In aller Regel erweisen sich Dokumentationen über Tierschützer zugleich auch als eine Art Heldenporträt. Ob der selbstdarstellerische Draufgänger Rob Stewart in dem Öko-Thriller Sharkwater oder der bescheidene Grübler Ric O’Barry in dem Doku-Pamphlet Die Bucht – immer wird die Rettung der Tiere mit der heroischen Biographie eines Mannes verknüpft. In dieser Hinsicht ist Angela Graas‘ Dokumentation „Jagdzeit – Den Walfängern auf der Spur“ eine wohltuende Ausnahme. Denn das Bild, das sie von einer Greenpeace-Aktion im Südpolarmeer zeichnet, ist keinesfalls nur positiv – und gerade deshalb umso kraftvoller.
In der Arktis gibt es ein Walschutzgebiet von der Größe Australiens. Alle Nationen halten sich an das Abkommen, nur Japan fängt unter dem Deckmantel der Forschung unbeirrt weiter. In Wahrheit landet das Walfleisch jedoch nicht unter dem Mikroskop, sondern in japanischen Spezialitätenrestaurants. Das Greenpeace-Schiff Esperanza macht sich mit 37 Protestlern an Bord auf, um die japanische Walfangflotte aufzuspüren und sie von ihrem blutigen Vorhaben abzubringen. Mit Schlauchbooten wollen sich die Aktivisten zwischen die Harpunen und die Wale zwängen, um so einen Abschuss der friedlichen Meeressäuger zu verhindern. Doch es kommt ganz anders. Als die Esperanza die Flotte endlich gefunden hat, flüchtet diese. Es beginnt ein tagelanges Wettrennen durch die stürmischsten Meere dieses Planeten, bis sich die Treibstoffvorräte der Esperanza schließlich dem Ende zuneigen…
„Jagdzeit“ bietet fantastische Naturpanoramen. Pinguine, Wale, Eisberge – alles da! Was jedoch – mit einer einzelnen Ausnahme - fehlt, sind die spektakulären Protestaktionen, wie man sie aus dem Fernsehen kennt. Einmal versucht die Crew mit Schlauchboten, das Betanken der japanischen Schiffe zu verhindern. Ansonsten läuft allerdings wenig wie geplant. Anstatt den Walfang fortzusetzen, nehmen die Japaner nämlich einfach Reißaus. Statt sich vor den Walen als Menschliches Schutzschild in Position zu bringen, finden sich die Aktivisten plötzlich in einem Hochsee-Wettrennen wieder. Die Japaner setzen den Fang für zwei Wochen aus, bis der Esperanza der Sprit ausgeht. Dann jedoch geht das Abschlachten unbeirrt weiter. Für einige Crewmitglieder kommt das einer Niederlage gleich, für den Kinozuschauer ist es ein Gewinn. Denn so bleibt dem Film mehr Raum, um die Menschen an Bord unter die Lupe zu nehmen.
Bei Angela Graas sollten sich Doku-Polemiker wie Michael Moore (Bowling For Columbine, Sicko) oder Morgan Spurlock (Super Size Me, Where In The World Is Osama Bin Laden?) ruhig mal eine Scheibe abschneiden. Obwohl sie deutlich gegen den Walfang Stellung bezieht und das Filmprojekt in erster Linie aus idealistischen Gründen begonnen hat, bewahrt die Regisseurin stets eine angebrachte Distanz zu ihrem Sujet. Natürlich kommen die Japaner alles andere als gut weg, und das ist auch richtig so. Aber auch die Aktivisten werden nicht einfach als strahlende Helden abgefeiert. Gerade gen Ende, wenn die Bewertung der Mission ansteht, offenbart sich eine erstaunliche Bandbreite an Einschätzungen: Manche Teammitglieder halten die Aktion für einen vollen Erfolg. Andere versuchen sich einzureden, dass es ein Erfolg war. Und wieder andere erachten die ganze Nummer als komplett unsinnig.
Fazit: „Jagdzeit – Den Walfängern auf der Spur“ ist kein Greenpeace-Werbefilmchen, sondern ein ehrlicher und ungeschönter Blick in das Herz einer nicht unumstrittenen Protestaktion.