Mir ist bewusst, dass es nahezu unmöglich ist, irgendeinen Roman eins zu eins zu verfilmen, aber was aus Naokos Lächeln als Film geworden ist, kann man kaum in Worte fassen, so schlecht ist das Resultat. Angefangen von den Charakteren, bis hin zu vorenthaltenen oder verdrehten Ereignissen, ist das Drehbuch zum Film teils eine andere Geschichte als der Roman selbst, der wichtige Tatsachen außer Acht lässt und mit Fortdauer immer verworrener wird. Einer der größten Fehler ist es auch, dass im Film nicht einmal Jazz vorkommt, dabei durchziehen Miles Davis, John Coltrane und andere Jazz-Legenden und ihre Stücke das Buch, so dass dem Leser eine ganz andere Atmosphäre suggeriert wurde, nicht diese leblose psychotische Stimmung aus dem Film, mit der verstörenden Filmmusik, die eher zu einem reinen Psychodrama gepasst hätte, nicht zu einem tiefsinnigen Liebesfilm.
Zumindest sind zwei Nebenfiguren teils gut ausgewählt, vor allem die des narzisstischen Nagasawa aus dem Studentenwohnheim, mit dem die Hauptfigur Töru Watanabe einige wilde Geschichten erlebt. Auch sein Jugendfreund Kizuki ist eine gute Wahl.
Dagegen ist Reiko, im Buch eine kreative Frau mittleren Alters mit wilden abstehenden Haaren und vielen freundlichen Falten eine haarsträubende Fehlbesetzung, denn im Film ist sie eine strahlende Schönheit. Zudem hat Reiko eine eigene dramatische Story, die nicht einmal angedeutet wird.
Auch die sehr wichtige Figur der Midori, die zu Beginn im Roman einen Kurzhaarfrisur wie ein Junge trägt und ein frecher kumpelhafter Typ ist, ist ein grober Fehlgriff. Ihr hat man im Film einfach einen weiblichen Bob verpasst und lässt sie arrogant und geheimnisvoll erscheinen. Im Buch freute ich mich über Midoris und Reikos Erscheinen, im Film nervten beide Charakteren.
Aber auch die Hauptfigur Töru Watanabe ist im Film ein anderer Typ. Im Roman fast schon ein gleichgültiger cooler junger Mann, ist er im Film ein extrem schüchterner und devoter Schlacks, dem die Lässigkeit des klugen Außenseiters aus dem Roman fehlt, der nicht viel von sich selbst hält, aber dessen zukünftiger Weg als Schriftsteller in jedem Kapitel erkennbar wird.
Zudem fehlt dem Film die Eingangsstory aus dem Buch, als die Hauptfigur 18 Jahre in der Zukunft in einer Lufthansa Maschine sitzt, dabei im Anflug auf Hamburg ist und plötzlich an die Vergangenheit Ende der 1960er Jahre und seine Jugendliebe Naoko denken muss, als im Flieger Norwegian Wood (auch der Originaltitel des Buches) von den Beatles erklingt, ein Song, der in vielen Kapiteln den Roman begleitet.
Das Fatale am Film ist, dass der Regisseur anscheinend nur das katastrophale Drehbuch kannte, ohne den wundervoll erzählten Roman gelesen zu haben, was zu diesem schlechten Ergebnis führte.
Ich kann jedem nur empfehlen, nur das Buch Naokos Lächeln zu lesen und dann den Film wirklich niemals nie sich anzusehen, um nicht derart entäuscht zu werden, was aus Murakamis tollem Roman gemacht wurde, nämlich eine schauderhafte Story ohne Seele, für den ich 3,99 über Amazon Prime gezahlt habe, Geld, dass ich besser aus dem Fenster geworfen hätte. Wer nur den Film gucken will, darf diesen dann aber nur als eigenständige Geschichte und schlechteres Artkino betrachten, nicht als Romanverfilmung.