Was für ein unglaublicher Film! Die Filme der beiden Regisseur-Brüder gefallen mir durch die Bank weg, aber ich glaube, mit "Calvary" (ein viel besserer Titel, daher nutze ich das Original) hat sich John Michael McDonagh übertroffen. Erzählt wird von Moral, aber eben nicht in einer erhobenen Zeigefinger-Weise, sondern fast schon gnadenlos: Die einzig wirklich gute Person im Dorf soll also sterben? Für die Verwerfungen anderer? Der krimihaft anmutende Plot ist dabei gar nicht so entscheidend, denn "Calvary" ist in seinen Einzelszenen dann eher zu symbolisch und mit manchen Auslassungen bedacht. Daher kann man kaum mitraten. Darum geht es aber auch nicht. Die Sünden der einzelnen Dorfbewohner, aber auch ihr berechtigter Ärger gegenüber der Institution Kirche, zeigen wie schwierig es sein kann überhaupt eine Gemeinschaft zu bilden, wo doch jeder den Anderen aufrichten könnte, aber eher darauf wartet, dass er oder sie selbst im Mittelpunkt steht. Allein dafür war der Film schon sehr leerreich. Hinzu kommen aber eben noch die zwei sehr politischen Ebenen: Zum einen die erst vor kurzem vergangene Finanzkrise, die Irland ganz besonders traf, und im Film ein Grund für das viele Misstrauen ist; zum anderen - und das noch mehr - der große Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche, der noch immer nicht zufriedenstellend aufgearbeitet ist. Doch was kann Father James für all das? Manche bemängelten, das von Irland gezeichnete Bild sei völlig übertrieben. Das erscheint mir aber nicht so wichtig. Die auftretenden Figuren sind Archetypen, und Irland nur eine Projektion für den allgemeinen Verlust von Glauben - nicht nur dem religiös-christlichen, sondern in Nähe überhaupt.
Klingt alles ziemlich melancholisch? Ja, ist es auch. Aber ebenfalls auch lustig; ein wenig "artsy" und doch mit genügend Bodenhaftung. Ich habe mich zu keiner Sekunde gelangweilt, obwohl der Film schon extrem ruhig ist. Dazu tolle Bilder, Musik und Schausspielleistungen.
Fazit: Einer der besten Filme der letzten Jahre mit einer unglaublich interessanten, symbolisch aufgeladenen, und doch nie überfordernden Handlung.