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    Dead Zone - Der Attentäter
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Dead Zone - Der Attentäter
    Von Robert Cherkowski

    Ambitionierte Jungregisseure verwenden oft viel Zeit und Aufwand darauf, einen wiedererkennbaren Inszenierungsstil zu entwickeln, Themenfelder abzustecken und sich so ein klares Image zu stricken. Ist der Sprung ins Rampenlicht einmal geschafft, stellt sich unvermeidlich die große Frage: Auf Nummer sicher gehen und den eigenen Stil verfeinern – oder doch etwas riskieren? Spike Lee oder Wes Anderson etwa sind ihren stilistischen Wurzeln bis heute treu geblieben, während andere wie Clint Eastwood oder Woody Allen wiederum immer wieder kleinere Kursänderungen vornahmen, um nicht in ihrer Nische zu versauern und als „One Trick Ponys" verschrien zu werden. Schließlich ist nichts so alt wie der neueste Schrei von gestern. Das dachte sich Mitte der 80er auch David Cronenberg, der gerade mit „Videodrome" sein bisheriges Werk auf den Punkt gebracht hatte, seinem thematischem Steckenpferd, dem Body-Horror, erstmals den Rücken kehrte und sich mit „Dead Zone – Der Attentäter" einer populären Vorlage bediente. Das Umsatteln auf eine Stephen-King-Verfilmung, die damals wie Pilze aus dem Boden schossen, ließ sich vorerst durchaus als Flirt mit dem Mainstream deuten. Doch weit gefehlt: Cronenberg hat einen der introvertiersten Romane Kings in ein bedächtiges und emotional zwingendes Horror-Drama verwandelt und für Melancholie und Nervenkitzel gleichermaßen das richtige Händchen bewiesen. „The Dead Zone" ist zwar sein bis dahin zugänglichster Film geworden, dabei aber auch seiner bis heute besten!

    Gerade noch verbrachte der beliebte Kleinstadtlehrer Johnny Smith (Christopher Walken) harmonische Stunden mit seiner Freundin Sarah (Brooke Adams), als er plötzlich in einen Autounfall verwickelt wird und für fünf Jahre ins Koma fällt. Als er erwacht ist nichts wie es war. So muss er nicht nur feststellen, dass Sarah, die nicht mehr damit rechnete, dass er je wieder erwachen würde, heiratete und eine Familie gründete. Er verfügt nun auch über seherische Fähigkeiten: Wenn er Personen oder bestimmte Gegenstände berührt, kann er in die Todeszone blicken und die Todesumstände anderer Menschen sehen. Nachdem ihn der Kleinstadtsheriff Bannerman (Tom Skerritt) mit traumatischen Folgen in eine Mordermittlung verwickelt, zieht sich Johnny mehr und mehr zurück. Als er bei einer Wahlkampfveranstaltung des Politikers Stillson (Martin Sheen) jedoch dessen Hand schüttelt, sieht er, dass dieser eines Tages als Präsident die Welt in den dritten Weltkrieg reißen wird – und Johnny wird wieder aktiv. Nachdem es ihm misslingt, seine Umwelt vom mörderischen Potential des windigen Politikers zu überzeugen, bereitet er ein Attentat vor...

    Heute ist Christopher Walken vor allem als creepy-Nebenrollen-Szenendieb bekannt, der allein aufgrund seiner etwas neben der Spur wirkenden Körpersprache und seines eigenwilligen Sprachduktus zum kultigen Kuriosum wurde – niemand sonst setzt so wunderbar arythmische Pausen in einen Satz. In den 80ern war er allerdings ein auch nach konventionellen Maßstäben anerkannter Charakterdarsteller mit Superstar-Ambitionen. Nach seiner Oscar-gewürdigten Darstellungen des traumatisierten Kriegsveteranan in „Die durch die Hölle gehen" wurde er in „Heavens Gate – Das Tor zum Himmel" als zwielichtig-romantischer Nebenbuhler Kris Kristoffersens besetzt und versuchte sich in „Dogs of War" sogar als Actionheld. Mit seinem Auftritt in „Dead Zone" konnte er ein weiteres Karrierehoch erklimmen: Der spätere Sonderling Walken verleiht seinem Johnny hier eine so hypnotische Aura der Verletzlichkeit, dass man praktisch dazu gewungen ist, ihm mit ehrlicher Sympathie durch sein Martyrium zu folgen. Wenn er unter der Bürde seiner Last zu zerbrechen droht oder als Zaungast miterlebt, wie seine große Liebe ein Leben ohne ihn beginnt, rührt seine zerbrechliche Erscheinung beinahe zu Tränen.

    Dabei spielt sich Walken jedoch nie eitel nach vorne, sondern lässt auch seinen Kollegen Raum zum glänzen – was sowohl Brooke Adams als leidgeprüfte Ex, Tom Skerritt als mürrisch ungläubiger Sheriff oder Herbert Lom als jüdischer Arzt und Vertrauter reichlich tun. Auch der sonst so gern als tugendhafter Mentor und Vaterfigur besetzte Martin Sheen absolviert als brandgefährlicher Politiker außergewöhnlich irre Auftritte. Das das tonale Gleichgewicht des Films gerät in diesen Momenten ein wenig ins wanken – ohne aber jemals zu kippen. Dafür sorgt David Cronenberg, der sich mit seinen zwischen Arthouse und Grindhouse pendelnden Horror-Schockern bis dato eher über Thesen denn über empathisch gezeichnete Figuren definiert hat. Mit „Dead Zone" erweist er sich als kluger Beobachter menschlicher Seelenleben und als kompetenter Schauspielregisseur, der genau weiß, wie er auf welche Knöpfe zu drücken hat, um sein Publikum für die Protagonisten einzunehmen und gegen die Antagonisten aufzubringen.

    Zusammen mit Drehbuchautor Jeffrey Boam, dem späteren Autor von „Lost Boys" sowie dem zweiten und dritten „Lethal Weapon"-Teil, bannt er die ausladende Erzählwut Stephen Kings in einen Film, dessen Facetten jederzeit in einem glasklaren Zusammenhang stehen: Tragische Liebesgeschichte, übernatürlicher Horror, Politthriller und sogar der Handlungsstrang, in dem Johnny bei der Ermittlung gegen einen Frauenmörder (spooky: Nicholas Campbell) hinzugezogen wird, fügen sich unter Cronenbergs Regie zu einem schlüssigen Ganzen zusammen. Ein grauer, ausgewaschener Look verleiht dem Geschehen die nötige Schwere und macht „Dead Zone" zu einer tieftraurigen Ballade um einen Mann, der einen Schicksalsschlag nach dem nächsten verarbeiten muss. Der Horror kommt dabei aber keineswegs zu kurz. Wenn Johnny kurz nach seinem Erwachen zum ersten Mal seine Fähigkeit bemerkt und sich nach der Berührung einer Krankenschwester in einer Höllenvision wiederfindet, glänzt Cronenberg einmal mehr auch als Horror-Regisseur. Man kann Cronenbergs „Mainstream-Debüt" von allen Seiten betrachten und wird immer ein Meisterwerk vorfinden, das keinen Staub angesetzt hat und nicht nur in den Filmographien Cronenbergs und Walkens, sondern auch in der langen Reihe von Stephen-King-Adaptionen einen besonderen Stellenwert hat.

    Fazit: Mit „Dead Zone" hat David Cronenberg einen Klassiker des modernen Horror-Kinos abgeliefert, der dank erzählerischer Reife, einem engagierten Hauptdarsteller und einer dichten melancholischen Atmosphäre fesselt und begeistert.

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