Der 17-jährige Ben reist in den Internats-Ferien zu seinem Vater nach Marrakesch. Vater Heinrich ist Theater-Regisseur und arbeitet im Rahmen eines Kulturaustauschs in Marokko. Der Kontakt zum Vater war nie besonders gut, die Eltern sind geschieden. Familien-Idyll-Fehlanzeige.
Das sind die Karten, die der Film zu Beginn austeilt. Basierend darauf entwickelt sich eine spannende, hochinteressante Familien-Geschichte, bei der die Beziehung Vater-Sohn im Vordergrund steht. Coming-of-Age und Going back-to-Roots in Marokko.
Ben - Klasse Darstellung durch Samuel Schneider - ist jung, unverbraucht und neugierig, hat überhaupt keine Probleme auch in den Gegenden von Marrakesch auf - und abzutauchen, in denen man viellleicht nicht unbedingt abgeworfen werden möchte. Er erlebt eine kurze Romanze mit der jungen Prostituierten Karima, begleitet sie nach Hause in ein abgelegenes Bergkaff im Atlas-Gebirge, lernt seinem Gusto folgend das aus seiner Sicht echte Marokko kennen.
Aber so feurig die Romanze mit Karima beginnt, so schnell und aprupt endet sie wieder. Nachdem Karimas Vater sie als Schande bezeichnet und vor die Tür setzt, wird Karima klar, dass die Familie bleibt, alles Andere vergeht und die Affäre schroff und sofort beendet werden muss.
Ben’s Vater Heinrich - etwas in die Jahre gekommen, etwas verbraucht, nicht mehr neugierig genug um seine Luxus-Hotels zu verlassen - sucht den auf seinem Trip verschollen gegangenen Sohn verzweifelt in Marokko. Als er ihn endlich mit Hilfe der Polizei findet, kommen sich beide auf ihrer Fahrt durch das Hinterland Marokkos näher. Sie reden viel, schmeissen sich viel an den Kopf, erleben viele merkwürdige kleine Abenteuer, die sie zusammenbringen, die beide wieder verbinden, ihnen zeigen, dass Familie ein oft verschüttetes Band ist, das aber immer besteht, wie groß die Differenzen auch immer sein mögen. Alles andere verschwimmt, vergeht, Familie bleibt, so beschwerlich es auch immer sein mag.
Am Ende ist das Vater und Sohn klar. Ben ist endlich bereit, seine kleine Stiefschwester kennenzulernen, was er bisher immer abgelehnt hatte. Familie halt. Und wer will schon ernsthaft bezweifeln, dass Blut dicker ist als Wasser.
Die Leichtigkeit mit der Oscar-Preisträgerin Caroline Link sich dem schwierigen Thema in schwieriger Umgebung nähert, lässt den Film durchgehend hoch fliegen. Kein moralin-verseuchter Holzhammer sondern ein Film, der einer Beobachtung der Ereignisse gleichkommt, der nicht wertet. Das müssen wir schon selber machen.
Samuel Schneider, Ulrich Tukur (Bens Vater) und Hafsia Herzi (Karima) sind ausgezeichnet in ihren Rollen und geben dem Film durch ihr Spiel eine immense Kraft.
Mal wieder ein ganz starkes Stück Kino von Caroline Link, das sich zumindest aus meiner bescheidenen Sicht nahtlos in ihr bisher brilliantes Filmschaffen einreiht.