"A Star is Born" in der Preview gesehen.
Das Dilemma des Films in kurzen Worten: Cooper ist ein besserer Schauspieler als Sänger und Gaga eine bessere Sängerin als Schauspielerin.
In mehr Worten: Beide beweisen leider keinen Mut zu echter Tiefe, zu Hässlichkeit, zur Purheit. Es gibt unzählige Szenen, in denen man geradezu körperlich spürt, wie lange Gaga diesen Gesichtsausdruck vorm Spiegel geübt hat und Cooper gefällt sich zu sehr in der Rolle des alternden, alkoholkranken Stars. Da Cooper auch Regie führte, merkt man ganz klar, hier fehlte ein Korrektiv. So ist die größte Schwäche des Films, das, was er doch eigentlich permanent in blumigen Worten beschwört: Authentizität, etwas zu sagen haben, alles riskieren, Mut. Hier riskiert leider keiner was.
Jackson (Cooper) sieht auch nach Jahren des Drogen- und Alkoholmissbrauchs immer noch wahnsinnig gut (und fit!) aus und Gaga hätte ein wenig (mehr?) Schauspielführung nicht geschadet. Auch die zugebotoxte Stirn hilft eher weniger. Sie verhält sich und sieht aus wie ein 18-jähriges naives Ding, aber das ist sie eben nicht und die Rolle soll es auch nicht sein. Gerade zu Anfang des Films ist sie schrecklich unbedarft und lässt sich immer wieder auf Jacksons (erschreckende) Übergriffigkeiten ein. Zur Mitte des Films ist sie dann von jetzt auf gleich eine starke, selbstbewusste Frau, was Gaga deutlich besser steht, was aber so plötzlich kommt, dass man es einfach nicht nachvollziehen kann. Die Zeitsprünge sind zu willkürlich und undeutlich. Vergehen hier Wochen, Monate, Jahre? Man weiß es nicht.
Zudem ist der Film lang. Zu lang. Eine halbe Stunde hätte man sicher rauskürzen können. 136 Minuten.
Das große Plus des Films sind Gagas Lieder und ihr großes Gesangstalent, welches durchaus den einen oder anderen Gänsehautmoment hervorruft. Auch die Kamerabilder sind teilweise sehr schön. Außerdem müht Gaga sich schauspielerisch durchaus redlich und in Momenten blitzt etwas auf, was noch reifen könnte, Talent hat sie. Vielleicht wäre sie gut beraten gewesen, mit einer Leinwand-Nebenrolle anzufangen und nicht gleich einen 136-Minuten Epos stemmen zu müssen. (Und, ja, ich weiß, dass sie 2016 einen Globe für ihre Rolle in "American Horror Story" bekam. Aber diese Lorbeeren blieb sie für meine Begriffe hier schuldig.)
Gagas Stärke, ihr Gesang, offenbart auch leider Coopers Schwäche. Hier müht er sich redlich und es ist sicher eine tolle Leistung in wenigen Monaten singen und Gitarre spielen zu lernen, aber die vielbeschworene Tiefe, die kann man eben nicht so einfach lernen. Die fehlt.
Ein Highlight des Films ist der Hund, den sich Ally und Jackson anschaffen. Er spielt eigentlich am besten, was daran liegen mag, dass Tiere sich nicht permanent selbst reflektieren und darüber nachdenken, wie sie gerade aussehen und rüberkommen.
Von der Schwäche der Story möchte ich hier gar nicht groß anfangen. Irgendwie passiert furchtbar viel, aber irgendwie passiert auch gleichzeitig nichts. Die Entwicklungen der Charaktere sind so plötzlich und in Riesenschritten (teilweise innerhalb einer einzigen Szene), dass man als Zuschauer einfach nicht mitgenommen wird. Zu oft sieht man statt der Rolle Ally eben dann doch Lady Gaga, die jetzt mal "ganz pur" sein will. Aber eben will. Nicht ist. Und Bradley Cooper ist, sorry, immer irgendwie Bradley Cooper. Das ist nicht schlecht, aber eben auch nicht richtig gut.
Die Dialoge sind teilweise sehr schlimm, wie aus einem Poesiealbum rausgeklaut. Es werden sich schwülstige Sätze um die Ohren gehauen, wo jeder normale Mensch in Lachen ausbrechen möchte. Leider tut es keiner.
Auch die Nebenrollen sind durchwachsen besetzt. Rafi Gavron als Allys Manager Rez ist hölzern und unglaubwürdig, gefallen hat mir dagegen Allys bester Freund Ramon, erfrischend dargestellt von Anthony Ramos, der leider zu selten auftaucht. Gewohnt solide Sam Elliott als Jacksons Bruder Bobby, der es schafft in all der pompösen Inszenierung für den einen oder anderen echten Moment zu sorgen.
Was dem Film noch fehlt: Humor. Wahre Tragik erkennt man im Angesicht der Komik und umgekehrt. Über ein paar (sehr) müde Gags kommt der Film aber leider nicht hinaus.
Fazit: Zwei Menschen tun 136 Minuten lang so als seien sie ganz pur, ganz echt, ganz roh, ganz mutig. Sie sind es aber leider zu keinem Zeitpunkt. (Abgesehen von Gaga in einigen ihrer Gesangseinlagen, denen, wo sie zum Glück vergisst "ganz toll zu schauspielern".
Insgesamt, auch wenn es hier vielleicht anders klingt, solides, etwas zu langes Popcorn-Kino. Kann man sich ansehen, muss man aber nicht.
Ich werde mir lieber mal die Version mit Barbra Streisand, das Original von 1937 oder die 54er Version mit Judy Garland ansehen. Zu meiner Schande muss ich nämlich gestehen, dass ich gar nicht wusste, das der Film ein Remake (und dann bereits das dritte) ist. ;
3 von 5 Sternen.