Der niederländische Regisseur Anton Corbijn („The American“) hat mit Stars diverser Nationen in Hamburg einen Spionage-Thriller gedreht und mit dem Titel „A Most Wanted Man“ auf die Leinwand gebracht. John le Carré hat die gleichnamige Vorlage (deutscher Titel: „Marionetten“) für das Drehbuch geschrieben und ist - bald ein 83-jähriger Engländer - Verfasser vieler verfilmter Werke, z.B. „Der ewige Gärtner“, „Dame, König, As, Spion“, „Der Schneider von Panama“. Das sollte für 122 Minuten Kino als Anlockmittel genug sein.
Der most wanted man ist ein Tschetschene, der sich Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) nennt und illegal nach Deutschland einreist. Gleich mehrere Geheimdienste interessieren sich für ihn, insbesondere Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman). Hilfe bekommt Karpov von der Rechtsanwältin Annabel Richter (Rachel McAdams) und dem Banker Thomas Brue (Willem Dafoe).
Das Hamburger Grau gibt diesem Film die Farbe, in die er getüncht ist. Die Kamera befindet sich überall und führt den Zuschauer jeder wichtigen Figur der Story hinterher. So wird er als einziger (beinahe) allwissend. Das ist sicherlich die geeignete Methode, um nicht alles im Hamburger Nebel zu belassen, wo es doch eh vieles zu entblättern gilt. Die größten Anteile der Spielzeit haben jedoch Günther Bachmann und sein Team (u.a. Nina Hoss, Daniel Brühl), die bei ihrer Ermittlungsarbeit gezeigt werden. Und allmählich - der Film ist somit geschickt zusammengesetzt - kommt einiges ans Licht. Im Halbdüsteren bleiben die wahren Absichten der Akteure anderer Organisationen; der Zuschauer steht hier lediglich auf der Wissensebene von Bachmann. Dies ist ein guter Einfall zur Konstruktion dieses Thrillers und trägt zur Spannung bei, die auch diejenigen Kinogänger erwischt, die müde von der Arbeit den Weg unters Flimmerlicht gefunden haben. Etwas verärgert werden dann solche sein, die sich auf die englischsprachige Originalversion eingelassen haben. Das Englisch ist entsetzlich gut zu verstehen, fast farblos und damit unnatürlich sauber. Offensichtlich haben sich die Produzenten dazu entschlossen, englischsprachige Darsteller in Rollen Deutscher englisch sprechen zu lassen.
Action? Fehlanzeige! Fehlt aber nicht zur Vollendung des Films, die durchaus gelungen ist. Einige wenige Szenen mit Gewaltdarstellung im Intrigenspiel zwischen den Geheimdiensten sind dann doch zu brav in der Bebilderung mit dem Ergebnis FSK 6.
Immer mehr werden die Interessenkonflikte der beteiligten Ermittler-Parteien in den Vordergrund und Karpov an die Seite geschoben. Bachmann kämpft in alle Richtungen, muss um die Kontrolle bangen. Dafür benötigt Corbijn einen Schauspieler mit Weltklasse und hat ihn mit Philip Seymour Hoffman bekommen. So sieht der Zuschauer Bachmann an, was in ihm vorgeht, dass ihn die Angelegenheit auffrisst und bleibt bezüglich der Konkurrenz unwissend wie er.
Ein großes Ensemble hat der Regisseur um sich geschart, beinahe ein zu großes, um deren Qualitäten auf die große weiße Wand zu bringen. So dürfen Robin Wright und Willem Dafoe hinter ihren Möglichkeiten bleiben. Rachel McAdams spielt einfühlsam in gut inszenierten Einstellungen die radfahrende Rechtsanwältin in Jeans und Nina Hoss beeindruckt trotz geringer Bedeutung für den Plot mit düsterer Ausstrahlung. Rainer Bock und Daniel Brühl sind gleichmäßig unscheinbar. Das kann jedoch nicht an den schauspielerischen Talenten der kinoerprobten Akteure liegen, denn wo der eine ein großes Tier bei welchem Geheimdienst auch immer mimt, ist der andere nur ein Assi von Bachmann.
„The American“ hat der Niederländer mit mehr Ruhe, ähnlich wenig Action und trotzdem mit mehr Kribbeln inszeniert. Die Handschrift vor Corbijn ist erkennbar, doch er durfte für „The American“ einen kleineren Schauspielerstab lenken.
Und zum Ende darf jeder in den Reihen vor der Leinwand sich selbst beantworten, wer der most wanted man wirklich ist und feststellen, dass der deutsche Titel der Drehbuchvorlage für den mit kleinen Schwächen spannend inszenierten Thriller gut gewählt wurde.