Spezialeinheit begibt sich in Hochhaus voller Feinde und tötet alle.
Im Großen und Ganzen lässt sich die „Handlung“ von „The Raid“ so noch nicht einmal allzu grob zusammenfassen. Nach einem unnötigen Prolog in dem die recht charakterfreie Hauptfigur als werdender Vater eingeführt wurde sieht man die Spezialeinheit bereits auf dem Weg zu besagtem Hochhaus, in welchem ein Gangster-Boss sitzt der sich mit einer Art Privatarmee umgibt und den es zu verhaften gilt. Kurz nach Eindringen der Spezialeinheit gerät diese natürlich in einen Hinterhalt, wird erheblich dezimiert, setzt sich aber auch sofort zur Wehr und ab dieser Szene herrscht in dem Gebäude quasi Krieg.
Zu Anfang macht der Film jedoch trotz minimalistischer Handlung tatsächlich den Eindruck noch wirklich gut werden zu können. Allein schon der köstlich zynische Aufruf des Bösewichts zur Ausmerzung der Eindringlinge dürfte für ein breites Grinsen auf den Gesichtern der meisten Kinobesucher sorgen. Kurz nachdem dann klar wurde dass von außen keine Hilfe zu erwarten ist und das erste größere Feuergefecht stattgefunden hat müssen sich die Polizisten zunächst in eines der Apartments zurückziehen und die Türe mit allerlei Gerümpel verstellen, während die feindliche Übermacht von außen einzudringen versucht.
In und ab dieser Szene wird auffällig viel mit Horrorelementen gearbeitet, was durchaus gut ankommt. Hier wird ernsthaft Spannung aufgebaut die der Film in der folgenden halben Stunde auch gut zu halten vermag. Suspense wird ebenso effektiv eingesetzt wie das Motiv der gesichtslosen, bedingungslos gewaltbereiten feindlichen Übermacht, gegen die sich eine verloren wirkende kleine Gruppe auf Leben und Tod verteidigen muss. Dabei wird teilweise recht clever und effektiv vorgegangen, so dass man als Zuschauer auch wirklich Spaß hat, und der durchgehend sehr gelungene Musik- und Toneinsatz vermag in diesen Szenen auch besonders positiv aufzufallen.
Das Einweben von Horrorstilmitteln in einen Actionfilm ruft auf durchaus angenehme Art und Weise Erinnerungen an den Western „Rio Bravo“, oder noch viel eher John Carpenters Quasi-Remake „Assault on Precinct 13“ und George A. Romeros ebenfalls Handlungsähnlichen „The Night of the Living Dead“ hervor.
Durch die effektiv geschaffene, klaustrophobische Atmosphäre und den Plot an sich findet man während der besseren Momente von „The Raid“ den nahesten Verwandten jedoch im reinen Horrorgenre, nämlich in Neil Marshalls „The Descent“. Das labyrinthähnlich wirkende, mit unmenschlich brutal agierenden Kämpfern bevölkerte Hochhaus stellt kaum einen Unterschied zu der von Monstern bewohnten Höhle dar. Was ebenfalls an Marshalls Schocker erinnert ist die anfänglich angedeutete Nebenhandlung um den zwielichtigen Lieutenant, der den Einsatz leitet.
Wer bis zu diesem Punkt die Assoziationen mit „The Descent“ bereits im Kopf hatte hofft hier unweigerlich auf eine durch subtile Hinweise und Dialogfetzen nachvollziehbar erzählte Nebenhandlung über dem eigentlichen Hauptplot, der die Hauptfiguren zu unvorhersehbaren Handlungen verleitet, und hier macht Drehbuchautor und Regisseur Gareth Evans einen seiner wohl größten Fehler, indem er diesen Ansatz nicht gebührend nachverfolgt und es so verpasst, seinem Gemetzel vielleicht sogar eine Art Sinn zu geben.
Der Spannungshöhepunkt kommt dann leider bereits nach ungefähr der halben Spielzeit, in dem sich die Hauptperson mit einem Schwerverletzten in einer Art hohlen Wand versteckt, während einige Feinde das Apartment, in dem besagte Wand ist durchsuchen und plötzlich einer auf die Idee kommt, dass hinter der Wand etwas sein könnte.
Nach dieser Szene wirft Evans dann ärgerlicherweise alles, was er bisher so gut aufgebaut hatte, über den Haufen und verliert sich in einer einzigartig brutalen, aber vollkommen sinnentleerten Martial-Arts-Orgie. Es werden am laufenden Band Kämpfe mit bloßen Händen ausgetragen, mit Messern, Macheten, Schusswaffen verlieren zum Ende hin zusehends ihre Bedeutung, stattdessen werden Leute zerhackt, Genicke gebrochen, Köpfe an Wänden zertrümmert, Hälse zertreten und ähnliches, dies aber so inflationär, dass es richtiggehend langweilig wird, nachdem sich die unfreiwillige Komik erschöpft hat.
Jene Prügelschlachtplatte findet ihren Höhepunkt dann im Kampf gegen einen „Mad Dog“ genannten Mann, der Spaß daran gefunden hat seine Gegner mit bloßen Händen und seinen beeindruckenden Kampfkünsten zu töten. Diese Sequenz ist auffallend stark durchchoreographiert, spektakulär gefilmt und ziemlich hart, im entsprechenden Film also annähernd perfekt inszeniert, mit einem kleinen Manko: Sie dauert ungefähr zehn Minuten. So schön anzusehen und beeindruckend das alles auch anfänglich und in der der ultrabrutalen Endphase sein mag, so langweilig ist das ganze trotz atemberaubender Bewegungen im Mittelteil, weil es einfach viel zu lange dauert. Nichts desto trotz dürfte der Szenenapplaus nach Beendigung des Kampfes fast obligatorisch, und vielleicht noch nicht einmal ganz unberechtigt sein.
Endgültig vorbei mit allem Guten ist es dann aber, wenn im Film geredet wird. Nicht nur, dass einen außer der Action bald ohnehin gar nichts mehr interessiert, die Dialoge sind so unfassbar abgedroschen, absurd, platt und in sich zusammenhangslos, dass man nur noch den Kopf schütteln oder bestenfalls wenigstens lachen kann. Hinzu kommt noch eine so miese Synchronisation, dass jede Szene der zweiten Hälfte, in der gesprochen wird, so derartig erbärmlich schlecht ist, dass man kaum glauben möchte hier etwas ernst Gemeintes anzusehen.
In der Endphase des Films kommt dann plötzlich wirklich eine Geschichte hinzu, die sich allerdings primär auf die familiären Verhältnisse der Hauptperson bezieht, komplett unnötig ist und einfach nur langweilt. Die Potentialhaltige, angedeutete Nebenplot um den Lieutenant bleibt stattdessen unnachvollziehbar und so bedeutungslos.
Letztlich verlässt man den Kinosaal dann doch irgendwie mit einem Grinsen oder sogar lachend, einfach weil der Film anfänglich auf gelungene, zum Schluss hin auf unfreiwillig komische Art und Weise doch irgendwie meistens unterhalten konnte. Nichts desto trotz bleibt am Ende hauptsächlich der Ärger darüber, dass hier eindeutig die Chance verpasst wurde, aus einem unterhaltsamen einen richtig guten Film zu machen. Bei all seinen inszenatorischen Kompetenzen sollte Gareth Evans das Skript für seine nächste Arbeit wohl doch lieber an einen anderen abgeben, denn die Dialoge sind schlicht unter aller Sau und am Ende macht der zu Beginn horrorähnliche Actionfilm auch den klassischen Horrorfilmfehler: Er versucht Handlung und Spannung durch Gemetzel zu ersetzen, was, wie man schon lange weiß, einfach nicht funktioniert.
Es ist sehr selten, dass das direkt nach einem Original wirklich gesagt werden muss, doch „The Raid“ hinterlässt neben aller Belustigung und Verärgerung tatsächlich auch den Wunsch nach und die Vorfreude auf ein hypothetisches, amerikanisches Remake, denn das Potential zum Genremeisterwerk ist da. Evans hat es vor allem in der zweiten Hälfte seiner indonesischen Produktion nur leider definitiv nicht mehr geschafft, es auch nur halbwegs angemessen auszuschöpfen.
Schade!