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    Der Junker und der Kommunist
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Der Junker und der Kommunist
    Von Christoph Petersen

    Im Geschichtsunterricht an deutschen Schulen wird üblicherweise mindestens ebenso viel Zeit für die vergangenen hundert Jahre deutsche Historie aufgewendet, wie für alle anderen Epochen und Staaten zusammen. Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, das Dritte Reich, der Zweite Weltkrieg, die Teilung Deutschlands, die Gründung der Bundesrepublik, der Wiederaufbau, das Wirtschaftswunder, der Mauerfall, die Wiedervereinigung – es ist eben auch eine ganze Menge passiert. Dabei vergisst man immer wieder, dass es gar nicht wenige Menschen gibt, deren Leben und Vermächtnis von all diesen weltbewegenden Ereignisse direkt beeinflusst wurde. Zwei solche Lebensgeschichten stellt die Dokumentarfilmerin Ilona Ziok (The Sound Of Silence – Der Stummfilmpianist) in „Der Junker und der Kommunist“ nun gegenüber. Das Ergebnis ist eine faszinierende Achterbahnfahrt durch das 20. Jahrhundert, ein ständiges Auf und Ab, bei dem es keinerlei Stillstand gibt. Es liegt auf der Hand, warum der Berliner Komponist und Musiker Manuel Göttsching die Mühe auf sich genommen hat, eine unabhängige Finanzierung für den Film auf die Beine zu stellen: Die Geschichten von Carl-Hans Graf von Hardenberg und Fritz Perlitz gehören einfach erzählt.

    1931 begegnen sich der überzeugte Monarchist Carl-Hans Graf von Hardenberg und der idealistische Kommunist Fritz Perlitz zum ersten Mal. Von Hardenberg hat seine streikenden Bauern hinausgeschmissen, Perlitz wurde von der Partei entsannt, um ihnen zu helfen. 13 Jahre später treffen die beiden erneut aufeinander, und zwar im Krankenbau des KZ Sachsenhausen. Von Hardenberg hatte sich an der Verschwörung vom 20. Juli beteiligt, Perlitz wurde als Kommunist einkassiert. Die grundverschiedenen Männer werden Freunde. Die Kommunisten im Lager geben von Hardenberg sogar Tipps, wie man sich in Verhören am besten verhält und so das Lager überlebt. Nach dem Niedergang des Dritten Reichs bleiben von Hardenberg und Perlitz Freunde, was ein inniger Briefwechsel belegt – auch wenn ihnen die kommenden Jahrzehnte ganz unterschiedlich mitspielen…

    Die Aufstiege und Rückschläge, Erfolge und Niederlagen, die von Hardenberg und sein Freund Perlitz im vergangenen Jahrhundert mitgemacht haben, reichen eigentlich gleich für eine ganze Reihe von Leben. Vor dem Zweiten Weltkrieg: Von Hardenberg ist ein wohlhabender Graf mit weitreichenden Ländereien, Perlitz engagiert sich als Mitglied der Kommunistischen Partei für die Rechte der Bauern. Während des Zweiten Weltkriegs: Beide landen im KZ, weil sie sich gegen Hitler stellen. Nach dem Zweiten Weltkrieg: Perlitz übernimmt in der DDR erst ein hohes Parteiamt, bevor er degradiert wird, weil seine Schwester im Westen lebt. Von Hardenberg wird vom Hof gejagt, in der DDR sind Gutsherren nicht erwünscht. Das Dorf Neuhardenberg wird in Marxwalde umgetauft. Nach der Widervereinigung, von Hardenberg und Perlitz sind bereits tot: Neuhardenberg erhält seinen ursprünglichen Namen zurück. Von Hardenberg wird rehabilitiert und als Widerständler anerkannt. Perlitz, nach dem in der DDR sogar Schulen benannt wurden, verliert hingegen sein öffentliches Ansehen, weil er für die Stasi gearbeitet hat. Seine früheren Verdienste geraten in Vergessenheit. In diesem zig Dekaden umfassenden Auf und Ab steckt einfach alles drin, was eine spannende Story ausmacht.

    Die Entstehungsgeschichte des Films selbst ist ähnlich weit davon entfernt, gradlinig zu sein. Eigentlich bereits im Jahr 2003 fertig abgedreht, wurde 2004 zunächst eine 43-minütige Kurzfassung im TV ausgestrahlt. Die Vollendung des Films wurde hingegen erst 2008 in Angriff genommen, weil vorher das Originalmaterial nicht zur Verfügung stand. An der Fertigstellung dürfte indirekt wohl auch Hollywoodstar Tom Cruise einen Anteil haben. Immerhin hat dieser mit Operation Walküre um den Hitler-Attentäter Stauffenberg, an dessen Aktion auch von Hardenberg beteiligt war, den deutschen Widerstand nicht nur international, sondern auch in Deutschland wieder ins öffentliche Interesse gerückt.

    „Der Junker und der Kommunist“ besteht zum Großteil aus sprechenden Köpfen und Archivmaterial. Regisseurin Ziok gelingt es deshalb nur selten, leinwandfüllende Bilder zu finden, und wahrscheinlich wäre der Film im Fernsehen besser aufgehoben. Aber die Biographien sind so erzählenswert, und in die unabhängige Entstehung des Films ist soviel Herzblut geflossen, dass man an dieser Stelle Neune auch mal gerade sein lassen sollte.

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