Ein Meilenstein in der deutschen Filmgeschichte!
Der erste deutsche Film, der auch für den Oscar als bester Film nominiert ist? Das gabs noch nie! Aber die Verfilmung („Im Westen nichts Neues“) von Erich Maria Remarques Buch auf Netflix hat es tatsächlich geschafft. Das Kriegsdrama von 2022 unter der Regie von Edward Berger konnte zudem so viele Nominierungen abstauben, wie noch kein deutscher Film zuvor. Auch wenn ich nicht mehr viel auf die Oscars gebe, aber das ist schon mal ein Statement für die deutsche Filmlandschaft. Ich persönlich kenne weder das Buch noch die Verfilmung von 1930 (oder den TV-Film von 1979), ging also völlig unwissend in dieses Werk. Und siehe da: „Im Westen nichts Neues“ ist nicht nur ein sehr kraftvoller Kriegsfilm, sondern vielleicht auch der technisch beeindruckendste Film, den ich je aus Deutschland gesehen habe!
1917, der erste Weltkrieg tobt: Eine Gruppe junger Männer wird als Soldaten an die Westfront geschickt, um gegen die Franzosen zu kämpfen. Die Vorfreude fürs Vaterland zu kämpfen ist groß, doch schnell wird aus dem Patriotismus die pure Hölle auf Erden…
Krieg ist sinnlos und dieser Film zeigt das sehr gut. Vor allem das Finale hat mich wütend auf die Menschen gemacht, die damals die Entscheidungen für Einsätze getroffen haben. Ich bin nicht sicher, inwiefern der Film die Fakten von damals wiedergibt, aber ich schätze mal, dass sich der Film wenig kreative Freiheiten genommen hat, was den geschichtlichen Hintergrund angeht. Und das ist diesmal auch gut so, denn die Story ist alles andere als gute Abendunterhaltung: Der Film zeigt was Krieg ist und das in seiner reinsten Form. Richtig beeindruckend wird dies durch die getragenen Klamotten früherer Soldaten dargestellt. Wenn ein Mann stirbt, wird seine Uniform gewaschen und an den nächsten weitergegeben. Das wird im Film immer wieder aufgegriffen und zeigt kraftvoll, dass das Ganze eher an Fließbandarbeit erinnert. Wenn man dann noch am Ende liest, dass in den vier Kriegsjahren praktisch kein Gebiet wirklich erkämpft wurde, sonder dass die Soldaten nur wenige hunderte Meter vorwärts kamen in dieser Zeit, verliert man schnell den Glauben in die Menschlichkeit!
Sehr schön ist auch, dass man über die einzelnen Figuren, die man im Laufe des Films kennenlernt, wenig erfährt. Hier und da erfährt man mal, welchen Beruf der eine ausübt, aber viele Informationen bekommt man nicht, vor allem der Hauptdarsteller bleibt vergleichsweise blass. Das bedeutet aber nicht, dass die Figuren keine Tiefe haben, im Gegenteil. Durch wenige Dialoge und deutlich mehr Mimik und Gestik erhalten die Charaktere ihre Züge und sind dabei erstaunlich authentisch. Und das bei einem deutschen Film! Mir gefällt das wirklich sehr, „Im Westen nichts Neues“ vertraut auf wenig Exposition und erzählt seine Geschichte vor allem durch imposante Bilder.
Wenn ich was kritisieren muss, dann wäre es der Tod einer Figur gegen Ende. Auch hier wird gekonnt mit der Technik von Wiederholung gearbeitet, da zwei Freunde einen Bauernhof ausrauben und das später wieder tun. So erzählt der Film eine gewisse Repetition, wie eine Maschine die stupide ihre Arbeit macht. Doch der Tod einer Figur erschien mir dann doch etwas sehr unnötig, da die Charaktere im Film einfach etwas klüger hätten handeln können. Ich will nicht zu viel verraten, aber die Figuren gehen absichtlich und ohne wirklichen Grund ein zweites Mal in ein sehr gefährliches Gebiet und das obwohl sie wissen, dass sie bald nach Hause fahren können, da der Krieg kurz vorm Ende steht. Das war irgendwie unnötig und forciertes Drama. Weiterhin hätte ich gern etwas mehr zwischenmenschliche Beziehung zwischen den Figuren gehabt. Da gab es für meine Verhältnisse etwas zu wenige Interaktionen zwischen den jungen Männern, auch wenn der Film nicht wenige Szenen zwischen den Figuren hatte. Vielleicht wären ein paar mehr Dialoge tatsächlich besser gewesen, aber das ist natürlich Geschmackssache.
Was man nicht bestreiten kann, sind die starken Darsteller! Felix Kammerer als Paul oder Aaron Hilmer als Albert haben mich besonders beeindruckt. Es war auch schön, dass ich neben Daniel Brühl kaum jemand kannte. Der Film wollte (wie „Dunkirk“) nicht mit prominenten Gesichtern glänzen, sondern in erster Linie mit starken Darstellern.
Und natürlich müssen wir über die bahnbrechende Optik sprechen. Beeindruckend und sicherlich der beste Aspekt für mich. „Im Westen nichts Neues“ sieht stark aus. Für die Kamera war James Friend verantwortlich. Der schuf eindrucksvolle und bildgewaltige Einstellungen. Vor allem die Kampfszenen sind fantastisch eingefangen und wirken erstaunlich echt und imposant zugleich. Auch die CGI-Effekte sind sehr gut, wie auch der unkonventionelle, tolle Score von Volker Bertelmann. „Im Westen nichts Neues“ von 2022 ist für mich der optisch beste Film, den ich je in Deutschland gesehen habe!
Ich empfehle nur den Film mit Untertiteln zu gucken, da ich immer wieder große Schwierigkeiten hatte die Schauspieler zu verstehen (vor allem Albrecht Schuch als Kat hat mir zu viel genuschelt).
Fazit: Das Kriegsdrama ist am Ende nicht ganz so stark wie andere Vertreter (man denke nur an „Full Metal Jacket“, den eben genannten „Dunkirk“ oder auch den Anime „Die letzten Glühwürmchen“, der das Thema ganz anders angeht), aber ich liebe die Idee hinter dem Film. „Im Westen nichts Neues“ zeigt wie sinnlos ein Krieg ist. Zudem ist das Ganze visuell und soundtechnisch eindrucksvoll gemacht und könnte für mich in Zukunft vielleicht einer der besten deutschen Filme des 21. Jahrhunderts werden!