Der britische Regisseur Steve McQueen hat auf einer wahren Begebenheit basierend „12 Years a Slave” gedreht und wie bei „Hunger“ und „Shame“ Michael Fassbender verpflichtet.
Solomon Northup (Chiewetel Ejiofor) ist ein freier Mann. Das ist Mitte des 19. Jahrhunderts keine Selbstverständlichkeit in den USA. Für Gutsbesitzer im Süden des Landes arbeiten von Afrika verschleppte Männer und Frauen in Sklaverei. Doch Northup ist Geiger im Nordosten und freut sich, als zwei Fremde ihm ein Engagement anbieten. Nach einem Trinkgelage mit den beiden wacht er in Ketten auf und wird wenig später in Louisiana an den Baumwollplantagenbesitzer William Ford (Benedict Cumberbatch) verkauft, der ihn kurz darauf zum Schuldausgleich an den als „Sklavenbrecher“ berüchtigten Edwin Epps (Michael Fassbender) weitergibt. Der gebildete Northup muss sich dumm stellen und auf eine Chance warten, dem Horror zu entkommen.
Der Film beginnt mit opulent ausgestalteten Szenen in der damals modernen Stadt Saratoga und zeigt danach den Sklavenalltag in der Landwirtschaft. Das könnte so schön im Kontrast stehen, wenn die ganze Szenerie im Süden nicht so harmlos und künstlich dargestellt wäre. Szenen, die Gewalt explizit zeigen und nicht zeigen, stehen unpassend nebeneinander. Es liegt sicherlich an der Vorgabe FSK 12 (und entsprechend in anderen Ländern), die dem Film nimmt, stets Betroffenheit zu erzeugen. Wichtiger ist es den Produzenten offensichtlich, dass möglichst viele Zuschauer Geld in die Kassen spülen. Daher sprechen auch alle Figuren das gleiche Englisch.
McQueen nutzt zudem seine anderen Möglichkeiten nicht: Die Kameras stehen oft im Abseits. In einem Unrhythmus wird in die Nähe umgeschnitten, womit sich der Cutter auch nicht mit Ruhm bekleckert. Bestes Beispiel hierfür ist die Szene, in der Northup am Galgen hängt und nur mit den Fußspitzen den matschigen Boden berühren kann, während im Hintergrund alle tun, als wenn nichts wäre. Und sollte der Regisseur die Absicht gehabt haben, die befohlene Teilnahmslosigkeit der anderen Sklaven demonstrieren zu wollen, so sieht dies genauso gestellt aus wie in anderen Bildern, die viele Personen zeigen. So gelingen nur wenige Einstellungen, und dem Beobachter wird zudem die Möglichkeit genommen, 12 Jahre Sklaverei mitzufühlen.
Doch das ist nicht der Dauerzustand von „12 Years a Slave“. Hervorragende Schauspielerleistungen reißen das Unternehmen Film wieder auf die rechte Bahn:
Der beeindruckende, ausstrahlungsstarke Benedict Cumberbatch ist leider früh aus dem Plot heraus und muss dem meisterlichen Michael Fassbender die Bühne überlassen. Und der spielt mit ungeheurer Energie den unberechenbaren, gewalttätigen Epps.
Dass Fassbender mit Steve McQueen gut kann, ist an allen o.g. gemeinsamen Projekten deutlich zu sehen. Anscheinend kann der Deutsch-Ire alles spielen. Zahlreich sind die verschiedenen Rollen, in die er bereits schlüpfte und mit Brillanz zum Charakter führte, z.B. als Offizier („Inglourious Basterds“), als Psychologe („Eine dunkle Begierde“) oder gar als Roboter („Prometheus – dunkle Zeichen“). Bei Steve McQueen tobt er sich besonders gerne aus. Und dieser lässt ihn toben, wenn auch nur in der Nebenrolle des Epps, die es allerdings in sich hat und einen starken Schauspieler verlangt.
Die Hauptrolle wurde Chiewetel Ejiofor zugedacht, der nur schwer gegen die Konkurrenz ankommt. Er ist unter ihnen nicht gerade ein mimisches Wunder und trägt sein beinahe eingefroren trauriges Gesicht durch den Film.
Fies gut gelingt Paul Dano seine kurze Rolle als schlitzohriger Schreiner und Sklavenquäler Tibeats. Seine Qualitäten bewies er schon in „Prisoners“ als geistig zurückgebliebener Gefangener.
Und schließlich darf Brad Pitt den guten Samariter spielen (aber nicht wie in „Burn After Reading“). Samuel Bass, der Schreiner aus Kanada, steckt plötzlich in der Geschichte und beschäftigt vor allem den Zuschauer zu wenig.
Selbstverständlich darf das Tränendrüsenhappyend à la Hollywood nicht fehlen. Muss der Kinokunde darin gebadet werden? Kann die Reise des Solomon Northup für das Publikum nicht vor der Haustüre enden? Weil die Leinwandgeschichte das Gefühl von 12 Jahren Abwesenheit nicht geben kann, stellt sich diese Frage schon, um einen Film zu retten, der sicherlich den einen oder anderen Vergangenheitsbewältigungs-Oscar verliehen bekommt.