Nach "Hugo Cabret" habe ich mir dann auch mal den 2.Film, der dieses Jahr den Stummfilm und die Anfänge des Kinos ins Zentrum stellt, zur Gemüte geführt. Und zudem sind die beiden fast ironischerweise auch direkte Konkurrenten um die Oscars mit 11 und 10 Nominierungen. "The Artist setzt dabei sogar auf einen direkten Stummfilm in schwarz - weiß. Ein gewagtes Unterfangen, vor allem in Hinblick auf die möglichen Einspielergebnisse, bei niederer Qualität des Filmes wäre eine Finanzierungskatastrophe unabdingbar gewesen, wäre, denn Hazanavicius' Film ist in diesem Jahr in Hinblick auf seine Mitfavoriten, wenn auch von mir unvorhersehbar und kaum zu erfassen, nicht zu schlagen.
Der Zuschauer ist verwirrt, zu Anfang, und noch ein ganzes Stückchen weiter, denn der Film beginnt schon mit einer für einen Stummfilm typischen ochestralen Präsentation schwarz-weißer Credits. Hauptdarsteller Dujardin schlüpft auch sofort in einem seiner Filme in die Rolle eines Stummfilmprotagonisten im Jahr 1927. Da ist schon die erste orginelle Idee, Hazanavicius Film bedient sich in seinem Film der Idee des Ende der Stummfilmära. Man kommt so als Zuschauer am Anfangs mächtig ins Grübeln, Trennungen vom Film und dem Film im Film sind schwer zu finden, zudem keine Erklärungen gegeben werden, da es sich schließlich um einen Stummfilms handelt. Einzig und allein schwarze beschriebene Folien, wie in Stummfilmen üblich, tragen bei den wichtigsten Passagen zum Verständnis des Betrachters bei.
Dujardin wird als selbstgefälliger und stolzer Schauspieler und Star des Stummfilms eingeleitet, George Valentin. Er sonnt sich im Ruhm und der Anerkennung der Leute und strapaziert mit seiner Arroganz schon fast die Nerven des Betrachters, wäre sein komödiantisches Potential nicht unverkennbar, der Stummfilm kommt Dujardin dabei ungemein gelegen, sein Ausdrucksspiel ist überwältigend und auch wenn man zu Beginn vielleicht glaubt, er entpuppe sich als Jim Carrey der damaligen Zeit (sein Mimikspiel wirkt beinah albern), so bleibt er doch stets dem Geist des Stummfilms treu und offenbart erst in der 2. Hälfte des Films seine schauspierischen Fähigkeiten. Sein Spiel außerhalb und innerhalb seiner Filme verschmelzen oft und so bleibt er zunächst heiter und überschwänglich. Ihm zur Seite gestellt wird die junge Peppy Miller (Berenice Bejo), die durch Zufall an einem seiner Filme beteiligt, beim Umschwung zum Tonfilm zum Star der neuen Szene avanciert. Bejo spielt von Anfang an das etwas frechere Mädchen von nebenan, jedoch sofort in Valentin verliebt. Den bringen jedoch Stolz und Arroganz zu Fall, er weigert sich die Tonfilm - Idee zu unterstützen und bricht finanziell und psychisch wie ein Kartenhaus zusammen.
Der Film wird immer wieder von der Idee des Stummfilms getragen, doch der Autor weiß auch eigene Akzente zu setzen. So wirkt er beim Film im Film genau so grell und grotesk wie zu damaligen Zeiten und wird sich damit sicherlich vor allem einigen älteren Zuschauern in Erinnerung bringen, bei seinen realen Szenen aber vertraut er auch auf das Mimikspiel der heutigen Schauspielkunst und einigen gut durchdachten dramatischen Szenen, die aufgrund des außergewöhnlich gut eingespielten Casts so wunderbar funktionieren. So oder so glaubt man nicht selten, würden einem nicht andauernd bekannte Gesichter wie Goodman und Cromwell dazwischenfunken, man wäre in ein Dimensionsloch gefallen. Einzige tontechnische Unterstützung ist die Orchesteruntermalung, die sich wunderbar hervortut, bei höchst dramatischen Szenen, wie der katastrophalen Selbstmordlage, sich aber auch zurücknehmen kann, um den Schauspielern wieder genug Platz einzuräumen. Szenenbilder und Kostüme sind dazu ganz hervorragend gelungen, die das Gesamtbild dann noch abrunden. Außerdem werden einige ironische Toneinlagen gesetzt, die den Zuschauer gleichermaßen verwirren und dann zum Lachen bringen werden, dem Spiel mit abstrusen Ideen werden bei Stummfilmen auch kaum Grenzen gesetzt, die der Regisseur immer wieder locker, dann aber auch gekonnt und teilweise genial, überspringt.
Fazit:
Hazanvicius Film ist ein Stummfilmporträt an längst vergessene Zeiten, die die Präsenz als solches nochmal voll in den Vordergrund stellt. Das hat mit der nicht zu verleugnenden Klasse des Films, aber auch mit dem neuzeitlichen Touch und seinen genialen Grotesken zu tun. Somit macht der Film auch für die neuen Generationen Spass am wiederentdeckten Genre. Hazanvicius' Film gewagtes Projekt schlägt somit voll ein, und seiner Idee gelingt dadurch ein weiterer Treffer gegen die technischen Fortschritte des 3Ds beispielsweise. Somit setzt er "Hugo Cabret", der bei weitem kein schlechter Film ist, das sei nochmals angemerkt, im Nachhinein, wenn auch unbewusst, eine schallende Ohrfeige im direkten Vergleich.
Denn "The Artist" wird nicht den ein um anderen Oscar gewinnen, weil er ein Independent - Film ist (was der Oscar Jury oft und nicht immer unverdientermaßen vorgeworfen wird), er ist einfach der beste Film.