Filme sollen Spaß machen; dabei sind die Ansprüche ganz verschieden: Actionjunkies genießen einen Film mit krassen Effekten und coolen Hauptdarstellern, Sensibelchen präferieren eher eine Liebesschnulze unter Einsatz tausender Taschentücher, Horrorfilmfreaks lassen sich durch eine angsteinflößende Handlung den Schauer über den Rücken laufen und die Melodramatischen unter uns vergnügen sich mit einem Drama, das über meist tiefgehende Charaktere verfügt und eine bewegende Handlung inne hat.
Ein hochkarätiger Film vereint mehrere dieser Aspekte erfolgreich. So zum Beispiel Shyamalans „The Sixth Sense“ (1999), der gleichermaßen Dramenliebhaber, Mysteryfans und Horrorfetis zufriedenstellte, gerade durch das mehr als perfekte Ende. „Titanic“ wäre da ein anderes Beispiel: Obwohl hier der Aspekt des Liebesdramas deutlich überwiegte, kamen auch die Katastrophenfilmfans à la „Flammendes Inferno“ gegen Ende auf ihre Kosten, wobei sich ein solcher diesen Film wohl nicht aus nur diesem Aspekt angetan hätte.
In eine solche genreübergreifende Kategorie lässt sich auch das Werk der Wachovsky Brüder einordnen: Er bietet Action durch wilde Schießereien und coole Protagonisten, bietet Sci-fi durch die in sich geschlossene fiktive Computerwelt, bietet Anspruch durch die etlichen, versteckten Lebensweisheiten und endlich mal überwiegend klischeefreie Charaktere – schon etwas besonderes, wenn man die Mehrzahl der Sci-fi-Actionfilme betrachtet. Doch um was geht es in diesem Film eigentlich?
Thomas Anderson (Keanu Reeves) ist in seinem „zweiten Leben“ der erfolgreiche Hacker Neo, eher ein Eigenbrötler, der Tag und Nacht vor seinem Rechner sitzt und die endlosen Weiten des World Wide Web unsicher macht. Bis er dann schließlich auf Trinity (Carrie – Anne Moss) trifft, die in der Eingangssequenz des Filmes schon eindrucksvoll unter Beweis stellen durfte, dass sie übernatürliche Kräfte besitzt. Diese war schon länger auf der Suche nach Neo und entgegnet ihm schon gleich beim ersten Treffen, dass er sich in höchster Gefahr befände. Alles Weitere könne aber nur ihr Mentor Morpheus (Laurence Fishburne) beantworten, der ihn bei den nächsten Treffen auch prompt mit der grausamen Wahrheit konfrontiert: Die Realität ist lediglich eine Scheinwelt, kreiert von künstlicher Intelligenz, vorhanden um die Menschen ruhigzustellen, damit sich die Maschinen ihrer Energiereserven bedienen dürfen. Diese Matrix wird geschützt von weiteren Computerprogrammen, sogenannten „Agenten“, unter ihnen Agent Smith (Hugo Weaving). Und Neo sei der Außerwählte; derjenige, der alle Menschen aus der Knechtschaft befreien kann.
Das besondere am Film ist nicht die recht außergewöhnliche Handlung, obwohl sie hinsichtlich der Kreativität, die in ihr steckt, locker mit fast jedem Sci-fi-Actionfilm mithalten kann, es ist mehr das düstere, und vor allem glaubwürdige Szenario, das die Wachovsky Brüder in ihrem Geniestreich entwerfen. Die Vorstellung des unterdrückten Menschen kennen wir aus der Literatur spätestens seit Orwells „1984“, in dem er den Menschen einem Überwachungsstaat ausliefert. Oder aus filmischer Sicht auch aus „Exquilibrium“ (2002) mit Christian Bale, in welchem aus Menschen, emotionslose „Zombies“ gemacht werden, um sie unter Kontrolle zu halten. Diese Vorstellung, die wir in Matrix sehen, geht hingegen noch um einige Schritte weiter. Während die Menschen in den vorangegangenen Beispielen wenigstens noch bedingt handlungsfähig waren, sind sie dies hier nicht. Daher geht von diesem System eine noch spürbar größere Bedrohung aus. Fantastisch ist auch, dass das Szenario, das hier entworfen wird, in sich komplett schlüssig ist. Morpheus erwähnt in einer kurzen Szene, wie es zu dem Status quo letztendlich kam: Keine Spur von weithergeholten, unglaubwürdigen Gegebenheiten, sondern es wird auf plausible Art und Weise verdeutlicht, wie es den Maschinen gelungen ist, die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Doch nicht nur das Szenario, das im Film die grausame Realität widerspiegelt, ist stilistisch exzellent ausgearbeitet, auch die Matrix, die als virtuelle Realität fungiert, strotzt so vor liebevollen Details: Da müssen die Weltenretter ein klingelndes Telefon abnehmen, um von der Matrix in die reele Welt zu kommen, da deuten Deja Vus auf eine Umprogrammierung derselbigen hin, da sind die Agenten, als übermächtiges Computerprogramm sich in die Rolle jedes Menschen kopieren können und so eine wahnsinnige Bedrohung darstellen. Es entsteht dabei der Eindruck, als diene diese Scheinwelt nicht nur dazu, die Handlung zu stützen, sondern als wäre in ihr viel mehr, nämlich Liebe zum Detail. Daher fühlt sich alles realistischer an. Dies sorgt für Atmosphäre und lässt den Zuschauer noch tiefer in den Film eintauchen.
Doch bei all den eingangs erwähnten Qualitäten, die „Matrix“ besitzt, ist er hauptsächlich ein Actionfilm. Er brachte allein durch die wilden Kamerafahrten und die abgehobenen Actionszenen (wilde Martial Arts Einlagen, „unrealistische“, stylische Schießereien) ordentlich Wind ins Genre. Doch während man in anderen Actionreißern mit ansehen muss, dass auf den Hauptprotagonisten zwar andauernd geschossen, diese aber nie getroffen werden, wird dies hier wenigstens vernünftig begründet, was eindrucksvoll durch die berühmt berüchtigte Szene verdeutlicht wird, in der Neo den Kugeln des Agenten ausweicht. Während das gerade dargelegte Manko der Auslöser dafür ist, dass ist den meisten Actionfilmen die Spannung flöten geht, weil man das Gefühl hat, der Hauptdarsteller könne spätestens erst im Finale mal von einer Kugel getroffen werden, ist hier das Umgekehrte der Fall. Der Film bleibt dauerhaft spannend, weil er sich solcher Klischees nicht bedient. Doch dies nur am Rande!
Nette Zwischeneinfälle päppeln den Film dann immer wieder auf, wenn Morpheus vielleicht doch mal zu viel über die Matrix redet. So gibt es abseits des generellen Kampfes gegen die Agenten in einer Szene einen Feind in den eigenen Reihen auszuschalten, bevor dieser die ganzen Crew umbringt, da gibt es etliche kreative Trainingsprogramme, die Neo auf seinem Weg durchlaufen muss, wobei diese wiederum mit dem einen oder anderen gelungenen Gag versehen sind(die rot gekleidete Frau, die nicht viel redet). Der Soundtrack weiß ebenfalls zu begeistern: Neben Unterground Sounds von „The Prodigy“, „Marilyn Manson“ oder „Propellerheads“ findet sich auch die deutsche Band „Rammstein“; nicht nur im Film ein Vergnügen, sondern evtl. auch eine lohnende Anschaffung für den heimischen CD-Schrank.
Dafür, dass Matrix ein Sci-fi Actionfilm ist und primär darauf ausgerichtet ist, auch diese Bedürfnisse des Zuschauers zu befriedigen, bietet er erstaunlich viele und tiefgründige Denkansätze, die immer mal wieder geschickt in den Film eingebunden werden: Botschaften wie „Glaube an Dich“ oder Themen, wie das „Schicksal“, die „Zeit“ etc., die öfters aufgegriffen werden und über die man auch nach dem Film noch ausreichend nachdenkt – für einen Film dieses Genres eher ungewöhnlich.
Doch wo Licht ist, da ist meistens auch Schatten. Der Geniestreich der Wachovsky Brüder ist leider auch kein perfekter Film und hat daher auch die eine oder andere Schwäche. So spielt Keanu Reeves seine Rolle zwar durchaus ansprechend, jedoch hätte ein anderer Schauspieler gewiss mehr aus dieser Figur rausholen können. In mancher Szene wirkt er emotionslos: Gerade, als er erfährt, dass er den größten Teil seines Lebens in einer Scheinwelt verbracht hat, gelingt es ihm nicht, diesen Sachverhalt dem Zuschauer adäquat zu vermitteln. Aber auch andere kleinere Szenen lassen den Eindruck erwecken, als hätte ein anderer Schauspieler den Szenen noch mehr Intensität verleihen können. Lächerlich – das zählt allerdings nicht zu den Richtlinien der Bewertung – ist da leider auch sein cooler Gang, den er in der Befreiungsszene Morpheus angestrengt an den Tag legt. Hier wirkt er eher wie ein möchtegerncooler Streber, als ein Held, der die Welt errettet. Ansonsten gute schauspielerische Leistungen, aber keine hochkarätigen zu erwarten: weder von Carrie Anne Moss, noch von Laurence Fishbourne, wobei dieser noch am ehesten zu begeistern vermag. Der äußerst kühl agierende Hugo Weaving ist da schon ein anderes Kaliber. Gerade mit seiner langsamen und außergewöhnlich betonenden Redeweise sorgt er für atmosphärische Momente. Geschmackssache sind wahrscheinlich auch die durchaus langen Redeszenen. In der ersten Hälfte des Filmes wird der Actionfeti nicht auf seine Kosten kommen, weil Laurence Fishbourne damit beschäftigt ist, die Gegebenheiten der Matrix zu erklären, Neo auf dem Weg zum Orakel zu begleiten, ihn zu trainieren und immer mal wieder vom Auserwählten zu faseln. Um in die Welt des Filmes vollends einzutauchen, sind diese Szenen unumgänglich, für Actionpuristen sind sie stellenweise aber wohl zu viel des Guten. Auch das Ende wirkt etwas zu melodramatisch. Um an dieser Stelle nicht zu viel zu verraten, sei jedoch gesagt: Der Film greift zwar selten in die Klischeekiste, hier macht er es dann doch äußerst konsequent.
Fazit: Alles in allem ist den Wachovsky Brüder ein Meisterwerk gelungen, dass sicherlich in die Analen der Filmgeschichte eingehen wird. Die detaillierte Welt, die entworfen wird, das düstere Endzeitszenario, versehen mit zum Nachdenken anregenden Aspekten und die bilderbuchhafte Action, die hier an den Tag gelegt wird relativieren die leichten schauspielerischen Defizite. Insgesamt ein Film, den man gesehen haben muss.