"Ich bin dein und ich bin nicht dein"
- dieses Zitat beschreibt kurz und knapp gut die Gefühlswelt, welche den eindrucksvollen Film "Her" umgibt.
Es ist eine erschreckende und zugleich auch interessante Parabel über die zunehmenden Defizite in der Zwischenmenschlichkeit in einer technologisierten Welt, in der das hochentwickelte Informationszeitalter sich in das Leben des Menschen fest integriert hat und nicht mehr wegzudenken ist.
In dieser Welt lebt Theodore, ein Mann, der in Scheidung lebt und darüber nur schwer hinwegkommt, da er augenscheinlich einen Teil seines Lebens verliert und sein Dasein wohl nun hautpsächlich mit seinem Job, futuristischen Videospielen und Telefonsex fristet.
Ein Job, der die wachsende Seelenlosigkeit des menschlichen Individuums unterstreicht, da er für andere Menschen handgeschriebene (Liebes-)Briefe (ein aussterbendes Relikt früherer Zeiten) verfasst - diese Widerum allerdings per PC und Sprachsteuerung - was wiederum paradox ist.
Paradox wirkt so einiges in dem Film, aber dies passt hier zum Geschehen und etabliert sich als gängige Normalität.
Wie zum Beispiel auch die Rolle des Menschen in der Gesellschaft, der in ihr funktionieren und mit ihr interagieren will, letztendlich aber dies nicht direkt tut, sondern der Kontakt zum Menschen findet indirekt zunehmends mittels Technik statt. Dies unterstreicht auch die kühle Atmosphäre des Geschäftsviertels mit den Hochhäusern in denen der Protagonist teils umherwandelt.
Theodore, der seinen Job als einfühlsamer, aber frustrierter und emotional distanzierter Mensch sehr besonnen und mit kreativem Geiste ausübt ist ebenfalls fest verwoben in die Methoden des dato haushaltsüblichen technologischen Fortschritts, mit der er per Knopf im Ohr stets verbunden ist.
Einzig seiner Nachbarin Amy, welche selber in keiner allzu glücklichen Ehe steckt, ist er ein wenig zugänglich - deren Aufheiterungen aber eher auf unfruchtbaren Boden landen.
In dieser Lethargie und Einsamkeit trifft er nun auf die Gelegenheit des Erschaffens eines Operating Systems - eine Künstliche Intelligenz, die am Leben teilnehmen kann und es für einen auch organisiert.
So tritt nach wenigen Einstellungen Samantha auf das Parkett, welche sich augenscheinlich gut in die Situation einfügen kann.
Sie besitzt eine eigene Persönlichkeit, ist eloquent, versprüht Charme und entwickelt sich zudem auch weiter. Sie reflektiert sich selbst und sie wirkt wie ein echter Mensch mit Bewusstsein. Zudem tritt sie teils etwas "schräg" auf, aber auf sympathische Art.
Auch wenn sozusagen nur der Körper fehlt harmonisieren Theodore und Samantha sehr gut, sodass sie ihn mehr und mehr aus der Tristesse des Alltags herauslotet und ihn stets begleitet.
Es entwickelt sich eine Liebesbeziehung der besonderen Art aber es scheint niemanden zu stören - Samantha ist sogar zu derlei Gefühlen mächtig, dass sie Empfindungen haben kann und es entwickelt sich ein eigener emotionaler Antrieb, da sie Sachen will und nicht nur das tut, was Theodore möchte.
Ja sogar Sex scheint möglich zu sein.
Auch das Umfeld scheint sich an derlei Beziehung nicht zu irriteren und akzeptieren beide in vollem Unfang - da Theodore nicht der einzige mit Operating System ist. Es wurde ein weiterer Schritt getan, vom vorher erwähnten Kontakt mit Menschen mittels Maschine zum direkten verbalen und emotionalem Austausch mit der Maschine selber. Visionär kann man hier schon Andeutungen erkennen, dass der Mensch zur Randfigur verkommt.
Dieses recht paradoxe aber auch herzerwärmende Liebesspiel entwickelt sich weiter bis zu einem gewissen Punkt, was ich nicht weiter schildern will, aber so wie der Mensch und Theodore in seiner evolutionären Entwicklung irgendwann stagniert, so entwickelt sich Samantha stets weiter und es ergibt sich wiederum mehr Raum mit mehr Möglichkeiten, die Theodore in seinen bisherigen Ansichten scheinbar überfordern..
Die Story ist größtenteils gelungen und baut aufeinander auf mit stetigen Rückblicken, welche Theodores Gefühlswelt authentischer machen. Die Charaktere wirken echt und das Umfeld ist stimmig. Es wirkt auch zum Teil in Hinblick auf die technologischen Möglichkeiten erschreckend real.
Der Punkt, an dem Samatha sozusagen "Schluss macht" ist für mich jedoch nicht wirklich nachvollziehbar, da es meiner Meinung nach nicht schlüssig ist - in Hinblick auf die Intention der Entwicklung eines OS. Wäre eine Firma, die ein OS entwickelt nicht aus Marketingzwecken daran interessiert, dass diese Bindung fortbesteht? Hier hat die Entwicklung von Samantha zwar einen philosophischen und interessanten Beigeschmack, passt aber nicht so richtig zur Sache. Letzendlich war es zudem absehbar, dass dies so kommen musste, was jetzt aber nicht wirklich negativ zu deuten ist.
Joaquin Phoenix, welcher Theodore spielt, weiß voll zu überzeugen, man kauft ihm jegliche Gefühlswelt ab und minimalistisch genau weiß er Emotionen richtig in Szene zu setzen.
Trauer, Freude, Diskrepanz, Lethargie, Überforderung, Enthusiasmus - diese vielschichtigen Gefühlsebenen haucht er Theodore perfekt ein. Oscarreif!
Und eine schöne Stimme hat die Samantha ja auch (zumindest die deutsche Synchronstimme).
Fazit: Ein sehr interessantes, kreatives, teils emotional-mitreißendes Stück Filmgeschichte mit einem Schuss Humor, wunderbar gespielt und mit einer diskreten Kritik an unserer Affinität zur immer fortschreitenden technologischen Entwicklung, aber ohne moralisch es einem zu sehr unter die Nase zu reiben.