Es ist wieder einer dieser Filmindustrie – Mythen. 2010 entwirft der junge Brite Gareth Edwards seinen Debütfilm mit lediglich oder besser gesagt angeblich 15.000 Dollarn weitestgehend am heimischen Computer, schneidet dort und fügt Effekte ein. Ihm gelingt der große Coup schon mit seinem Erstling und die Studios gewähren ihm das, worauf die meisten Filmemacher der Gegenwart oft vergeblich hinzusteuern versuchen: viel Geld.
Nun ist das Jahr 2014 und „Godzilla“ darf/wird rebootet (werden). Trotz seiner Bemühungen und Beteuerungen, er wäre Fan der Materie wird der Gedanke „Das wird ja ohnehin neu aufgelegt, dann kann ich's auch gleich selbst in die Hand nehmen“ ihn dabei auch begleitet haben. Und was uns die Trailer dann versprochen haben, war eine wahre Freude. Edwards schien den Mythos Godzilla verstanden zu haben und schien zusätzlich, wie die atmosphärischen Ausschnitte bezeugt hatten, auch handwerklich erstaunlich gut zu arbeiten.
Unter diesen Punkten ist der fertige Film definitiv eine kleine Enttäuschung, denn Edwards entblößt schon in den Trailern viele wahre Augenöffner seines „Godzilla“. Zudem zeigt er in seiner forschen, nicht ganz risikolosen Schnitttechnik, dass er handwerklich zwar Erstaunliches aufweisen kann, dem Mainstream – Publikum aber sicherlich die ein- oder andere Verärgerung zugesteht.
Den Film als Gesamtwerk betrachtend, arbeitet „Godzilla“ mit variierenden Schauplätzen und Figuren. Dabei ist es überraschend, dass Edwards beinah jedem Charakter gleiche Spielzeit zuordnet. Wirklich wahr, stoppen sie am besten einfach mal mit. Da hätten wir die Familie Brody um die beiden Hauptpfeiler Joe und Ford, bei denen Edwards leider im Irrglauben liegt, wenn er meint, sie wären von irgendeiner tiefliegenderen Bedeutung als es die teils schmerzhaften Dialoge suggerieren könnten. Dann der japanische Wissenschaftler Serizawa mit seiner Frau, die als obligatorische Handlungskatalysatoren erdacht wurden und zumindest die Ernsthaftigkeit mimisch zum Ausdruck bringen können. Zudem einige Militärkorps, die sich wieder im guten alten Blockbusterstil grenzdebil verhalten, zumindest aber nicht patriotisch überzeichnet wurden. Edwards gab darüber Auskunft, dass er in seinen Actionsequenzen auf echte Truppen zurückgreifen konnte, was Bewegungsabläufe und das Taktieren im Film besser zum Ausdruck bringt und das funktioniert im optischen Rahmen auch erstmal gut. Trotzdem, soviel war auch nicht verlangt. Denn schlussendlich bleiben noch die beiden MUTO's und Titelgeber Godzilla, denen das Drehbuch offenbar ebenso die gleiche Spielzeit zugeordnet hat. Bei aller Liebe, wir leben zwar im Zeitalter der Gleichberechtigung, aber dann hätte der Film auch einfach „Godzilla meets Friends and More“ heißen können.
Gut, dass Regisseur Edwards mit akurater Arbeit im Ablauf seiner Geschichte auch in Bezug auf einige kritische Szenen zum Thema Kernenergienutzung, interessanten Details und einem atmosphärisch dichten Schlussdrittel aufwarten kann. Denn Japan als Auftaktsequenz samt Reaktorkatastrophe zu wählen, ist mal mutig augenzwinkernd. Die Monster in Edwards apokalyptisch angehauchten Film sind gewaltige Warnungen an die Menschheit, die man mit aller Mühe versucht, im Zaum zu halten. In diesem Zusammenhang ist es gewitzt, dass Godzilla als Zerstörer ungeahnter Ausmaße zum Helden stilisiert wird. Edwards zitiert hier und natürlich auch mit seinen Gegnern und weiteren augenzwinkernden Hinweisen die alten japanischen Vorbilder sehr gelungen und gibt seinem Werk mehrdeutigen Interpretationsspielraum. Auffallend ist zudem, dass sein „Godzilla“ ein sehr taktischer Film ist, was ihm eine interessante Ausgangslage und spannende Atmosphäre verleiht. Die Spezialeinheiten folgen Godzilla beispielsweise durch das Wasser und die verschiedenen Aufeinandertreffen mit seinen Gegner, was es Edwards erleichtert, seinen Fokus sowohl auf Monstern als auch Menschen halten zu können. Auserkoren hat sich der Film Aaron Taylor-Johnson's Ford als Protagonisten, der allerdings völlig überraschend blass bleibt, geradezu abzutauchen scheint. Entweder Taylor-Johnson's Spiel sollte Desinteresse zeigen oder, doch etwas wahrscheinlicher, er kam mit seinem Charakter gar nicht zurecht, der sich auch im Laufe des Films einfach nicht entscheiden will, wohin die Reise geht und ob man jetzt trauern sollte oder die altbekannte Gute Miene zum bösen Spiel besser zieht. Elisabeth Olsen's Elle wirkt in diesem Gegensatz schon emotionaler, reißt mit einem träumerisch seufzenden „Wo bleibst du nur, Ford?“ aber auch ein ganz gewaltiges Brett vom Hocker.
Das Schlussdrittel fetzt dann nochmal richtig, denn Edwards hatte es in der Vorzeit geradezu penibel vermieden irgend eine besonders ausbrechende Action von den Seilen zu lassen, vielleicht auch in Hinblick auf del Toro's letztjährig erschienenden „Pacific Rim“. Dadurch dass er aber eben nicht inflationär mit dem Trubel umgeht und immer wieder gewitzte Zitate auf seine Vorgänger anspricht (Die Szene in der Elle ihren Sohn bittet, den Fernseher auszumachen, während eine Schlacht zwischen Godzilla und MUTO auf einem Nachrichtensender läuft und als wahrlich trashige Reminiszenz auf die alten Klassiker wirkt, ist beispielsweise ein völlig geniales Intermezzo), schafft er es die bedrohende und auch in Farb- und Staubpartikelszenerie einzigartige Atmosphäre in einen Fanservice bietenden Showdown zu transportieren. Was beinahe noch erfreulicher wirkt, ist eine raffiniert konstruierte Schlussszene, die Fragen offen lässt und kein hollywoodtypisches Streicher-Blasmusik-Ende oder knüppeldicke Moralkeule a la „Und die Moral von der Geschicht, die Natur zu zerstören, das macht man nicht“ anspricht, sondern visuell und musikalisch schnell abtaucht. Der Score ist aber auch ein durchgehendes Brett, auf dass sich Regisseur und Film von Anfang bis Ende verlassen können.
Fazit: „Godzilla 2014“ ist also in erster Linie eine kleine Verbeugung an den Mythos höchst selbst, aber auch ein sehr persönlich, wenn auch manchmal etwas unrund inszeniertes, Werk mit ambitionierten Versuchen. Höchst ungewöhnlich, aber zumeist effektiv, dennoch auch in der langen Liste der Filme, denen ein besseres Drehbuch gut zu Gesicht gestanden hätte. In diesem Zusammenhang reiht sich Gareth Edwards schon ein wenig zu den Marc Webb's und Neill Blomkamp's dieser Welt ein, die aus der Indiespalte kamen und es dem Big Budget Blockbuster ordentlich zeigen wollten, letztlich aber einsehen müssen, dass es auch dieses Genre zu verstehen gilt. Es ist und bleibt eben ein Geschäft mit dem Teufel. You're next, Mr. Singer.