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    Friedensschlag
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Friedensschlag
    Von Sascha Westphal

    In den vergangenen Jahren sind jugendliche Gewalttäter immer wieder in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion geraten. Einige besonders brutale Gewaltakte haben für entsprechend spektakuläre Schlagzeilen gesorgt. Ein paar Tage lang waren die Zeitungen und Nachrichten dann voll mit Meldungen und Kommentaren, die meist nur von allgemeiner Ratlosigkeit zeugten. Auch die immer wiederkehrenden Rufe nach härteren Strafen und schärferen Gesetzen gehören längst zu den üblichen Medien- und Politritualen. Schließlich sind sie das ideale Ventil für den aufbrandenden Volkszorn, der jede neue durch Jugendgewalt heraufbeschworene Tragödie begleitet. Dem Problem der aus Orientierungslosigkeit und Wut geborenen Gewalt lässt sich allerdings auch ganz anders begegnen. Davon wie zumindest eine Alternative aussehen kann, zeugt Gerardo Milszteins Dokumentarfilm „Friedensschlag“. Diese Doku über das von der Münchener Work and Box Company ins Leben gerufene Projekt, das jugendlichen Gewalttätern die Chance gibt, ihre Aggressionen zu kanalisieren und zu verarbeiten, kommt also genau zum richtigen Zeitpunkt. Nur wird sie ihren eigenen Ansprüchen kaum gerecht.

    Denis, Eftal, Josef, Juan und Marco sind wie auch die anderen Teilnehmer des seit 2002 bestehenden „Work and Box“-Projekts zwischen 16 und 21 Jahre alt. Jeder von ihnen ist schon einmal als Gewalttäter auffällig geworden und steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Sie haben es in der Hand, ob sie ins Gefängnis gehen oder eben aktiv an dem von dem Unternehmer Rupert Voß und dem Familientherapeuten Werner Makella initiierten Projekt teilnehmen. Im Rahmen des von Voß und Makella entwickelten Programms haben sie ein Jahr lang Zeit, ihr Leben noch einmal in den Griff zu bekommen. Sie lernen in dieser Zeit Boxen, können in Voß’ Schreinereibetrieb erste Erfahrungen in der Arbeitswelt sammeln und erhalten zudem Unterstützung bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

    Die Work and Box Company setzt ganz auf eine umfassende Resozialisierung der Jugendlichen, was in ihren Fällen in der Regel gleichbedeutend ist mit einer ersten echten Sozialisierung. Dem Boxtraining kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Es gibt den Jugendlichen nicht nur ein Ventil für ihre Aggressionen, es konfrontiert sie auch mit ihren Ängsten und Schwächen. Insofern ist es nur konsequent, dass auch der Film immer wieder in den Boxring steigt. Nur findet Gerardo Milsztein weder für die Trainingssequenz noch für die Gespräche davor und danach eine auch nur annähernd adäquate Bildsprache. Er kennt allem Anschein nach nur die Extreme einer filmischen Inbesitznahme der Welt.

    Also schwankt „Friedensschlag“ unablässig zwischen einem biederen Fernsehreportagen-Realismus, der die Komplexität der Wirklichkeit einfach wegnivelliert, und extremen, an Videoclip-Techniken geschulten Stilisierungen hin und her. Jeder dieser Pole ist für sich schon kontraproduktiv. Beide versperren den Blick sowohl auf die Jugendlichen wie auch auf die Erwachsenen, die um sie kämpfen. Der eine durch seine simple Gleichsetzung von Abbild und Wirklichkeit, der andere durch seine Attitüde forcierter Modernität. Zusammen erzeugen sie eine Art Negativspannung, die alles andere auslöscht. Und über dem Ganzen liegt dann bleiern die Filmmusik von der Kölner Band P:Lot. Ihre Klänge, in den sich Pseudo-Klassisches und Harmonisches mit zeitgemäßen Beats und Rhythmen unheilvoll vermischt, suggerieren ständig Dramatik und Tempo. Nur passen sie damit kaum zu Gerardo Milszteins eher zu Wiederholungen und Variationen neigender Dramaturgie. Die künstliche Bewegung auf der Tonspur betont letztlich nur die Eintönigkeit des Erzählten.

    Natürlich muss das Team um Voß und Makella hart arbeiten, um an die Jugendlichen heranzukommen. Die blocken immer wieder ab. Auf jede kleine Öffnung ihrerseits folgt meist ein erneuter Rückzug in ihren Panzer aus Gleichgültigkeit und Gewalt, leerem Bravado und tiefer Hoffnungslosigkeit. Milsztein zeigt dies alles, teils sogar recht akribisch. Aber er findet keinen Zugang, nicht zu den Jugendlichen und auch nicht zu der Welt von Work and Box. Alles in „Friedensschlag“ bleibt nichts als Oberfläche. Das Verhalten der Jugendlichen mag erklärbar sein, alleine schon durch ihre familiären Verhältnisse, durch die Isolation und die Ohnmacht, die sie meist von frühester Kindheit an erfahren mussten, aber es bleibt im Grunde unverständlich. Auch die Fortschritte, die sie machen, lassen sich kaum nachvollziehen. Im Rahmen des Films bleiben sie reine Behauptung, dass ist umso bedauerlicher angesichts der enormen Bedeutung dieses Projekts. Die Work and Box Company hätte einen Film verdient, der hinter die üblichen Schlagzeilen vordringt und sie nicht nur unter – wenn auch umgedrehten – Vorzeichen bestätigt.

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