Ein stilistischer Visionär mit Idee entwirft in etlichen Jahren mit einem Familienmitglied zusammen ein Drehbuch zu einem hochambitionierten Sci – Fi – Film. Das kommt einem doch aus dem Jahr 2010 bekannt vor, in dem Christopher Nolan's "Inception" fulminant herausstellte, dass sich Mainstream – Blockbusterkino und künstlerische Perfektion nicht zwangsweise ausschließen. Und so geschieht auch im Jahr 2013 etwas ähnlich Magisches: Alfonso Cuaron's "Gravity" ist der absolute Höhepunkt des audivisuellen Filmschaffens, ein Meilenstein der Technik, der fernab davon auch noch zusätzlich auf immens authentische Figuren und atemlose Spannung zurückgreifen kann.
Cuaron's Comeback ist schon etwas entfernt von dem 100 Millionen Darlehen und das ist zu Beginn schon einmal wichtig zu erwähnen, denn seine Sci – Fi – Version lässt schon zu Anbeginn seiner majestätischen Bilderflut viertel Millionen Dollar Filmemacher wie entlarvte Puppenspieler aussehen: Noch nie sah das Weltall dermaßen echt und atemberaubend aus, dass man stets die Authentizität des Films spüren konnte. Dabei lässt er vor allem die Weltkugel als Hintergrund in verschieden effektiven Hintergrundfarben erstrahlen. Zu Beginn kennzeichnet er bereits augenzwinkernd einen drohenden Tornado, als wortwörtliches "Ruhe vor dem Sturm" Panorama, während der allesausfüllende Weltraum totenstill wirkt. Nach der ersten spannungsgeladenen Actioneinlage nutzt er die drohende Dunkelheit mit den Lichtpunkten der entfernten Städte auf der Erde gewinnbringend, um eine ungeahnte emotionale Intensität beim Zuschauer zu erzeugen. Fantastisch!
Großen Anteil daran hat natürlich das Spiel der beiden Protagonisten, wobei Sandra Bullock hier von ihrer Präsenz George Clooney klar den Rang abläuft. Was wohl kalkuliert ist. Sie ist der Knotenpunkt des Films und Handlungsverlaufs, verleiht dem alles absorbierenden Mysterium Weltraum die nötige menschliche Komponente und erdet Cuaron's Werk somit, allerdings ohne ihm seine Hauptfigur zu nehmen: Denn das absolute Zentrum von "Gravity" ist über jeden Zweifel erhaben, die Kulisse.
Dennoch ist Bullock's Spiel bemerkenswert, die Gesichter, die unter, in diesem Fall, eher minimalen technischen Aufwand in die Astronautenhelme reinkopiert wurden, sind in ihrem Mimikspiel durch die Lichtreflexionen noch zusätzlich eingeschränkt. Kameramann Emmanuel Lubezki, der bereits in Terrence Mallicks "The Tree of Life" atemberaubende Bilder lieferte, kommt ihrem Spiel dabei aber auch dankbar entgegen. Großartig sind beispielsweise die Innenhelmkamera, aber auch andere Momente ermöglichen Sandra Bullock eine exzellent aufgelegte Leistung, die Kamera begleitet sie dabei durchgehend ohne abzuschweifen.
George Clooney ist dabei die ironische Auflockerung, um Zuschauer und Bullock's Figur Ryan Stone zumindest ein Stück weit Sicherheit vorzuspielen. Ein ergänzendes, aber auch dank Clooney's beruhigend, bekannten Charmes stimmiges Schauspiel.
Bemerkenswert ist zudem Cuaron's Handlung. So wurde sein Konzept im Vorhinein zwar als originell aber nicht zwingend spannend geweissagt. Und genau das setzt Cuaron ironischerweise an und krempelt derartige Erwartungshaltungen aber mal vollständig auf links. Denn "Gravity" mag vieles sein, aber es ist auf keinen Fall langweilig. Mit seinem sich abwechselnd hämmernden und symbiotisch im All verschwindenen Score malträtiert Cuaron die Nerven seines Zuschauers immer wieder aufs Neue. Der Katastrophen – Auslöser, ein Altmetallhagel aus Trümmerteilen von Satelliten, dient hier sowohl als wiederkehrende Gefahr als ebenso spannungsgeladener Handlungskatalysator, bei dem es gilt, ähnlich einer Bombe, gegen die Zeit zu intervenieren. Die Inszenierung des Regisseurs ist im Falle dieses "Schauers" besonders intensiv, weil immer wieder im Hintergrund Dinge vorbeisegeln und dabei völlig unklar ist, wann genau ein Trümmerteil mit der Raumstation/Rakete kollidiert. Hinzu kommt eine geniale, und in CGI – Actioneinlagen natürlich sehr effektive Egoperspektive zu Gute wie die eigenen Gesetze im luftleeren Raum, die Aktionen wie nach Seilen greifen, oder die richtigen Flugkurven der Protagonisten zu purem Nervenkitzel stilisieren. Atemlos spannend!
"Gravity" atmet in vielen Stellen, und das ohne Zweifel trotz absoluter Eigenständigkeit, den Geist und die Vorlage von "2001 – Odysee im Weltraum". Das wandelbare, anmutig anzuschauende Bewegen der Elemente im luftleeren Raum ist eine kleine Andeutung an den Genreprimus. Natürlich ist sich Cuaron dessen voll bewusst, schließlich zitiert er an einer Stelle, in der Stone in die I.S.S ankoppelt und sie sich in Embryohaltung kauert und dabei die umherwabernden Schläuche den Eindruck der Nabelschnur erwecken, durchaus offensichtlich, ohne dabei einer ähnlichen Penetranz wie bei der Finalszene von "Inception" zu folgen. Ebenso wirkt aber auch "Gravity's" Abschlussszene philosophisch an die Überlegungen der Menschheit von Kubricks Klassikers angelegt.
Und doch lässt sich dabei nicht verschleiern, vor allem in Hinblick auf sein dreistündiges Vorbild, dass "Gravity" ein wenig mehr Substanz gar nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte. Das, was da ist, ist schlichtweg großartig und magisch, aber die Überlegungen sind meist nicht so tiefschürfend, dass sie auch inhaltlich essentiell und nicht nur audiovisuell ewig hängenbleiben werden, wobei man hier Cuaron's andersartigen und kürzeren Ansatz niemals mit Unfähigkeit fehldeuten sollte.
Fazit: Und es sind schlussendlich auch nur Facetten, die den Film nicht eintrüben können – Gravity ist außerordentliches Kino, voller Wucht, Dimensionen, Emotionen und Schauwerten. Endlich mal wieder ein Sci – Fi Film der lebt statt schablonenhaft vor sich herzueiern, und das kann ihm nicht zum Nachteil gereicht werden. - Das ist sein absoluter Vorteil.