindheit verfolgte. Der Wunsch nach dem Gang in den Zirkus wurde dem Kind Thomas Whitman niemals vom Vater erfüllt und so ging er eines Tages, getrieben vom Schneemann, allein in den Zirkus und erlebte ihn auf Grund seines zarten Knabenalters und der bereits in ihm lauernden depressiven Finsternis als verzerrte, verstörte Szenerie eines Zirkuses und er floh voller Angst vor dem vermutlich harmlosen Szenario. Der junge Tom wuchs zu einem Mann heran, aber die Vergangenheit ließ ihn nicht mehr los und so fand er nur Trost im Komponieren, in der Welt seiner Verse und Noten, in der er das Trauma seiner Kindheit verarbeiten konnte. Selbst geliebte Menschen, wie seine Tochter Juwl, verstanden das Martyrium seiner Seele nicht, dem er mit den Versen beizukommen versuchte und so begegnet sie ihm verächtlich mit den Worten: ,, Er schreibt über sich selbst “, als sie und Ann – die Sängerin der Band, den Tresor öffnen – weil er sich in seinem Leben sowieso nur um sich selbst kümmerte (Gedicht über mich selbst – Song of myself) und ihre Leben ihm völlig gleichgültig schienen. Erst als Juwl das zerfallene Gedankengerüst in seinem Kopf aufsucht – metaphorisch gesprochen; repräsentiert durch den Mechaniker, der die Achterbahn versucht zu reparieren – erkennt Juwl einen Teil des Leids und der nicht zu entkommenden Dunkelheit, die auch sie in sich trägt und vor dessen Auswirkungen er sie durch seine abweisende Art schützen wollte. Nur Ann, die auch dort erscheint, begreift, was das zu bedeuten hat, denn sie erkannte durch ihr ständiges Zusammensein mit Tom, was ihm in seinem Leben wichtig war – seine über Alles geliebte Familie. Trotz ihrer abweisenden Art war Juwl – seine Prinzessin – seine Arabesque – auch eine Quelle der Inspiration für ihn, denn sie stand beim Komponieren auf seinem Flügel und er versuchte sich auf diese Weise ein Stück Nähe seiner > kühlen seiner letzten Fahrt – Last ride of the day < der Achterbahn des Lebens – endlich die Depression besiegen und in Ruhe, nachdem er sein Lebenswerk durch die Benutzung des eigenen Blutes als Tinte, vollenden konnte, starb. Kurz vor seinem Tod erkannte Juwl, wie viel ihrem Vater das Schreiben bedeutete und sie las die Puzzelteile seiner Kompositionen, um auf diese Weise vielleicht etwas von Toms Leben einfangen und verstehen zu können, dessen sie so gar nicht teilhaftig war. Sie fragte anfangs im Krankenhaus nur kühl, wo sie denn unterschreiben müsse, ohne sich um den Mann wirklich zu kümmern, der dort im Koma lag. Erst als sie das Puzzle seiner Kompositionen entdeckte und es zusammensetzte, verstand sie sein Leben und Zuneigung erwuchs in ihr. Thomas Whitman starb im Wissen, das Grauen der Depression mit den Worten besiegt zu haben, aber ob er in den klaren Momenten des Komas, die Nähe seiner Tochter spürte, bleibt ungewiss.
Imaginaerum nimmt den Zuschauer mit in die Welt der Gedanken von Thomas Whitman und der einzigen Chance, die ihm bleibt, Juwl vor der Macht der finsteren Seite in seinem Leben zu bewahren – dem Schreiben. Imaginaerum ist manchmal einfach nur Wirkung und das zeitlose Dahintreiben der Bilder – ohne überflüssigen, störenden Dialog der Akteure. Die komplexe Handlung wird aufgeladen von der mitreißenden und symphonischen Musik von Nightwish, die der Finsternis Poesie und Schönheit verleihen.