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Anonymer User
3,0
Veröffentlicht am 12. Juli 2023
Ein Öko Märchen der grausamen Art, an dem Roald Dahl seine Freude gehabt hätte. Pauline und Alex, ein junges, verliebtes Pärchen findet ein Traumhaus in der Provence. Von dem netten Nachbarn Gilles (Pierre Arditi) bekommt Pauline (Armelle Deutsch) eine große Topfpflanze geschenkt. Sie nennt sie Gilou und konzentriert sich von nun an ausschließlich auf dieses Wundergewächs. Alex ist da eher skeptisch und verfolgt seine Karriere. Der nette Herr von nebenan drängt sich immer mehr ins Leben der Verliebten. Streit und zwischenmenschliche Spannungen verschärfen die eheliche Situation. (z.B. getrennte Schlafzimmer!) Misstrauen und Eifersucht bestimmen das heimische Ehe Klima. Dagegen verstehen sich Gilles und Pauline immer besser. Nur über seine verstorbene Frau spricht der Alte mit niemandem. Er beobachtet das Pärchen mit dem Fernglas. Der Schluss ist kryptisch: Gilou wächst sich zu einem Riesengewächs aus, erwürgt Pauline (?), Alex zündet die Pflanze an und erschießt? Gilles. (?) Pauline endet wie Gilles Frau, weil sie so glückliche waren. Alex verkauft das Haus, Gilles beobachtet die neuen Besitzer. Ein echtes Geschwurbel dieses Ende, das sich in den Optionen verliert und mit dem Originaltitel zum lebhaften Aufgalopp bläst.
Leider kommt der gut gemeinte Film schlecht in Fahrt. Bis sich das eigentlich Drama manifestiert, vergehen eben mal 40 Minuten, die auch für den weiteren Handlungsverlauf kaum nützlich sind. Dabei hätte der Stoff es hergegeben. Zum Glück wird es dann spannender und man leidet mit den Protagonisten. Das Ende ist ganz passabel, dennoch wird viel verschenkt bzw wird unter den Möglichkeiten geblieben. Warum arte das zeigt, bleibt rätselhaft.
Während die minutiös präsentierte Naivität des vorgeblich der Bildungsschicht angehörenden Protagonisten-Ehepaares - die Rolle der Pflanze läuft dabei bewusst außer Konkurrenz - dem Betrachter anfangs gehörig gegen den Strich geht, nimmt "Grüne Hölle" in der zweiten Hälfte gottlob deutlich an Fahrt auf. Dabei ersetzt wortlos-botanischer Schrecken das zuvor von den teils hölzern-albernen Ehepaar-Dialogen ausgehende "Grauen". Die Story vom "Brasilien-Setzling", den der böswillige Infiltrator aus der Nachbarschaft einschleppt, nimmt unübersehbare stoffliche Anleihen bei populäreren, aber nicht zwingend subtileren Streifen à la "Invasion of the Body Snatchers". "Grüne Hölle" wirkt nicht aufgrund seines Handlungsverlaufs nach, sondern vielmehr, weil er die Fantasie über Andeutungen und Unbeantwortetes anregt: Hat sich der von Pierre Arditi verkörperte Antipath auf seinen zahlreichen Reisen einem okkult-animalistischen Ritual hingegeben, dessen Ausführung ihn dazu befähigt, "natürliche" Grenzen buchstäblich zu pulverisieren (das Verbrennen eines Fotos von Pauline vor dem Bildnis einer indigen anmutenden Gottheit fördert diese Interpretation)? Will er das Leben liebender Paare deshalb zerstören, weil er selbst einst von seiner geliebten Frau enttäuscht wurde, sich ihrer deshalb unter "pflanzlicher" Zuhilfenahme entledigte und nun dem pathologischen Drang nachgeht, in die Rolle des destruktiven Quertreibers schlüpfen zu müssen? Oder ist die Pflanze gar eine Art wiederkehrende andersstoffliche Reinkarnation seiner verstorbenen Frau, deren Reanimation es erforderlich macht, anderen den Lebenssaft zu entziehen? Der Film scheint eher einer magisch-obsessiv-verhängnisvollen Psychofährte als dem Prinzip der in ein unkonventionelles Gewand gekleideten Gesellschaftskritik zu folgen. Wer die sich bietende Interpretationsvielfalt dazu nutzt, sich auf gedankliche Nebengleise zu begeben und der eigenen Fantasie freien Lauf lässt, dem bereitet "Grüne Hölle" über die teils durchwachsenen, bisweilen fesselnden 91 Minuten hinaus fruchtbaren Boden