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    Zimmer 205 - Traust du dich rein?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Zimmer 205 - Traust du dich rein?
    Von Ulrike Braun

    Was haben das Lied „Zehn kleine Fledermäuse" und der neue Film von Regisseur Rainer Matsutani im Bezug auf ihre Protagonisten gemein? – Es wird immer einer weniger. Im Psychothriller „Zimmer 205 - Traust du dich rein?" erweist sich der unschuldige Kinderreim einmal mehr als ziemlich grausiges Erzählprinzip. Dabei macht es mehr Spaß, das Ende des Lieds zu singen, als das des Films zu sehen. Denn mit der Rückkehr der Fledermäuse wird eine Geschichte rund abgeschlossen, in „Zimmer 205" kommt dagegen niemand wieder, schließlich ist das hier keine Kindergeschichte – und das Publikum bleibt fragend sitzen: Was genau ist da jetzt eigentlich passiert? Ja, das Thema menschliche Psyche ist immer wieder spannend, gerade wenn es dabei um Identitätsfragen geht. Mehr thematische Klarheit hätte dem spannend beginnenden aber schließlich zu schematisch ablaufenden Remake des dänischen Horrorfilms „Kollegiet" von 2007 allerdings gut getan.

    Katrin Nadolny (Jennifer Ulrich) zieht für ihr Pädagogikstudium in ein heruntergekommenes Studentenwohnheim, Zimmer 205. Schnell lernt sie die Clique um den charmanten Christian (Daniel Roesner) kennen und erfährt dabei, dass ihre Vormieterin Annika (Julia Dietze) über Nacht spurlos verschwunden ist. Nach einer Ecstasy-Party landet Katrin mit Christian im Bett – wobei ihr plötzlich Horrorvisionen von Annika erscheinen. Als am Morgen darauf auch noch Katrins Psychopharmaka vernichtet sind und die ersten Entzugserscheinungen einsetzen, hat die Gebeutelte zunehmend Schwierigkeiten, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden. Fortan ist sie sich sicher, dass sie wie Annika von ihrer Clique aus dem Weg geräumt werden soll. Dann aber kommt einer nach dem anderen unter mysteriösen Umständen ums Leben, während der Verdacht des Komissars Urban (André Hennicke) auf Katrin selbst fällt...

    Von Cliquenmitglied Niko (Florian Jahr) erfährt Katrin schließlich die Wahrheit, gemeinsam ziehen die beiden los, um dem Horror ein Ende zu setzen. Doch dieses Ende und die „Wahrheit" bleiben in ihrer Art offen, das Publikum ist auf Spekulationen angewiesen. Stimmungsvoll ist der Film bis zu diesem frustrierend offenen Schluss dennoch. Regisseur Rainer Matsutani, Drehbuchautor Eckhard Vollmar und Komponist Wolfram de Marco – bereits seit der Arbeit am Ochsenknecht-Jr.-Vehikel „Gangs" ein Team – gelingt ein zumindest in der ersten Filmhälfte schnörkelloser Spannungsbogen: Am Anfang steht Katrins freudiger Neueinstieg in bester Feierlaune, dann dreht sich der Wind und es wird zunehmend mysteriöser, ehe „Zimmer 205" schließlich in echten Albtraumgefilden landet.

    Jan Fehse („Heiter bis wolkig", „Tattoo"), der als einer der führenden Kameramänner in Deutschland gilt, fasst die Geschichte in angenehm klare, übersichtliche Bilder, wobei er die Linse bei den Todessequenzen besonders scharf stellt. Der Look wird im Filmverlauf konsequent dreckiger, bis Blut und Schlamm den Farbton angeben und Stromausfälle die Szenerie in gruseliges Dunkel tauchen. Eine ehemalige, verkommene SED-Parteischule als Studentenwohnheim und ein dunkles Fabrikgelände, das bereits für „Inglourious Basterds" 2009 als Drehort genutzt wurde, unterstützen diesen Wandel in der Atmosphäre enorm, ganz wie de Marcos effektvolle Musik.

    Bis zum dritten Toten zeigt die Spannungskurve steil nach oben – ständig fragt man sich, ob Annikas Geist Jagd auf die Studenten macht oder ob Katrin selbst die Killerin ist. Wenn vor jedem Mord eine Gestalt in roter Jacke erscheint, deren verdecktes Gesicht sich als Horrorfratze erweist, erinnert das durchaus an Nicolas Roegs Klassiker „Wenn die Gondeln Trauer tragen" -und es ist vor allem ein täuschend klarer Hinweis auf den Täter. Zunächst stimmt die Balance zwischen solcher scheinbarer Gewissheit und stets neu entfachter Unsicherheit, doch dabei gewinnt allmählich die Gleichförmigkeit die Überhand. Die Morde werden allesamt auf die gleiche Weise eingeläutet und spätestens wenn Katrins Vater (Hans Uwe Bauer) bei seinem Hilfeversuch ebenfalls zu Tode kommt, wird das „Zehn kleine Fledermäuse"-Prinzip viel zu schematisch abgespult.

    Beim Tod der Nebenfigur Carmen (Inez Björg David) bedient sich Matsutani dann inszenatorisch so überdeutlich im Horror-Genre, dass der Film zu einem recht frühen Zeitpunkt einen sehr eindeutigen Dreh ins Übersinnliche bekommt und praktisch nur noch ein Schluss möglich ist, obwohl doch gerade die Ungewissheit über die Identität des Killers für Spannung sorgen soll. Aber so ziellos die Inszenierung streckenweise wirkt, so überzeugend spielen dafür Matsutanis Schauspieler auf. Besonders stark ist Hauptdarstellerin Jennifer Ulrich („Wir sind die Nacht"), der 2008 mit „Die Welle" der Durchbruch gelang – sie macht ihre Katrin zu einer Sympathieträgerin, der man gern auch durch die verqueren Windungen und Längen von „Zimmer 205" folgen mag.

    Fazit: „Zimmer 205 – Traust du dich rein?" ist ein durchschnittlicher Psychothriller mit Horror-Beigeschmack, dessen Wiederholungseffekte auf Dauer ermüden statt für Spannung zu sorgen. Atmosphärisch dicht und überzeugend gespielt ist Rainer Matsutanis Film dennoch.

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