Es ist schwierig im Horrorgenre innovativ zu sein - besonders dann, wenn die große Innovation des found footage seit dem Innovator "Blair Witch Project" ausgeschlachtet wird. Insofern ist auch "Grave Encounters" keine Offenbarung, aber doch ein starker Vertreter des Horrors. In diesem Fall muss man wirklich sagen: Lasst euch nicht von den schlechten Reviews oder, noch mehr, irgendwelchen miesen IMDB-Zahlen abschrecken! Ich habe zwischen 3,5 und 4 Sternen geschwankt und mich doch für letzteres entschieden.
Denn was macht "Grave Encounters" denn so gut? Zuerst einmal mit gewissem Humor ohne den Film ins Alberne abgleiten zu lassen. Die Finesse besteht darin, dass die Protagonisten ja Teil eines Geisterjäger-Teams sein sollen. Da gibt es Houston, das Medium, das sich über die Blödheit seiner Profession belustigt und überhaupt diverse Schnitte, Anweisungen a la "Das muss jetzt cool wirken". Wie im Vorbeigehen gelingt dem Film damit ein Seitenhieb auf die ganzen Reality-Shows und lässt die Protagonisten irgendwie sympathisch erscheinen. Obwohl nicht von namhaften Darstellern verkörpert und nur schematisch gezeichnet, haben wir es nicht mit den üblichen Teenies zu tun.
Wenn es dann ans Eingemachte geht, versagt "Grave Encounters" auch nicht, da durch diesen Trick mit der "Show im Film im Film" die Charaktere merken, dass hier einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Dabei wird geschockt, dabei wird gezeigt, und dabei wird auch geschrien - wie in anderen Filmen auch. Wie in anderen Filmen auch, wird nicht genau erklärt was es mit dem Spuk auf sich hat, doch es werden sinnvoll Andeutungen gemacht, die eigene Interpretationen zulassen. Auch wenn es noch etwas mehr hätte sein können, kann der Film hier auch punkten - wie zum Beispiel mit der Idee von
einer Art dämonsichem Paralleluniversum in das die Gruppe gezogen wurde.
Und:
Hat sich der weibliche Geist womöglich befreien wollen, indem sie ihren Platz mit der Lebenden tauschte? Wurde der sadistische Doktor als Dämon wieder erhalten? Oder wurde der Dämon schon zu seinen Lebzeiten beschworen, worauf die Worte an der Wand deuten?
- Das bietet alles mehr Stoff zu Spekulationen als man denkt - was gut ist, denn so ist's mehr als nur irgendein Phänomen ohne etwas dahinter.
Einige Schwächen bestehen in manchen Klischees: So teilt sich die Gruppe, wie leider so oft, auf. Das eher selten und auch nicht so plump, doch auf der anderen Seite fragt man sich schon, wieso sie es tun, nachdem sie vorher schon erkannten wie doof das war. Dann auch: Nicht funktionierende Handys und Walkie-Talkies; das übliche Leugnen des Übernatürlichen; schließlich die Frage: Wer hat das alles zusammengeschnitten? Vielleicht ist auch die eine oder andere Szene in der Exposition zuviel.
Fazit: Zu Recht ein kleiner Kulthit! Man kann den Film sicher auch etwas schlechter bewerten als ich es tue, doch das ändert nichts daran, dass es sich hier, anderen Kritiken zum Trotz, um einen sehr guten Vertreter des Genres handelt, der das Rad nicht neu erfindet, aber doch in allen Disziplinen, von den Charakteren über Story/Setting und auch Visuselles punkten kann.