Regisseur Nicolas Winding Refn und Hauptdarsteller Ryan Gosling liefern nach dem begeisternden und preisgekrönten „Drive“ mit „Only God Forgives“ die zweite Zusammenarbeit ab.
Bangkok: Billy (Tom Burke) vergewaltigt und tötet ein 16-jähriges Mädchen. Der Vater des Mädchens tötet mit Genehmigung der Polizei Billy. Die Mutter von Billy – Crystal (Kristin Scott Thomas) – reist aus den USA an und sinnt auf die Rache, die Billy’s Bruder Julian (Ryan Gosling) nicht ausgeübt hat, und mobilisiert die Schergen des von ihr kontrollierten Drogenumschlagplatzes, um alle Beteiligten auszulöschen. Polizeileutnant Chang (Vithaya Pansringarm) möchte dies mit aller Gewalt unterbinden.
Die Bühne des kriminellen Milieus ist überwiegend rot getüncht. Die Kamera lässt sich erfreulicherweise die Zeit, jede der zu Kunstwerken stilisierten Szenen mit thailändischer Symbolik und raffinierter Beleuchtung in gleichmäßig ruhiger Ausgiebigkeit und weit geöffnetem Auge zu durchfahren. Oft ist – angenehm häufig aus der Nähe aufgezeichnet - Julian darin installiert, der intensiv auf diese, seine gewisse Art zielgerichtet, einsichtig oder unerschrocken schaut, wenig spricht, bis jeder der faszinierten Betrachter den Sinn dahinter zu verstehen meint, die Ausstrahlung und den Willen spürt, bis ein neuer Schauplatz aufgerufen wird, der wiederum auffordert, sich visuell penetrieren zu lassen.
Refn und Gosling haben sich gefunden und dazu entschlossen, die in „Drive“ aufgespürten Stärken des Schauspielers in einem ganz anderen Film noch mehr Präsenz zu verleihen. Julian ist dem Driver dann auch ähnlich in Entschlossenheit und gleichzeitiger Zurückhaltung. Bei der vermeintlich alles beherrschenden Ruhe, die von Julian ausgeht, wirkt sein Ausraster wegen eines verschmähten Kleides nach misslungenem Abend umso imponierender, zeigt die Schwächen des Charakters und unterstreicht die Vielseitigkeit Goslings. Und die ist eigentlich längst bestätigt, denn zahlreiche unterschiedliche Gestalten in diversen Genres musste er verkörpern, was ihm wegen erstklassiger Leistungen Nominierungen für Oscar und Golden Globe einbrachte.
Die visuelle Penetration des Films liegt auch in der exzessiven Härte, die vor allem von Chang ausgeht und einige Male zum Wegschauen geeignet ist. Es wird dann schonmal schneller umgeschnitten, was aber den Rhythmus der Inszenierung nicht ins Wanken bringt. Chang strahlt die im Verlauf der Geschichte immer stärker werdende Macht über das menschseiende Übel aus. In der Darstellung des kampfkunsterfahrenen Polizisten scheint es für ihn keine verschlossenen Türen zu geben. Er erscheint, vergiftet die Unterwelt mit der ihm zustehenden Gewalt, die er mit unverrückbarer Ruhe selbstsicher ausübt, seine Männer stehen in Formation und versinnbildlichen damit die Herrschaft der Polizei und die Loyalität gegenüber Chang. Wenn ein Gegner unwürdig ist, reicht auch mal die Bratpfanne. Chang bleibt bei seinem Tun stets stilvoll sauber gekleidet, exakt frisiert und ohne Schweißperle, so wie die ehrenvollen Protagonisten in „The Grandmaster“ von Wong Kar-Wei. Und der unbekannte Vithaya Pansringarm hat keine Probleme, dem nur körperlich kleinen Mann mit seinem Gang auf der „guten“ Seite des Gesetzes Persönlichkeit zu geben. Für störende Unruhe als Gegenpol sorgt die von Kristin Scott Thomas stark gemimte Crystal als Furie mit ihrer schreienden, direkten, scheinbar überalles erhabenen und respektlosen Art, die nur die Rache sucht, unausgeglichen ihrem Sohn beisteht und ihn demütigt. Sie wird von Refn auch optisch zu einer Diva gekürt, die sich in entsprechender Pose die Zigarette nicht selbst anzünden muss und dem verbliebenen Sohn zeigt, dass Mama das Sagen hat.
In diesen berauschenden, zum lohnenden Hinschauen opulent aufgenommenen Bildern, die im Einklang mit dem passend gewählten, beeindruckend fremdartigen Soundtrack stehen, werden als Werkzeuge des Tuns immer wieder Hände gezeigt, die dann nach dem Showdown den Endpunkt des Films markieren. Die Story ist nicht allzu ausladend und man muss Charaktere nicht sonderlich in der Tiefe ausfeilen, wenn sie sich deutlich unterscheiden und auf einen Höllentrip begeben, der nach kurzweiligen 90 Minuten zu Ende ist. Nicolas Winding Refn hat jedoch ein hervorragendes Händchen bewiesen und mit einer sinnlichen Visualisierung der primitiven Absichten um Macht und Gewalt und brillierenden Schauspielern seinen Film im Gleichgewicht gehalten.