"A Star is born" von und mit Bradley Cooper wollte ich zunächst nicht sehen. Der Trailer hatte bei mir den Eindruck erweckt, es handle sich bei der von Bradley Cooper verkörperten Figur um einen eitlen, vor Selbstmitleid zerfließenden Egozentriker, der selbst nichts auf die Kette kriegt, und sich deswegen ein graues Mäuschen als "Projekt" sucht, um es aufzubauen und sich als Held zu fühlen und darüber sein von Minderwertigkeitskomplexen zerfressenes Selbstbild aufzuplüschen. Und darauf reagiere ich aber sowas von allergisch.
Dann aber hat mich eine Freundin, die mir begeistert von dem Film erzählt hat, doch neugierig gemacht. Und da ich ja stolze Besitzerin einer Kino-Abokarte bin, habe ich mir gedacht, Na ja, vielleicht täuscht der Eindruck ja auch - und bin reingegangen. In der Tat fand ich den Film dann doch auch nicht so unerträglich, wie ich es aufgrund des Trailers und meiner Aversion gegen ich-bezogene Fatzken, die ständig ungefragt vor anderer Leute Haustüren kehren, obwohl sich auf ihrer eigenen Veranda der Dreck türmt, angenommen hatte.
Also, um vielleicht erst auch noch etwas Gutes zu sagen, Bradley Cooper, Lady Gaga und auch die Nebendarsteller spielen absolut großartig, intensiv und überzeugend. Die Figuren sind differenziert, facettenreich und ambivalent charakterisiert. Und das Lied, das sie am Anfang im Duett singen, ist wirklich schön. Die restliche Musik ist so lala, da ist jetzt nichts wirklich hängengeblieben - aber das ist wohl auch eine Geschmacksfrage.
Dennoch finde ich den Film - nun ja - schwierig. Er wird ja auch als Romanze beworben und das ist meiner Meinung nach irreführend - gelinde gesagt. Eine Romanze ist ja eher eine leichte Liebelei, etwas Heiteres, Luftiges. Was wir hier zu sehen bekommen, ist aber ein richtig übles, düsteres, krasses Drama über Sucht, emotionale Abhängigkeit, die Erbarmungslosigkeit des Showbusiness und Depressionen, das an die Nieren geht.
Die Beziehung von Jackson und Ally steht ja von Anfang an unter keinem guten Stern. Sie sind beide auf ihre Weise verlorene Seelen - er noch mehr als sie -, die sich voneinander angezogen fühlen, weil sie sich zunächst gegenseitig aufbauen und sich Halt geben. Das kann man romantisch finden ... aber es geht dann ja noch weiter, und zwar abwärts. Und je selbstbewusster und erfolgreicher Ally wird, umso mehr richtet sich Jackson selbst zugrunde. Mein erster Eindruck durch den Trailer war falsch, es ist nicht Jackson, der sein Ego auf Allys Kosten aufplüscht, es beruht eher auf Gegenseitigkeit, beziehungsweise wird Jackson immer mehr zu Allys "Projekt", mit dem sie von ihren eigenen Komplexen (albernerweise wegen ihrer Nase, die vielleicht markant ist, aber weit entfernt von hässlich) ablenkt. Es ist also eher eine wechselseitige emotionale Abhängigkeit, die sich hier entwickelt und zu einer echt toxischen Beziehung führt.
Die beiden können nicht ohne einander, obwohl sie sich gegenseitig emotional kaputtmachen. Das soll romantisch sein? Oh Mann. Bin ich froh, dass, als der Sinn für Romantik verteilt wurde, ich offenbar grad pieschen war oder in der falschen Schlange (der für Sarkasmus) anstand. Im Ernst, das ist doch grauenhaft! Und dann ist das Ganze auch noch mit Melodram überladen. Da reicht es nicht, dass Jackson Maine und Ally eine ungesunde Beziehung führen, da muss man noch Alkohol- und Drogensucht, Co-Abhängigkeit, schwere Kindheit, psychische Probleme, Krankheit, Generationskonflikte, etc. drüberschütten.
Das tolle Spiel von Bradley Cooper und Lady Gaga gleicht das zum Teil aus, aber trotzdem wirkt es stellenweise zu dick aufgetragen und schrammt ein paar mal haarscharf an unfreiwilliger Komik und Kitsch vorbei. Leider ist die Handlung außerdem recht vorhersehbar, wenn auch sehr tragisch.
Was ich allerdings interessant fand, war, wie das Thema Co-Abhängigkeit in der Story behandelt wird. Jackson wird es viel zu leicht gemacht, seiner Sucht nachzugehen. Alle schonen ihn. Niemand lässt ihn mal ernsthafte Konsequenzen für sein Verhalten spüren - außer seinem Bruder, aber wenn er der Einzige ist, ist es ja ein Leichtes, sich als Süchtiger einzureden, dass der halt doof ist, und sich weiterhin vorzulügen, man hätte irgendetwas auch nur annähernd im Griff. Aber vielleicht ist es auch so, dass manche Menschen erst was ändern, wenn sie ganz am Boden sind. Sollte man denken, dass Jackson dies bereits am Anfang ist, stellt sich heraus, dass es immer noch tiefer geht. Und währenddessen reden ihm alle ein, es wäre alles OK, Haha, wie lustig, dass du da bewusstlos in der Hecke zusammengebrochen bist, und jetzt ist es aber wirklich das allerletzte Mal, dass ich dich gesucht habe.
Nach dem Entzug wird er dann völlig sich selbst überlassen. Er weiß gar nicht, wie das geht, ein nüchternes Leben abseits der Bühne zu führen. Und er weiß auch gar nicht, wie das ist, wenn er Probleme mal selber regeln muss. Oder wenn Leute ihm knallhart die Wahrheit sagen. Es kommt dann auch, wie es kommen muss ...
Fazit: Tragödie mit tollen Schauspielern und - je nach Geschmack - guter Musik, die jedoch zu melodramatisch geraten ist. Für Fans von Lady Gaga, Bradley Cooper oder tragischen Liebesgeschichten durchaus sehenswert - für alle anderen eher nicht.