Nach dem Thriller „Prisoners“ legt der kanadische Regisseur Denis Villeneuve mit „Enemy“ nach.
Der zurückhaltende Adam (Jake Gyllenhaal) ist Professor und nicht zufrieden mit seinem Leben. Sein Lehrauftrag und die riesigen Betonbauten von Toronto bedrücken ihn, auch das Verhältnis mit Freundin Mary (Mélanie Laurent), die gerne trinkt, raucht und Sex haben möchte, aber gelangweilt scheint. Eines Tages entdeckt er in einem Videofilm sein Ebenbild und nimmt Kontakt zu dem Schauspieler auf, der gegenüber Adam andere Charakterzüge aufweist. Ehefrau Helen (Sarah Gadon) ist hochschwanger, besorgt und äußerlich ein ähnlicher Typ wie Mary. Das Aufeinandertreffen löst eine Kette von Ereignissen aus, die scheinbar ungewollt sind.
Villeneuve arbeitet nach „Prisoners“ mit einem anderen Stab. So sind Drehbuchautor, Kamermann, Cutter und Komponist anders besetzt, geblieben ist Jake Gyllenhaal. „Prisoners“ dauert ca. eine Stunde länger, ist viel komplexer im Aufbau, dafür geradliniger als der Nachfolger. In beiden Filmen steht eines im Vordergrund: Angst.
Das absonderliche Filmplakat von „Enemy“ zeigt bereits, was der Hauptfigur im Kopf umhergeht, was sie niederzuringen versucht. Unter der Begleitung schwerverdaulicher, aber passender Musikbegleitung in Manier eines Paul Thomas Anderson („There Will Be Blood“, „The Master“) fährt die Kamera immer wieder geduldig durch die graugrüngelb gefärbte Welt der Metropole von Kanada und baut die Stimmung auf, die Adam beherrscht. Villeneuve packt seine Zuschauer, hat sie im Griff und nimmt sie, als die Zwillingstheorie nicht mehr gilt, auf einen faszinierend inszenierten Kampftrip ins Menscheninnerste mit, der die Erfüllung von Wünschen wie auch Auslöschung von Ambivalenz zum Ziel und die Bestie Intelligenz als Mitspieler hat. Für letzteres ließ sich der Regisseur durch die Spinnenskulptur „Maman“ von Louise Bourgeois inspirieren. Die allermeisten der Sequenzen bleiben lange nach dem Abspann im Kopf und sorgen für Gespräche, eröffnen erst später den Unvorbereiteten das Dargestellte.
Villeneuve und Gyllenhaal haben sich zum Dream-Team entwickelt. So darf der erfahrene Schauspieler aus L.A., der sich anscheinend mit jeder anspruchsvollen Rolle steigert, gleich beide männlichen Hauptparts spielen. Während dies fürs Optische die einzige Lösung ist, beherrscht er die unterschiedlichen Verhaltensweisen mit Bravour und hält sie jeweils konsequent beisammen.
Ein besonderes Lob soll Sarah Gadon gelten. Schon Cronenberg konnte für „Eine Dunkle Begierde“ und „Cosmopolis“ ihre Ausdrucksstärke ins Spiel bringen. Die in Toronto geborene Actrice zeigt nun unter der Anleitung von Villeneuve, dass sie noch mehr kann. Imponierend gibt sie ihrer Helen Bestürzung, Mutterinstinkt und unvorsichtige Eifersucht zum Anfassen nahe.
Die Frauen werden zu wichtigen Dreh-, Angel- und Wechselpunkten von „Enemy“ und sind alle hervorragend besetzt worden.
Immer wieder sucht die Kamera die Akteure und lässt sich Zeit, deren Gefühlswelt auf der Leinwand auszubreiten. Während hier die Dosis stimmt, hat das Grau Torontos dagegen die eine oder andere Wiederholung zu viel in 90 Minuten Spielzeit.
Ein starkes Stück Kino, das Szenario gleich Psyche setzt, kleben bleibt und erfreulicherweise zum Reden danach zwingt.