Es gestaltet sich für mich immer als schwierig bis unmöglich, solche esoterischen Filme wie "Beasts of the Southern Wild" objektiv zu kritisieren, geschweige denn in ein Bewertungskorsett zu zwängen. Während ich andere Filme, die ähnliche Ambitionen haben, als prätentiös und möchtegern- tiefsinnig abstemple, hat mich Beasts wirklich mitgenommen. Vermutlich lag das daran, dass der Film so geerdet und bescheiden ist wie die Figuren, die ihn bevölkern.______________ Die Bewohner von Bathtub sind kein Teil der Zivilisation, sondern der Population der Sümpfe von Louisiana. Die kleine Hushpuppy sieht sich und diese Menschen als "Animals", zählt sie also zum selben Biotop wie die Hühnchen, zwischen denen sie leben und die Krabben, die sie verspeisen. Hushpuppy sieht die Welt zwar durch die Augen eines Kindes, hat aber längst die Weisheit einer Hundertjährigen und lernt im Laufe des Films schnell, wie der Kreis des Lebens läuft. Ein großer Teil des Films besteht aus Monologen und man tut gut daran, ihn im Originalton anzuschauen, da die deutsche Synchronisation von Hushpuppy unerträglich ist. Die damals siebenjährige Quvenzhané Wallis ist nicht weniger als eine Naturgewalt von Schauspielerin, dank der ich mich von meiner Einstellung lösen konnte, die mir Filme wie zum Beispiel "Wo die wilden Kerle wohnen" beschert haben: Kinder in Filmen nerven. Nein, Wallis spielt das verträumte Kind perfekt und der Film wäre ohne sie undenkbar._______________ Leider fehlt dem Film ein story- oder charakterbedingter Antrieb, weshalb es Manchem schwer fallen könnte, den Film durchzusitzen. Mich hat aber das Thema fasziniert, das sich erst später herauskristallisiert: Es geht um Menschen, deren Lebenssinn darin besteht, mit und in der Natur zu überleben, nicht wie irgendwelche Hippies, die Besitz und Konsum aus Prinzip ablehnen, sondern im wahrsten Sinne der Aussage. Also strampeln, arbeiten und töten, aber auch essen, trinken, lieben und sich des Lebens freuen. Später geht es dann darum, wie unglücklich diese Menschen werden, wenn ihnen dieser schmutzige Kampf, der das Leben für sie ausmacht, weggenommen wird. All dies wird im Film als sehr märchenhaft dargestellt und der elende Aspekt der Armut wird vollkommen außer Acht gelassen. Doch das ist nunmal der Kern der Geschichte und trotz überwiegend realistischer Darstellung ist Beasts ein Fantasyfilm. Ich glaube auch nicht, dass die prähistorischen Auerochsen eine Metapher sind, sondern eher eine Plot-Device, um zu zeigen, wie sehr Hushpuppy innerlich gereift ist. Was der Zuschauer sich aus Hushpuppys philosophischen Monologen zieht, bleibt seine Sache._____________ Die Tiefsinnigkeit wird weder jeden Zuschauer erreichen, noch jedem zusagen, weshalb man den Film auch aus einem nüchternen Standpunkt bewerten sollte: Kameraarbeit und Schnitt sind für ein Erstlingswerk einfach grandios und die Drehorte sind gleichzeitig authentisch und fantasievoll gestaltet und mit Details gespickt. Dadurch und durch den fulminanten Soundtrack wird eine einzigartige, episch-melancholische Stimmung erzeugt.___________ Da Story und Charakterentwicklung sehr simpel und leider auch nicht sehr spannend sind, muss diese Stimmung zusammen mit der kleinen Hushpuppy den ganzen Film tragen, was zu meiner eigenen Überraschung voll und ganz funktioniert. Beasts of the Southern Wild ist ein Abenteuer, das den Zuschauer jedoch nur dann mitnimmt, wenn er sich gehen lässt. Ich habe das getan und hatte danach das Gefühl, dass dem Großteil der Menschheit das wahre Leben abhanden gekommen ist.