Ich fand den Film großartig, phänomenal!
Für mich erklären sich die von einigen hier beschriebenen "inhaltlichen Lücken" damit, dass die alles umfassende Botschaft des Films meiner Auffassung nach darin besteht, dass Töten zu noch mehr Töten führt und eigentlich eine gemeinschaftliche Einigung die Lösung wäre - ein common ground - die Überzeugung aller Parteien vom friedlichen Miteinander, ein symbiotisches, nicht egoistisches Zurückstecken ALLER! Nach dem Vorbild der sehr viel intelligenteren "Tulkun", die im Film ja eine große Rolle spielen. Und hierbei sind diesmal keine großen Gruppen, Nationen, Völker gemeint, sondern Einzelpersonen, Söhne, Töchter, Väter, Freunde, Feinde usw. So wurde das Thema, die Botschaft, relevant und greifbar und emotional und eindrücklich!
Diese Botschaft steht für mich so maßgeblich im Vordergrund, dass die Science-Fiction-Hintergründe und wer jetzt was warum kann oder auch nicht, komplett nebensächlich sind. Bei Harry Potter fragt ja auch keiner, warum die zaubern können oder seit wann oder woher das kommt und schreibt deswegen Verrisse.
Ich mochte diese Offenheit und diesen Interpretationsspielraum! Genau wie wir in der "echten Welt" nicht alles wissen können, können wir auch in Pandora nicht alles wissen und es wird deutlich, dass die Charakter selbst oft vor Rätseln stehen und mehr irren denn "richtig" liegen (Wissenschaftler:Innen werden im Film zum Beispiel in vielen Szenen als die am meisten Irrenden dargestellt, die so verbohrt in ihrem vermeintlichen Wissen stecken, dass Unerklärliches, das darüber hinausgeht, aus der Gleichung gestrichen wird, was dann zu lächerlich und teils fatal falschen Erkenntnissen führt).
Kiri hat mich sehr an neurodivergente Menschen und ihre Erfahrungen denken lassen und an biblische Erzählungen von unbefleckter Empfängnis und liefert vielleicht auch die Erklärung dafür, warum die Navi überhaupt auf Pandora, diesem "Intelligenten Nervensystem" existieren bzw inwiefern die einzelnen Spezies und Wesen miteinander zusammenhängen: offensichtlich kann Pandora eine Navi (Kiris Mutter Grace) "befruchten". Das würde bedeuten, dass alles Leben auf Pandora irgendwo fast "artgleich" ist, wie eine Einheit, ein Körper. Es gibt eine tiefe Verbindung zwischen allen Elementen und alles ist ganz unergründlich und man selbst ist nur ein kleiner, unwissender Teil von allem.
Somit dienen als Überbringer dieser Botschaft die Familien, die Bösewichte, die Freunde; es geht plötzlich um die Unfähigkeit des Individuums, Gnade, Vertrauen und Verständnis walten zu lassen (auch gegenüber den eigenen Kindern) und nicht von Frust und Zerstörung und ANGST geleitet zu leben und zu handeln. Von Rache abzulassen; dass alle verfeindeten Parteien "gleichzeitig loslassen" quasi. Die Erkenntnis zu gewinnen, dass man nicht besser ist als die anderen (auch der Vater nicht besser als die Söhne), dass alle allein, weil sie existieren, existieren sollten. Aber dafür muss man die Angst in den Griff kriegen, sich nicht von ihr beherrschen lassen - wie beim Luftanhalten (ein gängiger Trope im Film - aufs Wasser vetrauen, wir alle kommen und gehen mit dem Wasser, im Wasser findet alles eine Einheit, wie auf Pandora).
Natürlich gibt es noch Handlungsstränge, die mehr von Zugehörigkeit und Identität, Ich vs. die Gruppe, Einsamkeit erzählen. Alles malerisch eingebettet in die temporeiche und authentische Erzählung. Es wird, wie gesagt, wenig von Gruppen und Völkern und Organisationen gezeigt und mehr von zentralen, zerrissenen und unperfekten Charakteren, die alle in einem von Angst und Gewalt und Aggression und Liebe geprägten Verhältnis zueinanderstehen und diese individuellen und komplexen Gewissens- und Angst- und Zugehörigkeitskonflikte bebildern.
Und dass letztlich Liebe und Verbundenheit das ist, worauf alle setzen müssen und vertrauen können, ist dann scheinbar das erlösende Ende der inneren Reisen der Charaktere. Am Ende war die Botschaft für mich, dass es eine Form von bedingungsloser, unumstößlicher Liebe und Verbundenheits- und Identitäts- und Zugehörigkeitsgefühl gibt, die uns Vertrauen und Entspannung ermöglicht und der Gegenpol ist zur Angst und zum Kontollzwang und zum Hass und zur Rache. Und dann kann man auch einfach bleiben, wo man ist und sich "gehen lassen" und friedlich und passiv zuschauen, wie sich alles entwickelt, ohne permanent eingreifen zu müssen.
Somit fand ich die Konzentration auf einige wenige sehr logisch und notwendig und es war der besagten Botschaft meiner Meinung nach äußerst zuträglich. Es ging einfach viel um Gefühle und Familie und Freundschaft und Liebe und Hass und das alles aber vor so atemberaubender Kulisse, mit so viel Spannung und so vielen Methaphern und liebevollen Details, dass ich keine Sekunde verpassen wollte! Ich habe auch die verschiedenen Schauplätze genossen und dass man sich in manchen Szenen total Zuhause fühlen und einrichten konnte. Manchmal wurde einfach nur die Welt erklärt oder gezeigt oder die sozialen Beziehungen.
Es gab auch extrem viel Action, was so gut gemacht war, dass sogar ich, die ich eigentlich nichts mit Action anfangen kann, diese Szenen hervorragend und spannend und genau richtig eingesetzt fand.
Der ganze Film ist ein eigenständiges Kunstwerk, das einen an die Hand nimmt und Einblicke gewährt in eine faszinierende Welt und in allzu bekannte zwischenmenschliche und innere Zustände.
Das Einzige, was mich gestört hat, war dieses stereotype "Väter/Männer sind Anführer und Beschützer"- und "Frauen sind Mütter"-Ding. Das fand ich albern. Vermutlich kommerziell schlau aber nicht sonderlich kreativ! Die direkte Blaupause altbackener Familienmodelle und da hätte man meiner Meinung nach gut den ein oder anderen Twist einbauen können; immerhin bestehen die Familien, die im Film im Mittelpunkt stehen, ja gar nicht aus Menschen und könnten genauso gut herzlich wenig gemein haben mit Mutter-Vater-Kind-Klischees, schaffen es aber, die Stereotype starr und konservativ zu verkörpern! Unnötig und unangenehm. Dasselbe gilt für die nur allzu stereotype und nicht zeitlose Inszenierung der Geschlechter. Ein bisschen 90er-Flair kommt da leider auf, was zu einem so eindrücklichen Werk unerträglich wenig passt. Frauen haben Brüste und lange Haare und schmale Taillen und Männer sind groß und stark und Kämpfer und Männer finden Frauen, die wie Bondgirls aus dem Wasser steigen, sexy und sind selber total "männlich" und kampf- und kriegsgeil.