Was zu allererst zu "Chronicle" gesagt werden sollte, ist seine tolle Werbekampagne. Sowas kann in entnervender Dauerberiselung ausarten, so eine Werbung, was hier jedoch geschehen ist, ist schon fast orginelle Kunst. Fast wie einst bei "Cloverfield" und "Distrikt 9" ,wo man beispielsweise mysteriöse Schilder in New York verteilt hatte, geht auch "Chronicle" vor, fliegende Menschen über Großstädten in aller Welt, eine eindrucksvolle Darstellung. Zudem veredeln eine ausgezeichnete Trailer-Idee mit Rückblenden den Gesamteindruck, fordern aber nun einen außergewöhnlichen Film. Und was soll ich sagen: Die Vorarbeit bestätigt das Gesamtkunstwerk, "Chronicle" ist ausgezeichnet authentisch, wie für Found-Footage Filme üblich, wunderbar überzogen komisch, zudem aber auch düster, tiefsinnig und sowohl spannend als auch dramatisch. Der Film ist quasi in zwei Teile gesplitet. Teil 1 beginnt mit dem Schüler Andrew, der Dreh- und Angelpunkt ist und alles aus seiner Sicht filmt, er ist mit seiner sonderbaren Einstellung und Aura oft Opfer für Mitschüler. Sein Vater hält ihn auch für verantwortungslos und undankbar, während seine Mutter im Sterben liegt. Andrew selbst liebt nur seine Mutter, die einzige Person, die ihn nicht maßregelt oder runtermacht, ja sogar stolz auf ihn ist. Nach der sonderbaren Begegnung mit dem Kometen (!) raffen sich die 3 Finder zusammen und Andrew ist erstmals Teil einer Gruppe. Er zeigt sich den anderen gegenüber zunächst sehr offen, sensibel, aber auch immer angriffslustiger. Der erste Teil des Films wird vor allem durch die relativ harmlosen Streiche und Späße der Jugendlichen gekennzeichnet. Alles Witze auf jugendlichem Niveau, aber trotzdem mit hohem Spaßfaktor und entfesselnder Komik. Zudem lässt man sich als Jugendlicher, aber auch älterer Generation, von der Sache mitreißen, bis Andrew ausartet und fast (ausversehen) einen Menschen tötet. In dem Moment wandeln sich Charaktere und Atmosphäre, die Charaktere zeigen ihre wahren Absichten. Andrew, stets gedemütigt, spielt seine Karten langsam voll aus, und man kann es ihm als Betrachter zunächst auch nicht verdenken. Dennoch verliert er irgendwann völlig die Kontrolle. ---- Der Regisseur beweist mit seinem Wackelkamera – Superhelden Film ein gutes Gespür für seine Schnitte. Die Kamera wird nur in, auch für Außenstehende, sinnvollen Szenen mitgeführt, wichtige Gespräche werden zwar aufgezeichnet, vieles wird aber auch nicht gezeigt und muss erdacht werden, das lässt den Zuschauer schonmal gehörig nachdenken, unterfordert ihn dadurch aber auch nicht. Die Schauspieler spielen sehr befreit und gerade deswegen so authetisch, es wird oft durcheinander geredet und die teils pubertären Witze zeugen von schauspielerischer Freiheit. Das Drehbuch ist zudem auch in der Lage, die drei "Superhelden" unterschiedlich darzustellen und deren Charakter zu entwickeln. Der ganze Film artet dann gegen Ende noch in einer phänomenalen und für das Budget außergewöhnlich spektakulären Schlacht aus, die dem rund um gelungenen Superhelden – Drama eine würdiges Ende verleiht. Und wenn dann Matt und Andrew, blutverschmiert und in zorniger aber stets glaubwürdigeren "Anakin Skywalker" Manier, voreinander in der Luft schweben, beleuchtet durch die Scheinwerfer eines Helikopter, kommt man an einem "Wow, das ist nicht nur gut inszeniert, sondern auch verdammt cool" nicht umhin. Alles in allem ist "Chronicle – wozu bist du fähig?" einer dieser Independent – Granaten, die immer mal wieder die Kinos aufsuchen und mit ihren neuen Ideen und Inszenierungsmethoden zu Insider-Hits werden. Chronicle ist nicht nur auf dem Weg, das beweist schon das amerikanische Einspielergebnis, es ist noch ein Stückchen weiter und wenn man dann das Kino verlässt, kommt einem tatsächlich die Frage:" Ja, wozu wärst du eigentlich fähig?"