„Die Karte meiner Träume“ wurde am 28.06.2014 als offizieller Eröffnungsfilm des Filmfests München gezeigt. Regisseur Jean-Pierre Jeunet sowie der Hauptdarsteller Kyle Catlett waren anwesend „to check 3D“ und haben nach dem Film Fragen des Publikums beantwortet.
T.S. Spivet (Kyle Catlett) lebt auf einer Ranch in Montana und hat das Perpetuum Mobile erfunden. Der hochbegabte 10-Jährige begibt sich auf eine abenteuerliche Reise nach Washington D.C., um sich den Baird-Preis für seine hervorragende wissenschaftliche Arbeit abzuholen, ohne Wissen der Eltern.
Jean-Pierre Jeunet („Die fabelhafte Welt der Amelie“, „Mathilde“, „Micmacs – Uns gehört Paris“, „Alien 4 – Die Wiedergeburt“) ist unter die 3D-Filmer gegangen. Frage aus dem Publikum, sehr weit vorne rechts: „Why do you made this Film in 3D?“. Jeunet antwortet mit Humor: „What a terrible question. Isn’t it clear? …from your seat I think it was a nightmare.” Die Filme von Jeunet sind bekannt für die phantasievolle, detailverliebte Darstellung. Warum sollte dies nicht in die dritte Dimension ausgeweitet werden?! Sicherlich ist der volle 3D-Genuss auf Sitzplätze Mitte-Mitte beschränkt. Entscheidend ist jedoch, dass der Filmemacher sich vor den Dreharbeiten in Kanada Gedanken um 3D macht (s. Kritik zu „Kathedralen der Kultur“ von Wim Wenders u.a.). Das hat Jeunet offensichtlich gemacht und auch mit stereoskopischen Kameras gearbeitet. Es funktioniert im „wilden Westen“ ohne das von ihm gewohnte französische Flair.
„Die Karte meiner Träume“ ist als Umsetzung der Romanvorlage des US-amerikanischen Autors Reif Larsen kein spannender Film. Die Fans von Amelie und Mathilde bekamen neben vielen schönen Bildern einiges zu enthüllen. Letzteres entfällt quasi beim vorliegenden Film, denn außer das nicht so große Geheimnis um die eventuelle Mitschuld am Tod des Bruders Layton (Jakob Davies), trägt T.S. zunächst nur das Ziel der Preisverleihung mit sich. Nach Vorstellung der Familie Spivet ist sein Weg dorthin das Road-Movie, welches mit zahlreichen inhaltlich und optisch liebevoll behandelten Szenen bereichert ist, die zum Teil ihre eigenen Spannungskurven tragen. So darf sich der Zuschauer mit Erwartungen an den Einfallsreichtum auf den jeweils nächsten Abschnitt in Story und Bild freuen. Die Freude wird erfüllt mit allem was Kino ausmacht, mit Überhang zum Humor. Dabei sind Rückblenden, Gegenwart und Visionen nett verständlich aufeinander abgestimmt und lassen den Film fließen, ohne dass der Eindruck entsteht, der kleine T.S. werde nur zur Bewältigung von Zwischenaufgaben lediglich durch Locations geschickt.
Harvey Weinstein habe die Rechte an dem Film kaufen und denselben umschneiden wollen, erzählte Jean-Pierre Jeunet nach dem ansehnlichen Abspann und dem lang anhaltenden Applaus. Dazu ist es nicht gekommen. Vielleicht wäre dem Publikum sonst entgangen, dass die US-Medienbranche mit pikanter Würze durch süßen Kakao gezogen wird. Wer weiß!? Jeunet habe für die Dreharbeiten nie US-amerikanischen Boden betreten, erklärte der Franzose. Die eingeflochtene Einstellung von Washington D.C. "...was a fake".
Neben der langen Fahrt des T.S. Spivet steht das Thema Familie im Vordergrund. Völlig ausgeblendet bleibt dagegen die Auswirkung der Erfindung eines Perpetuum Mobiles auf die Wirtschaft. So erfährt der Zuschauer u.a., dass der Vater (Callum Keith Rennie) , durch und durch Cowboy, 100 Jahre zu früh geboren wurde, die Mutter (Helena Bonham-Carter) als Biologin die anderen schon mal vergisst und in Punkto Haushaltsgeräte eine Art Anti-Productplacement betreibt, während die ältere Schwester Gracie (Niamh Wilson) nur an Entertainment denkt.
„Die Karte meiner Träume“ berührt und erfreut das Herz ohne Übertreibung. Manche Reisen sollten nie enden, wenn sie mit neugierigen Augen betrachtet werden dürfen und die Handschrift eines Jean-Pierre Jeunet tragen.