[...]„The Divide“ ist hart, abstoßend und widerlich, eines aber ist er nicht: differenziert. Die Entwicklung der Figuren von Überlebenden zu derangierten Fratzen der Entmenschlichung wird von „Frontière(s)“-Macher Xavier Gens und dem Autoren-Duo Karl Mueller und Eron Sheean zwar einerseits mit erbarmungsloser Härte durchgezogen und in teils schwer verstörende Szenen gepackt, andererseits aber ist „The Divide“ darin wenig clever, wenig im Zwischenton ausgespielt, sondern mehr mit der Trommel eingehämmert und in seiner extrem reduzierten Figurenzeichnung an einige wenige Kerncharakteristika geknüpft, die einfach in ihr extremes Gegenteil verkehrt oder auf eine widerwärtige Spitze getrieben werden. Wenn sich letztlich ausnahmslos jede Figur dorthin entwickelt, wo man sie bereits nach wenigen Minuten Film zum Ende hin vor sich sieht, dann sind selbst die schockierendsten Momente eben kein generisches Abbild zerbrechender Gesellschafts- und Gruppenstrukturen, keine magenverschnürrende Sezierung psychologischer Prozesse im Angesicht von Stress, Trauer, Wut und Ängsten – es ist einfach nur die matte, degoutante, verabscheuungswürdige Aneinanderkettung einer klar herauszulesenden Drehbuchlogistik. Push das Weichei to the limits und es wird sich unerwartet heftig wehren, lass dem lockeren Typen es sich zutrauen, eine Leiche zu zerhacken und er wird danach komplett durchdrehen, gib der Frau eine harte Vergangenheit und als einzige wird sie Zukunft haben, usw.[...]
[...]„The Divide“ metaphorisiert, paraphrasiert und allegorisiert seine schockierenden Ereignisse auch immer wieder zu Zerrbildnissen jüngerer US-amerikanischer Geschichte und Volkes Gefühlslage. Der wutzuckende Mickey vermutet hinter dem vernichtenden Atomanschlag immer wieder islamistischen Terror, er selbst ist ein 9/11-Traumatisierter, dessen Stimme niemand hören will und dessen Tragik auch dann niemanden interessiert, als er auf Fotos mit Frau und Kind zu sehen ist, während Josh und Bobby im Angesicht des Grauens jedes Gewissen verlieren, reuelos und mit brutaler Lust zu foltern, zu erniedrigen, sexuell zu dominieren beginnen und nicht erst, als sie sich symbolisch die Schädel kahl rasieren, vom Film zu einer Art Vertreter der Generation „jung, labil, Soldat“ erklärt werden, die im Bunker quasi einige der unfassbaren Kriegsverbrechen nachspielen, die von US-Truppen seit 2001 begangen wurden (der Abu-Ghuraib-Folterskandal etc.). Martialisch wird zum Beispiel außerdem ein Zeitungsschnipsel mit Ex-Präsident George W. Bush und seinem Ruf nach Vergeltung ins Bild gerückt und auch im Luftschutzkeller bleibt kein Platz mehr für Kompromisse und Verhandlungen, nichtmal unbedingt das Gesetz des Stärkeren gilt – sondern die Hand dessen, der sich am weitesten zu entmenschlichen bereit ist.[...]
[...]Letztlich verpufft so viel Bedeutungsträchtigkeit aber dahinter, dass „The Divide“ einen Teil seiner Figuren zu grotesken Freaks hochjazzt und der andere Teil farblos egal bleibt, was in dieser Kombination zu keinem Ergebnis führt, das auch nur halb so weit mitreißen könnte, wie es das sollte und müsste, um den wirklich umnagelnden Apokalypsen-Horror-Thriller zu bieten, der „The Divide“ sein will. Der Film besäße einige sich verflucht tief einbohrende Szenen, wenn es denen nur gelingen täte, die Worte und Seiten des Scripts vergessen zu machen, mit denen sie konstruiert wurden. Der Schlussakt lässt schließlich alle Anspannung und alles an Grauen erlebte in eine Erruption der Gewalt münden, ist in seiner Auflösung, wer sich gegen wen richtet, so alphabetär, wie in seiner Intensität dadurch abgemildert, dass der Film mit recht unpassenden Kamerakaspereien anfängt, die sich in der sonstigen, nur selten auf solche Weise unterbrochenen Unter- und auf’s wesentliche gerichteten Stilisierung und Dreckigkeit von „The Divide“ nicht richtig anfühlen. Irgendwelche Guy Ritchie- oder David Fincher-„Panic Room“-Gedächtnismätzchen hätt’s nicht gebraucht. Besser macht’s Jean-Pierre Taiebs Musik, die trotz wiederkehrender Themen mehr Charakter als einige der Figuren ausweist, nicht bloß Horror- und Psychosenklänge runterrezitiert, sondern in vielen Momenten das pure Gefühl der Verzweiflung heraushebt und es als solches stehen lässt, ohne es gleich in wie auch immer ge- oder entartete Form der (Un)Tat zu übersetzen, wie der Film es ansonsten tut. Ein bißchen öfter in diese leisere Richtung gedacht, ein bißchen mehr an Persönlichkeit und Empfindung für die Figuren aufgebaut und sich nicht bloß darauf verlassen, dass Menschenverächter und Zyniker das schon in ihrer »ja ja, wir Menschen, schlimm, schlimm…«-Haltung abnicken – „The Divide“ hätte einen nächtelang verfolgen können. Tut es so aber nur bis zum nächsten Morgen und dem Ende dieser Kritik, das hiermit dann auch erreicht wäre.[...]
komplett: http://christiansfoyer.de/2012/05/26/review-the-divide/