Ein paar Gedanken zu „Bohemian Rhapsody“
Ich habe nun an mehreren Stellen und in Kritiken gelesen, dass es die Leute kritisieren/ dass es ein Problem sei, dass den homosexuellen Beziehungen von Freddie im Film so wenig Platz eingeräumt wurde und wenn dann nur klischeehaft, stereotyp, „verrucht“, schmutzig, dass sein letzter, jahrelanger Partner nur eine Randnotiz sei. Auch dass dazu im Vergleich der Beziehung zu seiner ersten Frau (Verlobten) soviel Raum gegeben wurde. Außerdem sei die Chronologie teils verändert und Sachen weggelassen worden. Ebenso wurde kritisiert, dass es keine expliziten (homosexuellen) Sexszenen gäbe, dass alles viel zu „sauber“ daher käme.
Dazu und darüber hinaus ein paar Gedanken:
Vorab- Bohemian Rhapsody ist ein Spielfilm und keine Dokumentation. Darum wurden Dinge im Sinne der Dramaturgie verändert, hinzugefügt oder weggelassen.
Wenn man ein so buntes Leben in zwei Stunden packen will, MUSS man Schwerpunkte setzen und manches auch ganz weglassen.
Hier wurde die Musik als Schwerpunkt gesetzt, sicher auch, damit der Film in Amerika nicht erst ab 17 Jahren freigegeben wird. (Bisschen Sex = R-Rating in Amerika, in der jetzigen Version ist er dort ab 13 freigegeben, also ein „Familienfilm“. )
Außerdem hatten die noch lebenden Queen-Mitglieder ein Mitspracherecht und wollten augenscheinlich selber in einem guten Licht dastehen und auch Freddies Privatleben nicht zu sehr thematisieren.
Dass sein letzter Partner "zu kurz" kommt, liegt rein praktisch auch daran, dass man sich entschlossen hat, den Film mit dem Live Aid Konzert zu beenden. Darum wurde ja auch die Aidsdiagnose im Film "vorgezogen". Dramaturgisch für mich absolut schlüssig und stimmig. Wie überhaupt der ganze Film.
Ja, man hätte einen ganz anderen Film machen können, mit einem größeren Fokus auf Freddies Privatleben, den Abgründen und Exzessen, so wie es sich z.B. auch Sasha Baron Cohen gewünscht hatte, der u.a. wegen der jetzigen Ausrichtung des Films abgesprungen ist. (Er sollte ursprünglich Freddie spielen, was ich mir damals sehr gewünscht habe, da ich ihn für einen grandiosen Schauspieler halte.)
Aber am Ende des Tages ist es einfach eine Entscheidung zwischen "Arthouse" oder "Kommerz".
Dass man sich bei einem Projekt dieses Ausmaßes für mehr Vermarktbarkeit entschieden hat, ist aus Produzentensicht absolut nachvollziehbar und hat den schönen Nebeneffekt, dass auch sehr junge Menschen in den Genuss von Freddies und Queens Genie und ihrer zeitlosen Musik kommen können, dass ihnen auf absolut mitreißende Weise eine Ära nahegebracht wird und nach dem Verlassen des Films vielleicht unzählige neue Queen-Fans in der Welt rumlaufen.
Ich persönlich empfand es übrigens so, dass viel Wahrhaftigkeit, echte Gefühle, etc. zwischen den Zeilen durchklangen und habe daher z.B. gar nicht empfunden, dass die „Gayszenen“ nur verrucht/ schmutzig waren oder dass der Hetero-Beziehung zu viel Platz eingeräumt wurde.
Von der Erzählstruktur her war es absolut stimmig. Der Bogen hat gepasst.
Rein praktisch hatte die Beziehung mit seiner Verlobten auch so viel Raum im Film, weil während dieser Zeit eben viele musikalisch erzählenswerte Dinge passierten, die Anfänge der Band, erster Plattenvertrag, Tour, etc. und weil die Entscheidung getroffen wurde, einen Großteil des Films mit der Erzählung dieser Anfänge zu füllen.
Freddies Zeit in München wurde z.B. gar nicht groß thematisiert und Barbara Valentin, die eine sehr wichtige Rolle (besonders) später in seinem Leben spielte, ihn bis zu seinem Tod durch Aids pflegte, kam gar nicht vor. Auch dies wird ja in einigen Kritiken beklagt. Damit verglichen kam ja der letzte Lebenspartner "noch gut weg".
Hätte man alle Aspekte gleich stark beleuchten wollen, wäre der Film halt 4 Stunden geworden. Theoretisch wäre es auch sicher interessant gewesen, von seiner Kindheit und Jugend zu erzählen, oder?
Die Kritiken sind somit für mich für sich genommen durchaus nachvollziehbar, nur als FilmemacherIn musst du eben immer eine Entscheidung treffen. Manchmal geht sie auf, manchmal nicht und selten machst du alle glücklich.
Das Wichtigste ist, dass man sich selber treu bleibt und am Ende mit dem Werk zufrieden ist. Meine Meinung als jemand, die Kunst macht, die selber Filme macht und machen will.
Für mich ist Bohemian Rhapsody tatsächlich ein Meisterwerk, nicht nur, aber auch wegen der glänzenden Besetzung, allen voran Rami Malik, der eine Oscar würdige Darstellung abliefert und Freddie mit Verständnis und Mitgefühl porträtiert.
Wenn man den Film als das nimmt, was er ist, ein epischer, humorvoller (!) Musikfilm, voller Abgründe, Menschlichkeit, Lust und Zerbrechlichkeit, voller Größe und Verzweiflung, der von unersättlicher Lebensgier und tiefer Einsamkeit erzählt, dann kann ich ihn nur uneingeschränkt empfehlen.
Geh ins Kino (wenn es geht in der Originalfassung), lass Dich mitreißen und anstecken und Du wirst Dich gut zwei Stunden (und vielleicht sogar noch darüber hinaus) wahnsinnig lebendig fühlen.
Ebenso wie es Freddie sich immer für sein Publikum gewünscht hat, dass sich jeder für ein paar Stunden wie ein Rockstar, überlebensgroß, fühlen kann.
Von mir ganz klare 5 von 5 Sternen.