Da sind sie, der Haufen Arschlöcher, den uns Marvel versprochen hat. Ein Film, der so erfrischend unkonventionell und kunterbunt daherkommen soll. Und vor dem sich immense Erwartungen aufgestaut haben. Dem gewaltigen Zyniker unter den Komödianten, James Gunn (Super – Shut up, Crime), erteilt man die auf den ersten Blick nicht ganz so prestigeträchtige Aufgabe und im sich verselbständigenden Hause Marvel kann es dank des enormen Erfolgs der letzten Jahre auch völlig egal sein, was der auf dem Papier erscheinende Filmbastard "Guardians of the Galaxy" qualitativ hinlegt. Bei der milliardenschweren Marke ist es nur der dezente Mut zum Risiko. Aber er zahlt sich aus: Die ausgeklügelte Vorbereitung Gunn's und die im Cinematic Universe nur marginal angesprochenen Einschränkungen, die ihm Stratege Kevin Feige auferlegt hat, lassen die "Guardians" voll zur Entfaltung kommen. Gunn's Film ist quietschbunt, frech, vorlaut, richtig schön schief für einen Blockbuster dieser Marke, aber vor allem auch richtig, richtig gut.
Es ist im Vorfeld schon erstaunlich gewesen, dass Joss Whedon die "Guardians of the Galaxy" für sein nächstes Großprojekt "Age of Ultron" erstmal so gar nicht gebrauchen konnte. Aber dieser Quasi – Persilschein ist eine begrüßenswertes Arbeitsvisum für den Regie – Querkopf Gunn und eine wegweisende Chance, die man dem Briten Edgar Wright mit seinem Projekt "Ant-Man" offensichtlich nicht geboten hatte.
Und so legt Gunn nach kurzer Exposition auch los wie die Feuerwehr. Und jajaja, die
augenrollenden Menschen, die im Vorhinein bekundeten, "2015 werden sie alle sagen, die "Guardians" sind mehr "Star Wars" als Episode VII" dürften dabei nicht zwingend falsch liegen. Vieles deutet Gunn hier retrospektiv an und strukturiert sogar einige Szenen danach (wer kennt nicht die zwei vorbeifliegenden Kreuzer, die so ziemlich jeden Szenenbeginn auf Coruscant eingeleitet haben), aber er erwehrt sich hier locker jeder Kopie und bringt dem zentralen Planeten seines im Mittelpunkt stehenden Universums, sogar einige kreative Unterbauten. Vor allem die Einheiten von Prime Nova legen mit ihren Sternenschiffen und matrizenartigem Verteidigungsschirm einen sehenswerten Auftritt hin, zudem agieren scheinbar austauschbare Nebenrollen wie John C. Reilly oder dem süffisant dreinschauenden Peter Serafinowicz, die in jedem anderen Film lediglich Katalysatoren oder vielleicht sogar Banthafutter wären (Okay, ab hier verkneif ich mir Star Wars – Vergleiche) in diesem bunten Rollengemisch auf unterhaltsamem und kurzweiligem Niveau.
2012 hat Whedon die scheibar unmöglich erscheinende Aufgabe bewältigt, aus einem Haufen zusammengewürfelter individueller Superhelden eine eingeschworenen Truppe zu formen. Das Kunststück gelingt Gunn in seinem knappen Zweistünder auf mindestens ebenso verblüffende Weise, "Guardians of the Galaxy" ist dabei ein Film geworden, der sich dabei vor allem durch seine Teamstruktur definiert:
Das beginnt mit Identifikationsfigur Peter Quill, dem Han Solo (sorry) der Truppe. Nicht auf den Mund gefallen verkörpert der sich selbst verlautende "Star Lord" den verwegenden Sympathisanten, manchmal etwas erzwungenen Weiberhelden, vor allem aber frechen Dieb mit dem Herz am rechten Fleck. Sein Charakter ist nicht neu, aber enorm effektiv in Szene gesetzt und bedient darüber hinaus als Kreuzung zwischen Indiana Jones und Tom Sawyer einige erinnerungswürdige Figuren der Popkultur. Apropros Popkultur: Neben filmischen, zumeist sogar direkten Zitaten wie beispielsweise "Footloose", macht der mittlerweile zum Downloadhit avancierte "Awesome Mix Vol. 1" seinem Namen alle Ehre und weist mit interessanten Genrevertreter der 80er wahre Klassiker auf. Nebenher stellt er das sperrige und wummernde Marvel – Monster – Theme mit basslastigen Streichern locker in den Schatten, das sich zwischen "Captain America", "Thor" und eben diesem Film auch wirklich nur dezent differenziert.
Quill's Truppe findet im Laufe des Films zueinander und das sprichwörtliche "Der Weg ist das Ziel" passt hier wie die Faust auf's Auge (Ich neige heute zu Wortgirlanden). Gutmenschen sucht man unter den heranwachsenden "Guardians" vergebens, der sanfte Groot fällt hier aus dem Raster. Gamora ist Assassinin, Drax, sprichwörtlich ein "Zerstörer" und der Szenendieb Rocket, der sämtliche animierten Gestalten der Filmgeschichte, in den Schatten stellt und sogar Seth McFarlane's "Ted" in Sachen Ironie aussticht, ein Kopfgeldjäger. Hier geht sich alles kreuz und quer, drunter und drüber an den Kragen und in brenzligen Situationen wird auch mal ganz ungalant und frech die Kurve gekratzt, aber der Film vermeidet es auf unfassbare Weise, seine empathische Wirkung zu verlieren. Die fünf raufen sich zusammen, um sich letztlich dann doch dem unsagbar Bösen zu stellen.
Auf der Antagonisten – Seite schwächelt "Guardians of the Galaxy" dabei ein wenig, aber das fällt aufgrund des entwaffenden Charme seiner Helden kaum ins Gewicht. "Ronan der Ankläger" ist zwar personifiziertes, und wohl auch eher eindimensional erscheinendes Übel, aber es müssen ja auch nicht andauernd galante Zyniker (Loki) oder polarisierende Running – Gags (Mandarin) sein, die die gut portionierte Spielzeit ohnehin nur unnötig gestreckt hätten.
Seine tiefergehende Verständigung mit dem Publikum erarbeitet sich "Guardians of the Galaxy " erstaunlicherweise nicht nur mit dem wirklich einzigartigen Gespür für Wortwitz, Slapstick und Timing, dass hier zeitweise sogar besser als bei den "Iron Man" – Filmen funktioniert, sondern auch mit Gunn's wohldosierter Entschleunigung.
Hier nutzt Gunn, der es fast in jeder Szene schafft, seinen inszenatorischen Stempel aufzudrücken, die romantischen Bilder und transzendenten Lichtbrechungen des Weltalls inmitten implodierender Sterne als emotionale Momente mit unerwartet starker Sogwirkung. Physikalisch macht hier nicht alles Sinn, aber das interessiert in dem beispielsweise packenden Rettungsversuch von Quill und Gomorra keine Sau. An einigen besonderen Stellen oder den atemberaubenden Naturspielereien Groots lässt sich eine viel innigere Beziehung zum Stoff erkennen, als man es Gunn und überhaupt einem Comic – Blockbuster zugetraut hätte. Technik, Regie und endlich mal wieder sinnigere 3D – Effekte generieren hier tatsächlich magische Momente.
Im fulminanten Endkampf, dem man mit einem lachenden und einem weinenden Auge leider Gottes nicht das "Höher, schneller, weiter" – Credo Marvels absprechen kann, knallt es dann nochmal gewaltig, obwohl die Dosierung des Actionanteils zuvor absolut ansprechend war. Hier passiert einiges genretypisch, so weiß zum Beispiel jeder, dass Gomorra mit ihrer Halbschwester Nebula kämpft und eine obligatorische Hand-an-der-Klippe – Szene darf auch nicht fehlen, nichtsdestotrotz streut Gunn auch hier wieder die gute Mischung zwischen individuellen Action – Moves und überraschenden Lachern ein. Sowieso ist es auch das Momentum der Überraschung, dass den Showdown gegen Ronan so absurd unterhaltsam macht.
Fazit: "X-Men", "Spiderman", "Godzilla" – die Liste der potentiellen Blockbuster – Könige des Jahres war gut bestückt, aber Gunn's rotzfreches Comicevent lässt seine Vorreiter wie in die Jahre gekommene Billigware aussehen, die unter Inspirationsarmut leiden.
"Guardians of the Galaxy" dagegen ist ein humoristisches Feuerwerk und gut kontruiertes Außenseiterepos mit eigenem Antrieb und emotionalem Unterbau. Im Internet kursieren zurzeit Filmposter des Films mit Überschriften wie "If you haven't seen this movie, go watch it immediately." Ich lass das mal so stehen. Und setz' ein Ausrufezeichen drunter.