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    Universalove
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Universalove
    Von Christian Horn

    Wirklich stumm war das Kino noch nie. Ganz abgesehen von den Ansagern, die in der Anfangszeit der Filmkunst die Schnitte erklärten („Das sind dieselben Leute, nur im Nebenzimmer“), und den verschnupften, tuschelnden oder gar schnarchenden Sitznachbarn, wurde auch in der Stummfilmära Live-Musik zu den Bildern auf der Leinwand eingespielt. Musik und Film gehören einfach zusammen:. Sergio Leone (Spiel mir das Lied vom Tod) war sogar der Ansicht, dass die Musik ganze 70 Prozent eines Films ausmache. Wie auch immer man zu dieser Aussage stehen mag, ist der Umstand unbestreitbar, dass die Filmmusik einen Gutteil zur Atmosphäre, zur Wirkung und damit letztlich zum Gelingen oder Misslingen eines Films beiträgt. Das merkt man schon daran, dass ein auf stumm geschalteter Film mit beliebiger Musik ganz unterschiedliche Konnotationen annehmen kann: Aus einem Horror- wird ein Liebesfilm, eine Alltagsszene wird zum spannenden Thriller und ein sachlicher Nachrichtensprecher zum smarten Hip-Hop-Star. Auch in „Universalove“, einem episodischen Liebesfilm des Österreichers Thomas Woschitz und Gewinner des Max-Ophüls-Preises 2009, spielt die Musik eine außerordentlich große Rolle. Die Songs der ebenfalls aus Österreich stammenden Rock-Band „Naked Lunch“ verschmelzen mit den Bildern von Kameramann Heinz Brandner zu einer Einheit – und zwar dergestalt, dass die Aufnahmen alleine kaum funktionieren würden und der fertige Film zu gleich großen Teilen aus Bildern und Musik besteht. Als einen musikalischen Liebesfilm könnte man „Universalove“ daher beschreiben oder – wie der Regisseur selbst es ausdrückt – als ein Musical für Leute, die normalerweise keine Musicals besuchen.

    In sechs Episoden den Globus umspannenden Episoden erzählt Woschitz‘ erster Langfilm vom universellen Thema Liebe: In Marseille bangt Julie (Liza Machover) um das Leben ihres Geliebten Rashid (Samir Menouar), in Tokio betet ein Informatiker (Kyoichi Komoto) seine Herzdame (Makiko Kawai) aus der Ferne an, in Brooklyn ringt ein Taxifahrer (Damian Smith) mit der Eifersucht, in Rio trifft eine junge Frau (Magda Gomes) auf einen von ihr angebeteten Telenovela-Star (Erom Cordeiro), in Belgrad entsteht die Liebe nur sehr zaghaft und in Luxemburg gesteht ein älterer Mann (Daniel Plier) einem jüngeren Mann (Sascha Migge) seine Liebe.

    Die Episoden des Films werden nicht nacheinander, sondern abwechselnd erzählt. Verbunden sind sie durch das Thema und – mehr noch, weil nachhaltiger – durch die Musik von „Naked Lunch“, die Übergänge zwischen den Episoden schafft und das Disparate der Einzelteile zu einem Ganzen verschmelzt. Wie ein überlanges Musikvideo wirkt „Universalove“ bisweilen, da die Musik nur sehr selten verstummt und eher einer Art Dauerbeschallung gleichkommt, was bisweilen ein wenig zu viel des Guten sein mag, in der Gesamtkonzeption aber durchaus seine Berechtigung hat.

    Der damit einhergehenden Oberflächlichkeit der Bilder und Geschichten scheint Thomas Woschitz sich bewusst zu sein, wenn er ausgerechnet eine brasilianische Telenovela als roten Faden zwischen den Geschichten spannt. Die einzelnen Teile sind eher oberflächlich miteinander verwoben und rutschen regelmäßig ins Pathetische beziehungsweise Kitschige ab. Andererseits - und das ist das Schöne an „Universalove“ - verdichtet Woschitz die Episoden immer wieder in Momenten und Bildern, die eine gewisse Erhabenheit ausstrahlen und als Epizentren des Films fungieren.

    Zwei filmische Einflüsse lassen sich in „Universalove“ ausmachen: zum einen die episodisch verschachtelten Filme von Alejandro Gonzales Innaritù (Amores Perros, 21 Gramm, Babel), zum anderen die großstädtischen, nicht minder episodischen Filme von Wong Kar-wai (Fallen Angels, Happy Together. Der Österreicher Thomas Woschitz kann letztlich zwar keinem der beiden Vorbilder das Wasser reichen, findet aber zwischen den beiden Polen Innaritù und Kar-wai eine eigene Ausdrucksweise, die sich manchmal verhebt, mitunter einen Nullpunkt erreicht, aber immer mal wieder mit schönen Miniaturen und Einzelmomenten besticht. Ob man das nun als Musical, eine mit Musik verwobene Kurzfilmkompilation oder doch ein überlanges Musikvideo auffasst, bleibt hingegen Ansichtssache.

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