Bewältigung der eigenen Geschichte. Pah! Da sind wir Deutschen den Amerikanern ja mindestens zwei Längen voraus, ausgebreitet und "zelebriert" in zahlreichen Werken als Dokus, Dramen und Grotesken. Darf man meinen, kann man meinen. Der vorab in überirdische Höhen katapultierte "12 Years a Slave" ist ein in diesem Sinne überaus einschnürendes Kapitel dunkler amerikanischer Geschichte, hervorragend gespielt und ausgewogen erzählt, zudem ermattet Steve McQueen's Werk nicht unter seinen immensen Erwartungen.
Zunächst einmal ist McQueen's Werk keine physische zwei Stunden Folter, randvoll mit peinigenden Szenen. Direkt zu Beginn erzählt der "Shame" - Regisseur auf eine ruhige und demonstrative Art seine bewegende Geschichte, bettet eine kurze außernarrative Szene in den Feldern ein und versucht eher Atmosphäre einzufangen als sich auf eine Erzählung a la Baukastenschemata einzulassen. Und der Zuschauer lernt den besonnenen und demütigen Solomon Northup kennen, der seinem relativ passabel bezahlten Erwerb nachgeht, dem Geigenspielen. Doch auch zu Beginn schwebt der drohende Schatten der Sklaverei, dem er sich nicht entziehen kann, über ihm. Er sieht Sklavenhalter, die ihr „Eigentum“ vor sich her führen und wird bereits irritierend beäugt.
Nach einer Nacht der Trunkenheit und dem Erwachen in einer Zelle, nimmt die folgenschwere Geschichte ihren Lauf. Regisseur Steve McQueen geht es bei „12 Years a Slave“ nicht um eine allumfassende Betrachtung oder gar Abrechnung. Er bleibt sehr genau an seinem ausgefeilten Charakter Salomon Northup hängen und zeigt dessen Lebensstationen. Dabei erspart er langweilige Geschichtspassagen inklusive Kontext und genauem zeitlichen Rahmen. Das führt den Film viel näher an ein persönliches Drama heran, was sich im Verlauf als durchaus wirkungsvoll erweist. Der Zuschauer windet sich nicht aufgrund des Goregehalts, er wird nicht mit zugebombten Fakten überinformiert, sondern nimmt „12 Years a Slave“ wahr, als das was er ist. Ein Film. Ein Film, der einem erst in der Dauer auf den Magen schlägt, einen Nachgeschmack bereithält, den man so und auf diese Art und Weise nicht erwartet hat. Nämlich authentischer Bestürzung, keine aufgesetzte Dramatik und keine sarkastische Schuldzuweisung, der Film setzt seine Schwerpunkte, wo zuvor noch kein anderes Werk dieses Themas angesetzt hat.
Bemerkenswert ist das McQueen, trotz wiederholendem Charakter, der aber auch als Trübseligkeit und Hoffnungslosigkeit des Arbeitsalltags aufgefasst werden kann, dennoch erinnerungswürdige Szenen auffahren kann. So ist die Szene bei Northup's versuchter Erhängung von nervenzerfetzender Spannung, die nach ihrer drastischen Inszenierung etwas nachgibt und trotzdem anhält. Northup's konzentrierter Körper bleibt lange im Bild und das Treiben im Hintergrund nimmt seinen alltäglichen Verlauf.
Ein weiteres großes Plus sind die differenzierten Charaktere, die „12 Years a Slave“ erst zu einem wahren Höhepunkt machen. Sowohl der sadistische Sklavenhalter (Michael Fassbender) als auch der zweifelnde Mitläufer (Benedict Cumberbatch) finden hier Raum für ihre tragische Entfaltung, neben kämpferischen, aufgebenden und ambivalenten Darstellungen von Sklaven. Selbst die Frauen der „Master“ werden hier auf eine frische und unverbrauchte Art und Weise in Szene gesetzt.
Dabei übertrumpft der Eine schauspielerisch immer wieder mal den Anderen, „12 Years a Slave“ ist fernab von einer Dramatik, die Schauspieler natürlich entgegenkommt wie sonst nichts, überaus souverän und formidabel gespielt. Ein Cast, aus dem mehr herausragen, als dass man sie jetzt alle benennen könnte.
Fazit: Steve McQueen hätte es sich mit seinem herausragenden Drama „12 Years a Slave“ erheblich einfacher machen können, doch er wählt einen überraschend unverbrauchten und erstklassig inszenierten Weg voller Ideen, dramatisch sowie aufrüttelnden Auf und Abs und einem gelungenem Cast, bestbesetzt bis in die Spitzen.