"Hang me, oh, hang me, and i'll be dead and gone."
So besingt Hauptdarsteller Oscar Isaac die Wiederkehr der Coens auf die Bühne des amerikanischen Folks neun Jahre nach "O Brother, where art thou?". Und dabei machen die handwerklich wahrscheinlich talentiertesten und künstlerisch anspruchvollsten Regisseure der Gegenwart eine erneut ausgezeichnete Figur. "Inside Llewyn Davis" ist natürlich entbunden von schwerem Handlungsgerüst, ein eigentlich tragisches Drama, leichtfüßig und unvorstellbar humorvoll inszeniert, dabei allerdings dem Zeitgeist des Folks erstaunlich nah.
Coen's Llewyn Davis hat, wie so oft, ein reales Vorbild, den Folksänger Dave van Ronk, der damals bekannt dafür war, alles Gute, was ihm wiederfuhr, in den Sand zu setzen. Und als Vorbild des Mannes zu fungieren, der auch in "Inside Llewyn Davis" einen passenden und wirkungsvollen Schlussauftritt hat: Bob Dylan.
Dennoch, wenn man die Coens kennt, dann weiß man, dass sie ihre Charaktere weder als Parodie noch als Hommage anlehnen, sie konstruieren eigene Geschichten. Und so ist Llewyn Davis ein denkwürdiger Charakter, inmitten des geschichtlich und musikalisch damals noch nicht so bedeutenden Gaslight Cafe in New York, ja geradezu das Paradebeispiel der damaligen Folkbewegung um 1961.
Denn Llewyn Davis muss sich hier zu seinem sichtlichen Unbehagen mit dem Kampf von Kunst und Kommerz auseinandersetzen, in einer Ära in der Künstler wie eben jener Llewyn Davis lieber auf der Straße lebten anstatt ihre Werke zu verraten. Dabei lernt er alsbald die Macht des Geldes kennen, wenn seine Platten nicht gekauft werden, was ist seine Musik dann noch wert?
Die Coens wählen den Ansatz, ihre Plotlinie beinah unmerklich nebenher laufen zu lassen, um sich der Seele des Folks anzunähern und die wohl besten Dialoge des Filmjahres auf die Filmleinwand zu bringen. Llewyn Davis' verzweifelte Situation, die Schwangerschaft seiner deutlich angesäuerten Ex – Freundin und die musikalische Lage bringen Darsteller Oscar Isaac aber auch in irrwitzige Situation, in denen der surreale und lakonische Humor der Coens durchscheint, ehe das Konzept zu einer Art Roadtrip hin gewendet wird.
Hier dürfen der großartige John Goodman, Stammschauspieler bei den Brüdern, als in die Jahre gekommener Jazzsänger Roland Turner mit seinem "Fahrer" Johnny Five (Garrett Hedlund), einem verbitternden Poeten ihr irrwitziges Potential offenbaren.
Zum meisterlichen Gesamtpaket der Coens gehört wie immer auch ihr gut ausgewählter Stab. Stammkameramann Roger Deakins, der jahrelang preisgekrönt bei den Filmen mithalf, wird nun von Bruno Delbonnel (Dark Shadows, Fabelhafte Welt der Amelie) ersetzt, die wunderbare Komposition aus ruhiger Optik ohne viel technischem Aufwand, garniert mit einzigartigem "Coen – Touch"(patentiert ;) ) bleibt diesselbe. Wie immer konzentriert sich der Film auch auf ausgewogenes Farbenspiel und wechselt dabei gekonnt zwischen grell-düsterer Färbung (bekannt aus "Fargo" und vor allem bei Schneeszenen ein Augenöffner) und fast schon alltäglich wirkender Graufärbung ("The Big Lebowski") für die Innenszenen ab.
Noch mehr aber steht dieses Mal die musikalische Untermalung im Vordergrund, schließlich handelt es sich um ein Folk – Porträt. Marcus Mumford, Bandmitglied der Truppe "Mumford & Sons", gibt hier einige eingängige sowie nachdenklich stimmende Folksongcover der Extraklasse. Gewissermaßen nimmt er nicht nur die Rolle als Komponisten sondern auch, stimmlich gesehen, Llewyn Davis ehemaligen Bandkollegen, die gemeinsam einen großartigen Titelsong aufbieten.
Doch gilt aller Lob, den dieser Film einspielen wird, vor allem Hirn, Herz und Seele von "Inside Llewyn Davis", nämlich Titelfigur Oscar Isaac. Der sich zunehmende etablierende Schauspieler findet in Llewyn Davis einen Charakter, der für das Sprungbrett Hollywood natürlich wie geschaffen ist, aber seine trockene und süffisante Art, seine allesvernichtende Kritikermimik, wenn ihm die gebotene Musik mal missfällt und seine passende, kratzige Folkstimme belegen eine der großartigsten Schauspielerleistungen des Jahres. Zudem kann der Mann auch noch Gitarre spielen.
Carey Mulligan, zuletzt dank Rollen wie "Great Gatsby" und "Drive" auf dem Vormarsch hat zwar eine kleine Rolle, ist als Davis' kratzbürstiger Gegenpart aber genau richtig. Sowie die Rolle von Justin Timberlake, der hier sowas wie die Repräsentation der Überkommerzialisierung spielt (ob er wohl gewusst hat, dass er sich quasi selbst parodiert!?), dass allerdings mit enormer Spielfreude und einem Lied, welches er nebenbei mit Llewyn spielt, dass an Ironie wohl den Vogel abschießt. Neben den erwähnten Garrett Hedlund und John Goodman, der immer großartig ist, fällt noch Adam Driver's Al Cody besonders heraus. "Musst du nicht neu programmiert werden?" sagt Oscar Isaac an einer Stelle zu ihm und spielt auf Al Cody's, übrigens natürlich in der Army, stakkatohaftes Verhalten an, dass an eine "Forrest Gump"-Parodie erinnert.
Gegen Ende verraten die Coens dann noch ihren interessanten Twist in der Handlung, den sie vorher wieder handwerklich perfekt ausgearbeitet hatten und unter Anspielungen und Metaphern (welche Rolle die Katze spielt, wird wohl keiner mit Bestimmtheit sagen können) versteckt haben.
Denn so singt Davis wie zu Beginn ganz handlungsgetreu:"Fare thee well, my honey, fare thee well."
Fazit: Joel und Ethan Coen kehren mit "Inside Llewyn Davis" auf die große Bühne zurück und die Zuschauer werden ihnen wohl mehr zujubeln als ihrer Titelfigur. Ihr neuster Film ist das subtil inszenierte Porträt eines Folksängers, der gegen die Widrigkeiten des Lebens kämpft. Ein typischer Autorenfilm der gleichermaßen düster wie erheiternd ist, ein Werk, dass vor allem als Denkmal für die musikalische Bewegung der 60er und 70er gereicht wurde, und eine Mischung, wie sie wohl nur zwei Menschen hinkriegen würden. Einer fängt mit C an.