Die Tour "Di Caprio"...so oder ähnlich könnte man das Survival Drama "The Revenant bezeichnen. Durch fast unmenschliche Qualen schickt Regisseur Alejandro G. Innarritu seinen Hauptdarsteller. Und dieser beweist in meisterhaften Natur Bildern und berauschenden Kamera Fahrten einmal mehr das der Oscar dieses mal nicht an ihm vorbei gehen kann. Zumindest der Darsteller ist für die Auszeichnung überfällig, und wieder erlebt der Zuschauer jede Sekunde dieser Tortour mit. Diesmal reicht es aber "nur" zu einem starken Film, und nicht zu einem Meisterwerk wie "Birdman".
Lubezki, DiCaprio und Innaritu. Als hätte der Präsident der Academy diese drei Namen "mutwillig" gezogen um sie für einen neuen Streifen zu vereinen. Lubezki, zweifacher Gewinner für Gravity und frisch 2015 für Birdman ausgezeichnet, gilt als einer der besten und innovativsten Kamera Leute Hollywoods. Inarritu der spätestens seit "21 Gramm" für Awards gepachtet scheint und eben DiCaprio, der absolute Mega Star und vierfach übergangene ehemalige Hollywood Schönling. Und ja, die drei liefern genau das was von ihnen erwartet wird. Mit einem für Innaritu Verhältnisse üppigen Budget (135 Mio, statt zuletzt 18 Mio), dem Mut zum Risiko und dem neuen und leidenschaftlichem Filme machen könnte man sogar über die harten Dreharbeiten eine eigene, spannende Geschichte erzählen. Und alle holen wirklich das Maximale aus ihrem können heraus, obgleich es dem Plot etwas an Spannung und Tempo fehlt und er deutlich langsamer und weniger verschachtelt ist als etwa Birdman. Die Story spielt auch eine sehr untergeordnete Rolle. Kurz herunter gebrochen geht es um einen Trapper, der Anfang des 19. Jahrhunderts in den Wäldern von einem Bär angegriffen und von seiner Pelzjäger Crew zurückgelassen und für Tot erklärt wird. Auch für seinen Indianer Sohn wird es ohne seine Hilfe schwer, und es gibt natürlich einen Psychopathen dem alles außer sein eigenes Leben egal ist. Und so entwickelt sich ein Drama über Rache, der Rache am Menschen aber auch dem Überleben innerhalb der Natur. Denn im Winter ist es bitter kalt und Supermärkte gibt es auch nicht gerade an jeder Ecke.
Das ist der Grundpfeiler der Story, die sehr schlicht gehalten ist und mit wenig Überraschungen auskommt. Auch die Dialoge wurden weit herunter geschraubt, DiCaprio spricht etwa dreiviertel des Films nicht und auch der Rest vom Cast nuschelt mehr belanglos in sich hinein. Es wird realitätsnah nur das gesprochen was unbedingt nötig ist. Hier kommt der nächste Punkt. "Der Rückkehrer" ist nah an einer Doku dran, alles könnte so oder ähnlich wirklich passieren (Hugh Glass gab es wirklich, die Ereignisse sind an ihn angelehnt) und die Natur Bilder sind für einen Film unüblich extrem real, was daran liegt das man hier nur echtes Tageslicht verwendet hat und in der echten Wildnis gedreht wurde. Dies hat den Dreh Prozess immer wieder nach hinten verschoben und auch das Budget deutlich wachsen lassen. Denn eigentlich wird im Studio oder zumindest mit künstlichem Licht und Hilfsmitteln gedreht um Zeit zu sparen. So ist der ganze Aufwand nicht nur logistisch eine Meisterleistung gewesen, es sieht auch alles genauso aus wie es die Natur hergibt. So lässt Lubezki die Kamera durch Flüsse und Gletscher gleiten, er fängt den Sternenhimmel bei Nacht ebenso ein wie einen dichten Wald im Regen oder einen verschneiten Berggipfel. Wenn es in den wenigen harten Szenen zur Sache geht hält er ohne Scheu auf alles drauf, der Beginn etwa zeigt einen so realistischen Indianer Angriff mit Pfeilen die scheinbar aus dem nichts kommen und die Köpfe der Männer durchschlagen, das einem im Kino der Atem stockt. Das sind so imposante Bilder eines Überfalls wie seit "Der Soldat James Ryan" nicht mehr. Auch in Sachen Brutalität wird nicht geklotzt. Durch schmetterte Köpfe werden ebenso drastisch gezeigt wie etwa literweise Blut das aus Körpern fließt oder das abtrennen zahlreicher Gliedmaßen. Da sollte man schon einen guten Magen haben, denn auch Essgewohnheiten werden auf den Kopf gestellt. Diese Brutalität dient aber nicht etwa der Erzeugung billigem Splatter, sondern spiegelt diese raue, schonungslose Zeit und die Übergroße Überlegenheit der Natur gegenüber dem Menschen. Dies ist ein Hauptmotiv. Der Kampf des menschlichen Willens sich gegen diese Übermacht zu stellen und sie zu bezwingen, und trotzdem respektvoll mit ihr umzugehen. Eine Parade Rolle für den Umweltschützer DiCaprio. Da er kaum sprechen kann muss er mit seinem ganzen Körper schauspielern. Ihm fließt Schaum aus dem Mund, er ist so von seinen Verletzungen gezeichnet das es beim zuschauen schon weh tut, und auch die psychischen Leiden werden immer wieder so gut von ihm reflektiert, das es einem erschaudert. Der Oscar muss für diese Leistung her! Aber auch Tom Hardy (Mad Max) hätte ihn verdient. Er spielt den menschlichen Antagonisten mit so einer kühlen Art wie ich es selten gesehen habe. Mit Vollbart nuschelt er seine Sätze in sich hinein und seine Augen spiegeln permanent nur seine Listigkeit zu Überleben und die eigene Verbitterung. Hut ab. Domhnall Gleeson (Das Erwachen der Macht) mausert sich langsam zu einem ernsthaften Charakter Mimen, auch er gefällt mir als Prinzipien Treuer Anführer der Gruppe. Überraschend bietet auch Will Poulter (Wir sind die Millers), der meist in Komödien Naivlinge spielt, eine gute Performance und passt als "Weichei"sehr gut dazu.
Technisch ist The Revenant brillant. Die Kamera gleitet immer wieder durch lange Plan Sequenzen ohne Schnitt über und um die Protagonisten herum, die Natur Bilder sind einzigartig und so noch nie im Kino zu sehen gewesen. Der Sound und Ton ist ebenso realistisch und fügt sich in das Erlebnis nahtlos ein, die sperrlich zur Geltung kommende Musik unterbricht immer wieder mal die schönen Geräusche der Natur und wirkt wie ein dröhnender Sog. Jedes Geräusch wird Sound technisch angekündigt, so könnte man fast meinen wirklich dort zu sein. Jetzt aber auch zu ein paar kritischen Punkten, weshalb der Film kein weiteres Meisterwerk geworden ist. Manchmal übertreibt es Innaritu mit seinen ruhigen Traumhaften Sequenzen einfach. Bei einem 150 Minuten langem Ungetüm, der ohnehin schon ein langsames Erzähl Tempo hat ermüden die surrealen Einschnitte alla Terrence Mallick (The tree of life) einfach irgendwann. Klar sind die Bilder traumhaft schön, aber der Erzähl Fluss leidet doch erheblich. Und dadurch geht auch viel an Spannung verloren. Das Ziel ist klar, und durch DiCaprios spiel fiebert man auch bis zum Ende hin mit, aber gerade im Mittelteil plätschert das ganze Geschehen manchmal zu lange vor sich hin und wirkt zu Bedeutungs - Schwanger. Ein paar weniger Panorama Natur Bilder hätten dem ganzen nichts von seiner Schönheit und Intensität genommen und wären einem sogar noch deutlichen ins Auge gestochen. Langeweile kommt eigentlich nicht auf, auch ohne große Dialoge und Action unterhält einen Innaritu bis zum Schluss, es ist eher ein Ereignis, ein Mitfühlen, manches trifft einen direkt ins Mark. Beim öfteren Anschauen wird sich zeigen ob er dieses Gefühl halten kann. An den Einfallsreichtum und der Andersartigkeit von "Birdman" kommt er aber deutlich nicht heran.
Fazit: The Revenant ist ein intensives, manchmal schönes und brutales Natur Gemälde verpackt in ein packendes Survival Drama mit einem bärenstarken Hauptdarsteller und virtuoser Kamera, aber auch einigen Längen und dadurch Spannungs - Defiziten.